Multiple Sklerose –
Klinik, Diagnostik und Therapie

Prof. Dr. Heinz Wiendl im Interview über die 2. Auflage des Werkes

Das Verständnis der Multiplen Sklerose hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. In anschaulicher und anwendungsbezogener Weise stellt die 2. Auflage des Bandes „Multiple Sklerose“ die Fortschritte in Bezug auf Pathogenese, Therapie, Diagnostik und Versorgung dar und spiegelt den aktuellen Wissensstand in diesen Bereichen wider. Damit stellt dieses Werk im deutschsprachigen Raum weiterhin einen einzigartigen Begleiter im klinischen Alltag dar.

Im Interview gibt unser Autor Professor Dr. Heinz Wiendl Einblicke in die neuesten Entwicklungen und zukünftigen Herausforderungen der MS-Forschung.

Portrait von Heinz Wiendl
Prof. Dr. Heinz Wiendl

Etwa zehn Jahre nach der 1. Auflage erscheint nun die 2., umfassend überarbeitete und erweiterte Auflage Ihres Werkes.
Worin bestehen die größten Weiterentwicklungen, welche Themen wurden besonders stark überarbeitet?

Die Multiple Sklerose gehört zu den neurologischen Krankheitsbildern, die sich am dynamischsten entwickeln. Das betrifft das pathophysiologische Verständnis der Erkrankung, die Diagnose, die Prognose, aber insbesondere die Therapie. Hier musste alles grundlegend aktualisiert werden, wobei die Abschnitte zur praktischen Therapie wohl am intensivsten überarbeitet wurden und Neuerungen hier die größte Alltagsrelevanz haben.

Im Vorwort schreiben Sie: „Wie kaum ein zweites Krankheitsbild steht die Multiple Sklerose für den rasanten Fortschritt der Neurologie“. Was waren in Ihren Augen die größten Fortschritte in den letzten Jahren im Bereich der MS-Forschung?

Man weiß heute deutlich besser, warum und wie es zu einem autoimmunen Angriff auf das Gehirn kommt, und welche Zellpopulationen dabei wie in das Gehirn einwandern und dort Schädigungen auslösen. Ein wesentlicher Fortschritt der vergangenen Jahre ist, dass wir durch erfolgreiche, aber auch gescheiterte Therapieversuche sehr viel mehr über die Krankheit gelernt haben.
So haben wir zum Beispiel deutlich besser verstanden, wie Immunzellen in das Nervensystem einwandern und gelernt, welchen Einfluss sie in verschiedenen Phasen der Erkrankung haben. Aber auch über die generelle Immunüberwachung des zentralen Nervensystems wissen wir heute deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren. Wesentliche Fortschritte gibt es beim Verständnis von Umwelt- und Lebensstilfaktoren, hier beginnt man, die molekularen Zusammenhänge mit der MS wirklich zu verstehen.

Glauben Sie, dass Menschen mit Multipler Sklerose eines Tages geheilt werden können?

Wir können jetzt schon einer Mehrheit der MS-Patienten eine Krankheitskontrolle in Aussicht stellen. Funktioniert das, kommen die Betroffenen einem komplikationsarmen Leben mit der Krankheit sehr nah.
Die Erkrankung zu heilen, hieße jedoch, die Autoimmunität zu verhindern oder rückgängig zu machen. Ich will nicht ausschließen, dass das irgendwann gelingt. Der Weg dahin ist allerdings noch weit. Gleichzeitig werden erste Ansätze zur Prävention von Autoimmunerkrankungen in der Wissenschaft diskutiert. Das betrifft auch die Multiple Sklerose.

Die Corona-Pandemie hat insbesondere chronisch kranke Menschen verunsichert. Sind Menschen mit MS aufgrund der immunsuppressiven Medikamente besonders gefährdet?

Grundsätzlich ist die Therapie der Multiplen Sklerose nicht automatisch immunsupprimiert – anders als zum Beispiel mit den Medikamenten für Transplantationspatienten. Deshalb sprechen wir eher von Immuntherapie oder immunmodulatorischer Therapie, die mehr oder weniger immunsuppressive Komponenten enthalten kann. Das ist abhängig vom Wirkmechanismus und der Applikationsweise.
MS-Patienten sind nach gegenwärtiger Einschätzung weder anfälliger für eine Infektion mit dem Coronavirus noch verläuft die Krankheit bei ihnen grundsätzlich schwerer. Allerdings wird diskutiert, dass Patienten, die eine Therapie mit hochdosiertem Kortison oder bestimmten immundepletierenden Antikörpern erhalten (CD20), ein höheres Risiko für schwere Verläufe haben können.

Noch eine letzte Frage: Was möchten Sie dem Leser mitgeben, bevor er Ihr Buch aufschlägt und liest?

Das Buch soll ein praktischer Helfer für den Alltag sein. Es ist deshalb einerseits eine Monografie, mit der sich der Leser ein ziemlich umfassendes Bild über die Multiple Sklerose verschaffen kann, andererseits aber auch ein Nachschlagewerk, das angibt, was in konkreten Situationen wie zu tun ist.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Mühe!

2. Auflage!

Wiendl / Korsukewitz / Kieseier
Multiple Sklerose
Klinik, Diagnostik und Therapie

2., erw. und überarb. Auflage 2021
250 Seiten mit 32 Abb. und 29 Tab. Fester Einband
€ 69,–
ISBN 978-3-17-022496-4

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