Der pflegerische Einsatz in einer Notaufnahme und den angrenzenden Funktionsbereichen, wie Intensiv- und Anästhesiepflege, erfordert ein hohes Maß an stets aktuellem Fachwissen. Die neue Reihe „Einsatz Notaufnahme“ vermittelt den nötigen Lernstoff in komprimierter, präziser und prägnanter Form. Wir sprachen mit den Herausgebern und Autoren Tim Halfen und Kevin Alvarez Losada zur Reihe und der aktuellen Situation in Notaufnahmen.
Notaufnahmen und Intensivstationen waren nicht erst zur Coronapandemie Bereiche, in denen unter hohem Patientenaufkommen schnell, präzise und mit fundiertem Fachwissen gehandelt werden muss. Ihre Lehrbriefe liefern kompakt und übersichtlich dieses Wissen. Warum haben Sie sich für ein solches Format der Lehrbriefe entschieden?
Wir kamen auf die Idee, kompaktes Wissen für die Weiterbildungsteilnehmer in Form von Lehrbriefen zu erstellen, während unserer eigenen Tätigkeit als Dozenten. Wir wurden oft von Teilnehmern gefragt, ob wir Ihnen Literatur zu unseren Themen empfehlen können. Jedoch unterliegt besonders die Notfallmedizin einem ständigen Wandel und Neuerungen. Diesem Tempo können umfangreiche Fachbücher oft aufgrund des hohen Zeitaufwandes zur Erstellung selten mithalten. Zusätzlich ist der Anteil an Fachliteratur, deren Inhalt auf die Tätigkeit von Notfallpflegenden zugeschnitten ist, noch sehr gering. Ferner müssen die TeilnehmerInnen immer wieder auf Literatur aus den Disziplinen der Intensiv- und Anästhesiepflege sowie aus dem Rettungsdienst zurückgreifen und diese adaptieren. Daher wollten wir die Möglichkeit schaffen, sich sein ganz Persönliches Fachbuch aus den individuellen Themen zusammenzustellen und bei Neuerungen einfach das betreffende Kapitel auszutauschen.
An wen genau richten sich Ihre Lehrbriefe? Wie kann man mit diesen am besten lernen?
Unsere Lehrbriefe richten sich vorrangig an Teilnehmer der Fachweiterbildung Notfallpflege oder von vergleichbaren Studiengängen. Aufgrund der Möglichkeit der freien Zusammenstellung und der hohen Relevanz für andere in der Notaufnahme tätigen Berufsgruppen eignen diese sich auch ganz bewusst für WeiterbildungsteilnehmerInnen aus dem Bereich Anästhesie- und Intensivpflege, Anästhesietechnische Assistenten oder Berufseinsteiger und Interessierte in der Notaufnahme.
Da das „richtige“ oder „beste“ Lernen ein sehr individueller Prozess ist, ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Wir würden allerdings empfehlen das jeweilige Kapitel sehr aufmerksam (ggf. mehrmals) zu lesen und sich die für den Lernenden relevanten Punkte zu markieren. Die Markierungen in Verbindung mit den, in der jeweiligen Kapitelzusammenfassung zu findenden Inhalten, stellen eine tolle Grundlage für den weiteren Lernprozess dar. Zur Selbstkontrolle finden sich am Ende jedes Lehrbriefes eine Auswahl an Fragen zur Lernerfolgskontrolle. Diese sind so formuliert wie Sie auch in Klausuren zu finden seien könnten. In den meisten Lehrbriefen finden sich zur Veranschaulichung des Inhaltes auch sehr umfangreiche Fallbeispiele. Diese können wunderbar für das fallorientierte Lernen genutzt werden.
Die Weiterbildung zur Notfallpflege ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Warum sind die Lehrbriefe dennoch für die Weiterbildung bundesweit geeignet?
Das ist eine gute Frage, die uns häufiger gestellt wird, sich aber recht einfach beantworten lässt. Auch wenn Aufbau und Umfang der jeweiligen Module von Weiterbildungsordnung (WBO) zu Weiterbildungsordnung unterschiedlich sind und teilweise sogar die Auslegung zwischen den Weiterbildungsträgern variiert, ist die Nutzung der Lehrbriefe nicht auf eine WBO begrenzt. Möglich wird dies dadurch, dass die inhaltliche Ausgestaltung sich daran orientiert, praxisrelevantes Grund- und Fachwissen zu vermitteln und nicht monoton die Rahmenpunkte eines Curriculums abzuarbeiten.
Sie unterscheiden bei den Lehrbriefen zwischen grundlegenden und spezifischen Fachthemen? Gibt es Themen, die wichtiger sind als andere, da sie häufiger vorkommen?
