Anlässlich des Erscheinens des Bandes Die Ptolemäer von Professor Dr. Stefan Pfeiffer führten wir mit dem Autor das folgende schriftliche Interview:
Die Ptolemäer haben einen schwierigen Namen, wer verbirgt sich dahinter?
Das Königshaus der Ptolemäer stammt aus Makedonien und ist nach dem Namen des Dynastiegründers Ptolemaios’ I. bezeichnet. Es handelt sich um die Nachfolger Alexanders des Großen in Ägypten, die vom 4. bis zum 1. Jh. über das Land am Nil herrschten. Die Ahnen des Dynastiegründers Ptolemaios waren wenig fantasiereich in der Namenswahl für ihre Kinder, so dass alle 15 Könige des Geschlechts Ptolemaios hießen. Die Könige heirateten wiederum sehr häufig ihre Schwestern, von denen sieben den Namen Kleopatra trugen – die letzte Vertreterin der Dynastie diesen Namens war die Geliebte Caesars und Marc Antons.
Ägypten von der Zeit Alexanders des Großen bis Kleopatra, können Sie kurz zusammenfassen, was die wichtigsten Entwicklungen dieser Zeit waren?
Die Zeit zwischen dem ausgehenden 4. Jh. und dem Ende des 1. Jhs. v. Chr. war für Ägypten eine Zeit des Wandels. Mit Alexander dem Großen und unter den ptolemäischen Königen waren unzählige Fremde aus aller Herren Länder, insbesondere aus Griechenland nach Ägypten gekommen. Sie veränderten als neue Herren das Leben am Nil von Grund auf, obwohl sie wahrscheinlich nur 1/6 der Bevölkerung stellten. In nahezu allen Bereichen des Lebens hatten nun Nichtägypter das Sagen, das Griechische verdrängte das Ägyptische als Herrschaftssprache. Aus dem einst kulturell recht einheitlichen Land war damit eine multikulturelle Gesellschaft geworden. Konflikte waren da eigentlich vorprogrammiert, doch ist es den fremden Königen dennoch gelungen, die am längsten währende Nachfolgerdynastie Alexander des Großen zu etablieren. Das gelang vor allem deshalb, weil sie die einheimischen Eliten in ihre Herrschaft einbanden: Die Priesterschaften Ägyptens waren die stärkste Stütze der Fremdherrschaft. So konnten alle äußeren und inneren Krisen bewältigt werden und das Reich der Ptolemäer fand erst mit dem Tod der siebten Kleopatra, die sich auf die falsche Seite im römischen Bürgerkrieg geschlagen hatte, sein Ende: Der Sieger Augustus machte Ägypten zu einer römischen Provinz.
Warum interessieren uns heute noch die Ptolemäer und warum sollte man sich unbedingt mit dieser Dynastie beschäftigen?
Die Zeit der Ptolemäer, die hellenistische Epoche, war im Grunde genommen die „Moderne“ der Antike. Es war eine Welt des beschleunigten Wandels, eine Epoche der nach antiken Maßstäben „weltweiten“ Vernetzung und des Kultur- und Religionskontaktes. Was mich besonders interessiert, ist dabei das Aufeinandertreffen, der Kontakt und der Austausch zwischen der ägyptischen und griechischen Hochkultur. In Ägypten können wir solche Kontakte auf allen gesellschaftlichen Ebenen nachvollziehen, von den Verhältnissen des kleinen Mannes bis zu denen am Königshof. Das ist einzigartig für die gesamte Geschichte der Antike, weil wir allein aus Ägypten aufgrund des trockenen Wüstensandes noch Papyri erhalten haben, die uns auch über das „einfache“ Leben informieren.
Wir können aus der längst vergangenen Geschichte des ptolemäischen Ägypten zwar keine Lösungen für heutige Probleme gewinnen, aber wir können beobachten, wie sich in den Antike eine multikulturelle Gesellschaften entwickelte, welche Probleme sich dabei ergaben und wie Konflikte gelöst wurden, was unseren Blick für die Anamnese moderner Entwicklungen und Probleme schärfen kann. Deshalb ist es äußerst sinnvoll, sich auch noch heute mit dem ptolemäischen Ägypten zu beschäftigen.
Daneben tritt natürlich auch die schlichte Faszination, die antike Hochkulturen ausüben können. Gerade Ägypten ist stets eine Publikumsmagnet und die ptolemäische Geschichte zeigt, dass das Land am Nil kulturell weitaus mehr als Pyramiden zu bieten hat, stammen doch die am besten erhaltenen Tempel des Landes aus dieser Zeit.
Welcher oder welche Ptolemäerin ist Ihre Lieblingsperson und warum?
Wirklich sympathisch im modernen Sinn war sicherlich keiner der Könige der Ptolemäerdynastie, denn es handelte sich um Autokraten, die über Leichen gingen, sogar Familienmitglieder meuchelten, um ihre Interessen durchzusetzen. Mord und Totschlag waren natürlich in der Antike das übliche Prozdere, um Konflikte zu lösen und sie sind, wenn man sich moderne Diktaturen anschaut, auch noch heute „guter“ Ton menschverachtender Regime. Für uns als Kinder der Aufklärung, die wir im friedlichen und demokratischen Nachkriegseuropa leben sind solche Zustände ein nicht wirklich attraktives Modell von Herrschaft.
Trotzalledem gibt es natürlich faszinierende und schillernde Persönlichkeiten der Ptolemäerdynastie. Hierzu gehört etwa die erste Kleopatra, die leider im Schatten ihrer Nachfahrin, der siebten Kleopatra, steht. Der ersten Kleopatra war es aber in einer Welt, in der üblicherweise Männer die Politik führten, gelungen, alleine die Herrschaft über ein antikes Großreich zu führen. Mein „Lieblingsptolemäer“ wiederum ist der als Fettbauch bezeichnete achte Ptolemaios. Er besitzt in der antiken Geschichtsschreibung einen wirklich schlechten Ruf, doch handelte er in Wirklichkeit politisch sehr klug, genoss sein Leben in vollen Zügen und war vor allem äußerst gebildet.
Möchten Sie den Lesern noch etwas sagen, bevor sie mit dem Lesen beginnen?
Ich verstehe das Buch als eine Einladung in eine Welt, die uns und unseren Vorstellung unglaublich fern und doch gleichzeitig in manchen Dingen doch sehr nah ist, die uns also ein ferner Spiegel sein kann. Der Leser wird auf Könige treffen, die sich einerseits in die jahrtausendealte Tradition des alten Ägypten stellten, die andererseits auf ihrer Herkunft in Makedonien beharrten. Er wird von Ägyptern lesen, die sich mit den neuen Herrschaftsverhältnissen arrangierten und mit solchen, die Widerstand leisteten, ein Widerstand, der letztlich aber keine Chance hatte. Der Leser wird auch von starken Frauen und mächtigen Eunuchen hören, von Inzest in der Königsfamilie ebenso wie von blutrünstigen Kinderherrschern. Es ist eine Welt, die letztlich nicht ganz unähnlich den Zuständen ist, die in der Serie „Game of Thrones“ geschildert werden, aber eben in der antiken Realität und nicht der modernen Fiktion angesiedelt sind.
Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und Zeit.
Das Interview führte Dr. Daniel Kuhn.