Der Klimawandel und seine ökonomischen Folgen: Ein Autorengespräch

Der Klimawandel bildet das zentrale globale Problem des 21. Jahrhunderts, dessen Folgen inzwischen auch (welt-)wirtschaftlich spürbar sind: Schäden durch Wetterextreme aller Art, Dürren, zugleich Anstieg der Pegel der Weltmeere und Hunger zwingen zum Handeln. Auch wenn die Notwendigkeit zu entschiedenem Handeln inzwischen bekannt ist, liegt die Krux darin, dass die nötige Reduktion der Treibhausgase nicht nur mit einzelstaatlichen Maßnahmen bekämpft werden kann, sondern ein geopolitisch koordiniertes Vorgehen erfordert. Dieses muss sowohl die Erkenntnisse der Klimawissenschaften als auch die wirtschaftlichen Sachverhalte und Zwänge berücksichtigen. Neben den Funktionsmechanismen von Marktwirtschaften sind dies insbesondere auch Fragen der Entwicklungs- und Verteilungsgerechtigkeit. In diesem Kontext werden zunächst die ökonomischen und ökologischen Fakten und Zusammenhänge, branchenspezifische Klimarisiken und wirtschaftliche Lösungsansätze dargestellt, um abschließend auch Handlungsoptionen zu thematisieren, die jedes einzelne Unternehmen und jeden einzelnen Verbraucher („Mikroebene“) betreffen.

Prof. Dr. Frank Hubert ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Quantitative Methoden an der Dualen Hochschule Mannheim. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Arbeitsmarkt- und Umweltökonomie sowie die empirische Wirtschaftsforschung. Er beschäftigt sich neuerdings mit den ökonomischen Folgen des Klimawandels, dazu ist soeben das Studienbuch „Globaler Klimawandel aus ökonomischer Perspektive. Makro- und mikroökonomische Konsequenzen, Lösungsansätze und Handlungsoptionen“ erschienen.

Wir nehmen dies zum Anlass für ein kleines Gespräch zur aktuellen Frage des Klimawandels und seiner ökonomischen Implikationen.

Umschlagabbildung des BuchesNeu!

Frank Hubert
Globaler Klimawandel aus ökonomischer Perspektive
Mikro- und makroökonomische Konsequenzen, Lösungsansätze und Handlungsoptionen

2020. 250 Seiten. Kart. € 26,–
ISBN 978-3-17-037391-4

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Es ist die Gretchenfrage schlechthin: Ist der Klimawandel ein Mythos oder Wirklichkeit – wie stehen Sie dazu?

Frank Hubert
Frank Hubert

Klimawandel gab es in der Erdgeschichte schon immer – warme Phasen wechselten sich mit kalten Phasen, den sogenannten Eiszeiten, ab. Das Besondere an der aktuellen Situation ist die Geschwindigkeit, mit der sich das Klima seit Beginn der Industrialisierung und vor allem in den letzten Jahrzehnten verändert. Die Daten zeigen eindeutig, dass eine Erderwärmung stattfindet und dass die wesentliche Ursache hierfür die hohe Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist. Dieser Anstieg ist vor allem durch menschliche Aktivitäten bedingt.

Die deutsche Wirtschaft und ihre Vertreter leugnen den Klimawandel nicht, befürchten aber Wettbewerbsnachteile durch exzessive Klimaschutzgesetzgebung. Sehen Sie das auch so und welche Folgen hat der Klimawandel überhaupt für die deutsche Wirtschaft?

Der Klimawandel hat für die Wirtschaft zunächst direkte Folgen, wie beispielsweise die Zunahme von Extremwetterereignissen oder den Anstieg des Meeresspiegels. Diese spielen allerdings für deutsche Unternehmen aufgrund der günstigen geographischen Lage eine geringere Rolle als für Betriebe in anderen Weltregionen. Trotzdem werden auch hiervon einzelne Branchen oder Unternehmen stark betroffen sein. Man denke an die Land- und Forstwirtschaft oder die Deutsche Bahn, die vor allem mit schweren Sturmschäden zu kämpfen hat. Für die meisten deutschen Unternehmen ist der klimabedingte Strukturwandel, der durch regulatorische Eingriffe begleitet wird, das größere Problem. Besonders betroffen sind die Energiewirtschaft und die Automobilindustrie. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass es neben vielen Risiken auch Chancen gibt. Die Kohleindustrie verschwindet, die regenerativen Energien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Ähnliche Veränderungen gibt es auch im Automobilsektor. Zum Problem werden die regulatorischen Eingriffe nur dann, wenn ausschließlich deutsche Unternehmen einer strengen Klimagesetzgebung unterworfen sind. Gerade exportorientierte Branchen wie die Kfz-Industrie hätten dann erhebliche Wettbewerbsnachteile. Umso wichtiger ist eine international abgestimmte Vorgehensweise. Das klappt in der EU schon recht gut, im weltweiten Maßstab gibt es da aber noch erheblichen Verbesserungsbedarf.

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Der globale Emissionszertifikatehandel wurde vor Jahren als Wunderwaffe im Kampf gegen die Erderwärmung gepriesen. Zwischenzeitlich ist Ernüchterung eingetreten – handelt es sich um ein wirksames Instrument und falls ja, was müsste geschehen, damit die gewünschte Wirkung eintritt?

Emissionszertifikate haben vor allem zwei große Vorteile: Sie sind ökologisch effektiv und ökonomisch effizient. Allerdings gibt es beim Zertifikatehandel erhebliche politische Umsetzungsprobleme. Dies ist zum einen die Ausgangsverteilung der Zertifikate auf Länder, aber auch auf Branchen und Unternehmen. Zum anderen ist dieses umweltpolitische Instrument auch nicht so einfach in allen klimarelevanten Bereichen installierbar. Bei der Energieversorgung und der Industrie funktioniert es sehr gut, in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude ist es dagegen sehr viel problematischer. Dies hängt unter anderem auch mit der Vielzahl der betroffenen Wirtschaftssubjekte zusammen. Langfristiges Ziel sollte es sein, auch diese Bereiche in den Zertifikatehandel einzubeziehen. Um seine volle Wirksamkeit zu entfalten, muss das Zertifikatesystem zudem auf möglichst alle Staaten ausgeweitet werden. Bis hierfür aber geeignete Vorgehensweisen sowie ein Konsens der Staatengemeinschaft vorliegen, sollte ergänzend auf andere Instrumente, wie z. B. CO2-Steuern oder auch Produktstandards, zurückgegriffen werden.

Immer wieder heißt es, dass die Lösung globaler Klimaprobleme nicht die Aufgabe des Einzelnen sein kann – wie sehen Sie das?

Zunächst einmal ist völlig einleuchtend, dass der Einzelne das weltweite Klimaproblem nicht allein lösen kann. Die Politik muss die richtigen Weichenstellungen vorgeben und die Unternehmen müssen geeignete Technologien entwickeln, um die Klimawende zu ermöglichen. Hier kommt dann aber doch der einzelne Bürger ins Spiel. Er ist nämlich sowohl Wähler als auch Konsument. Nur wenn klimapolitische Entscheidungen eingefordert und nicht torpediert werden sowie gleichzeitig umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen auch tatsächlich nachgefragt werden, lässt sich der Klimawandel begrenzen. Dies wird nicht ohne einen gewissen Wertewandel in weiten Teilen der Gesellschaft gehen – statt „immer Mehr“ sollten qualitative Aspekte eine größere Rolle spielen.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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