Wir glauben persönlich nicht, dass die Einteilung in Grund- und Fachwissen eine Bewertung der Wichtigkeit und Relevanz darstellt. Vielmehr ist es notwendig, aufgrund des unterschiedlichen Erfahrungsschatzes der LeserInnen ein einheitliches und stabiles Fundament an Grundwissen zu schaffen, auf das die Fachthemen bezogenen Lehrbriefe aufbauen können. Um insbesondere aber die Lehrbriefe der Grundthemen auch für erfahrene LeserInnen interessant zu gestalten, versehen wir diese gerne mit Informationen über Änderungen der letzten Jahre oder aber auch mit spannenden Dingen, deren Funktion oder Wichtigkeit uns als Notfallpflegende im Alltag oft gar nicht bewusst sind.
Die Anforderungen an Mitarbeiter in der Notaufnahme sind vielfältig und komplex. Was sind die wesentlichen Kompetenzen, die Pflegende und weitere Mitarbeiter in Notaufnahmen mitbringen müssen und welche Wissensbereiche sind unverzichtbar?
Eine Beschreibung oder Definition des Handlungsfeldes der Notfallpflege ist, wie leider so oft, in der Pflege gar nicht so einfach. Diese kann in der subjektiven Wahrnehmung nämlich sogar von Krankenhaus zu Krankenhaus variieren. Jedoch finden wir die Definition der Deutschen Gesellschaft für Funktionspflege (DGF) sehr übersichtlich. Laut den Kollegen der DGF umfasst sie pflegerische Tätigkeiten innerhalb der klinischen Akutversorgung von Notfallpatienten. Notfallpflege wird durch Gesundheits- und Krankenpflegepersonal ausgeübt, welches die NotfallpatientInnen allein oder in Kooperation mit anderen Berufsgruppen versorgt und betreut. Sie unterstützt den ärztlichen Behandler aktiv bei der Steuerung des Versorgungsprozesses und bewältigt mit ihm gemeinsam die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung medizinisch notwendiger diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen am Notfallpatienten.
Als Schlüsselaufgaben der Notfallpflege wird die Bewältigung von schnell wechselnden, akuten und ungeplanten Pflegesituationen, das Erkennen der Bedürfnisse des Notfallpatienten sowie das Erreichen einer Stabilisierung/Linderung des objektiv bestehenden eingeschränkten Gesundheitszustandes gesehen. Besonders wichtig finden wir, dass hierzu auch die Bewältigung der durch die PatientInnen und Angehörigen subjektiv als Notfall eingeschätzten Situationen gehört.
Hat sich die Arbeit in Notaufnahmen seit Ausbruch der Pandemie verändert? Gibt es neue Anforderungen, auf die sich Pflegende einstellen müssen, die es so zuvor nicht gab?
In den Hochphasen der Pandemie erlebten wir erstaunlicherweise einen gegenläufigen Trend der Auslastungen der Deutschen Notaufnahmen im Vergleich zu den Intensivstationen. Während die Auswertungen der Bettenbelegung von Intensivstationen einen Aufwärtstrend verzeichneten, konnte das Robert Koch Institut mit dem Situationsreport Notaufnahme einen Einbruch der Patientenzahlen von bis zu 40 % in 2020 nachweisen. Jedoch bedeutete diese Entwicklung der Auslastung nicht, dass die anhaltende Pandemie den Deutschen Notaufnahmen Zeit zum Durchatmen verschaffte. Ganz im Gegenteil, mussten viele Notaufnahmen einen Großteil ihrer Prozesse an die Hygienekonzepte anpassen, Screening-Strategien etablieren, räumliche Anpassungen vornehmen und eine wichtige Rolle als Überbrückungseinrichtung für Intensivstationen wahrnehmen. Letzteres stellte viele Notfallpflegende vor besondere Herausforderungen. Denn eigentlich ist in den meisten Notaufnahmen die Überwachung, Pflege und Therapie von zum Teil schwer invasiv beatmeten PatientInnen oder sogar die Anlage von extrakorporalen Verfahren, alles andere als die Regel. Diese Situation stellt aus unserer Sicht noch einmal sehr exemplarisch dar, warum bei der stetigen Entwicklung der Deutschen Notfallpflege, es nicht zu einer Abschottung von den bereits sehr etablierten Disziplinen der Intensiv- und Anästhesiepflege kommen darf. Vielmehr wird es Zeit, dass die Hochqualifizierten und Ausgebildeten Fachkräfte der Notfallpflege die Chance erhalten, die wichtige Rolle als Schnittstelle zwischen den Disziplinen einzunehmen, zu formen und ihr interprofessionelles zusammenwirken zu entwickeln.
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