Münzen und Medaillen faszinieren zahlreiche Sammler und Liebhaber. Für die Epochen vor der Moderne gehören sie zudem zu den umfangreichsten historischen Quellengruppen. Ihre Bilder und Inschriften geben Einblicke in zahlreiche Aspekte der Wirtschafts-, Verfassungs-, Kunst- und Kulturgeschichte. Dennoch teilt die Numismatik an den Universitäten das beklagenswerte Schicksal anderer historischer Grundwissenschaften, mit dem Effekt, dass Münzexperten heute rar sind. Benötigt werden sie aber nach wie vor – nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für eine Vielzahl außeruniversitärer Tätigkeiten.
Sebastian Steinbach kann auf 20 Jahre Erfahrung als Numismatiker zurückblicken und war neben der Universität im Handel und im Museum tätig. Geschrieben hat er ein Buch, das anhand zahlreicher Beispiele die Arbeitstechniken und Methoden der Numismatik vorstellt und dabei besonders auch die spezifischen Anforderungen der numismatischen Berufsfelder in den Blick nimmt. Studierenden, aber auch Sammlern, Münzbegeisterten und angehenden Praktikern wird anschaulich und unterhaltsam das zentrale Handwerkszeug eines Münzkundlers vermittelt.
Lesen Sie erste Eindrücke in unserem Interview mit dem Autor.
Sebastian Steinbach
Numismatik
Eine Einführung in Theorie und Praxis
2. Auflage 2023. 217 Seiten, 77 Abb. Kartoniert. € 22,–
ISBN 978-3-17-042571-2
Herr Dr. Steinbach, was tun Numismatiker?
Der Begriff Numismatik leitet sich von dem lateinischen (nummus) und griechischen (nomisma) Wort für „Münze“ ab. Numismatiker beschäftigen sich in erster Linie mit historischem Geld in seiner materiellen Form, also mit der Geschichte und Entwicklung von Münzen als Zahlungsmittel. Darüber hinaus untersuchen sie aber auch andere Geldformen wie Papiergeld oder Notgeld und münzähnliche Objekte wie Medaillen oder Orden. Außerdem brauchen sie für ihre Arbeit Kenntnisse in der Wirtschafts- und Geldgeschichte, um beispielsweise historische Währungsbezeichnungen auflösen oder etwas über den Münzgebrauch (Preise und Löhne) in der jeweiligen Epoche aussagen zu können.
Wie wird man eigentlich Numismatiker?
Numismatiker ist keine geschützte Berufsbezeichnung – Wissenschaftler an Universitäten oder Museen und Archiven nehmen sie genauso für sich in Anspruch wie Münzhändler oder Münzsammler. Aufgrund des mangelnden fachspezifischen Lehrangebots an den deutschen Hochschulen sind viele Numismatiker heute Autodidakten: Auf der Basis von Grundlagenwissen, das bestenfalls noch in den Einführungsveranstaltungen der geisteswissenschaftlichen Disziplinen Geschichte, Archäologie, Historische Hilfswissenschaften oder Kunstgeschichte vermittelt wird, erweitern sie ihre Kenntnisse durch intensives Selbststudium und praktische Phasen an Münzkabinetten oder in Auktionshäusern. Der Vorteil dieses Mangels an akademischer Anbindung liegt darin, dass angehende Numismatiker dadurch von Anfang an berufsorientiert an ihr Studium herangehen und oftmals mit wichtigen Kontakten für eine spätere Beschäftigung die Universität verlassen.
Und was können wir eigentlich von „alten Münzen“ lernen?
Münzen vermitteln Informationen, die weit über das rein Geldgeschichtliche hinausgehen. Es sind zugleich Alltagsgegenstände, Repräsentationsobjekte und Medienträger. In ihren Bildern und Inschriften spiegelt sich nahezu alles, was die Menschen damals bewegte: Krieg und Frieden, Geburt und Tod, Glauben und Wirtschaften. Wir erfahren etwas über historische Kleidungsstile, antike Gottheiten, herrschaftliche Ansprüche, politische Symbolik und bedeutende Ereignisse. Gerade in Zeiten mangelhafter Schriftüberlieferung wie der Antike und dem Mittelalter geben uns Münzen oft wichtige Hinweise – so kennen wir manchen römischen Feldzug oder einige Äbtissinnen nur von entsprechend geprägten Münzen. Für die Archäologie stellen Münzen darüber hinaus immer noch eine der wichtigsten Datierungsmöglichkeiten für Fundhorizonte dar.
Geisteswissenschaftliche Absolventen müssen sich im Arbeitsmarkt regelmäßig als Quereinsteiger verdingen. Welche Berufsoptionen bieten sich Numismatikern nach dem Studium an?
Numismatiker sind mittlerweile zu gefragten Spezialisten im Kanon der klassischen Geisteswissenschaften geworden, deren Wissen gebraucht wird und die deshalb auf dem akademischen Arbeitsmarkt vergleichsweise gute Chancen haben. Sie können ebenso als Fachjournalisten bei den zahlreichen großen Print- und Online-Münzzeitschriften arbeiten, wie im Museum, in einem der großen Münzkabinette oder in den geldgeschichtlichen Sammlungen der kommunalen und staatlichen Archive. Aber auch in der Privatwirtschaft bieten sich ihnen gute Berufsaussichten in einer der zahlreichen Münzhandlungen sowie den nationalen Prägeanstalten, dem Rohstoffhandel (Anlagemünzen) oder in internationalen Auktionshäusern. Hier gilt wie in anderen Geisteswissenschaften auch, dass man sich am besten bereits während des Studiums mit den unterschiedlichen Berufsfeldern im Rahmen von Praktika vertraut macht und wichtige Kontakte knüpft.
Die Numismatik ist aber nicht nur eine akademische Disziplin, sie ist auch eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Was fasziniert die Menschen an alten Münzen?
Vor allem die Möglichkeit, ein historisches Objekt, dass vielleicht tausend und mehr Jahre alt ist, selbst in Händen halten zu können und sich dabei zu überlegen, durch wie viele und welche Hände dieses Objekt wohl bereits gewandert sein mag. Der Vorteil der Mehrfachüberlieferung bei Münzen macht es möglich, dass sich nahezu jeder ein Stück seiner Lieblingsepoche oder seiner Lieblingsregion nach Hause holen kann. Dabei begegnen wir bekannten Herrscherpersönlichkeiten wie Julius Cäsar oder Alexander dem Großen ebenso wie Friedrich Barbarossa oder Napoleon Bonaparte. Sie alle haben Münzen geprägt und mit diesen kann man direkt in die Geschichte eintauchen. Hinzu kommt natürlich die Faszination der Edelmetalle Gold und Silber. Kein Wunder also, dass Münzen bereits seit der Renaissance gesammelt wurden und die großen europäischen Münzkabinette in der Regel aus fürstlichen Privatsammlungen hervorgegangen sind.
Das Interview mit dem Autor PD Dr. Sebastian Steinbach führte Dr. Julius Alves aus dem Lektorat des Bereichs Geschichte/ Politik/ Gesellschaft.
Bleiben Sie auf dem Laufenden –
Abonnieren Sie den Kohlhammer Newsletter