Prächirurgische Dia­gnostik und chirur­gische Epilepsie­therapie

Aus der Reihe
„Neurologische Fallbesprechungen“

 

Im Gepräch mit Prof. Dr. med. Christian G. Bien

Portrait von Christian G. Bien
Prof. Dr. med. Christian G. Bien

Ein Drittel aller Epilepsie­patienten wird durch die übliche medi­kamentöse Behand­lung nicht anfallsfrei und gilt damit als pharma­koresistent. Welche anderen Therapie­verfahren sind aktuell für Sie am vielversprechendsten?

Die Epilepsie­chirurgie ist für einige dieser Patienten das Verfahren der Wahl. Voraus­setzung ist, dass es sich um eine fokale Epilepsie handelt, dass man den Anfalls­ursprung eingrenzen kann und dass durch seine Entfernung keine inakzepta­blen Neben­wirkungen eintreten. Diese Fragen beantworten die Neurologen und Neuropädiater im Rahmen der prä­chirurgischen Dia­gnostik. Den resul­tierenden Eingriff führt der Neuro­chirurg durch.

Mit unserer Reihe „Neuro­logische Fallbesprechungen“ verfolgen wir das Ziel, den Patienten in den Fokus zu setzen und typische wie auch besondere Patienten­fälle zu beleuchten. Sehen Sie hier für die Erkrankung Epilepsie besonderen Bedarf?

Es gab über viele Jahre hinweg kein deutsch­sprachiges Buch zur Epileptologie, insbesondere nicht zur prä­chirurgischen Epilepsie­diagnostik und Epilepsiechirurgie. Meine Über­zeugung ist, dass dem klinisch tätigen Kollegen nicht primär an abstrakt einsetzender Wissens­vermittlung liegt. Unser ärztliches Denken entzündet sich ja immer am Einzelfall. Daher war ich von der Idee des Kohlhammer Verlags begeistert, dass die Kapitel unserer Epilepsie-Praxisbücher in den „Neuro­logischen Fall­besprechungen“ in jedem Kapitel von realen Fällen unseres Epilepsie­zentrums ausgehen sollten.

Die Autoren und Autorinnen Ihres Werkes sind im größten deutschen epilepsie­chirurgischen Programm am Epilepsie-Zentrum Bethel tätig. Können Sie dieses Programm in Ihrem Haus kurz skizzieren?

Vor 30 Jahren, am 01.01.1991, wurde in Bethel im Kranken­haus Mara die prächirurgische Station eröffnet. Zusammen mit den Epilepsie­zentren in Bonn und Erlangen gehörten wir damit zu den Pionieren in Deutschland. Neurologen, Kinderärzte, ein Neuro­chirurg, EEG-Assistentinnen und -Assistenten und Pflegekräfte waren an der Cleveland Clinic in den USA ausgebildet worden. Der dortige leitende Epileptologe, Prof. Hans Otto Lüders, begleitete das neue Programm noch über Jahre hinweg bei regel­mäßigen Besuchen in Bielefeld. Die OP-Zahlen stiegen Jahr für Jahr an. Sie haben sich inzwischen bei etwa 100 resektiven Eingriffen pro Jahr einge­pendelt. Regel­mäßig werden weiterhin Anfälle auch mit intra­kraniellen Elektroden aufgezeichnet. Inzwischen verwenden wir dazu nicht mehr nur subdurale Elektroden, sondern immer häufiger Tiefen­elektroden, die mithilfe eines Roboters millimeter­genau eingebracht werden. Neben den Standard­eingriffen am Temporal­lappen und den erweiterten Läsionek­tomien werden in Bethel Patienten im Hinblick auf die besonders anspruchs­vollen großen Eingriffe untersucht, und diese werden regel­mäßig angewandt: Hemisphäro­tomien, posteriore Diskonnektionen und Kallosotomien.

Nach dem Band „Allgemeine Epilep­tologie“ ist dies nun bereits ihr zweites Werk als Herausgeber in unserer Buchreihe. In welchem Ver­hältnis stehen diese beiden Titel zueinander?

Die „Allgemeine Epileptologie“ wendet sich an alle, die im Gesundheits­wesen mit epilepsie­kranken Menschen zu tun haben und sich über die medi­zinischen und sozialen Aspekte informieren wollen. Der Band über prä­chirurgische Diagnos­tik und Epilepsie­chirurgie richtet sich an die, die diese Arbeit ebenso betreiben oder betreiben wollen, sowie alle, für deren Patienten die Epilepsie­chirurgie eine Option darstellen könnte.

Welche Ziel­gruppe wird von Ihrem Werk ganz beson­ders profi­tieren?

Wir wenden uns an ärztl­iche, psycho­logische und thera­peutische Kollegen in Epilepsie­zentren sowie an alle, die schwer­behandelbare Epilepsie­patienten betreuen, für die Epilepsie­chirurgie eine Option sein könnte und die von ihrem Behandlungs­team erste Informationen erwarten.

Noch eine letzte Frage: Was möchten Sie dem Leser mitgeben, bevor er Ihr Buch aufschlägt und liest?

Wenn Sie bereits ein vertrautes Vorgehen haben: Seien Sie gespannt auf unsere Erfahrungen und unsere Praxis – vielleicht ist auch für Sie die eine oder andere nützliche Anregung dabei. Wenn Sie die Prä­chirurgie und Epilepsie­chirurgie (noch) nicht selbst betreiben, lassen Sie sich begeistern von dieser großartigen Form, Epilepsien zu verstehen und erfolg­reich behandeln zu können.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Mühe!

Neu!

Christian G. Bien (Hrsg.)
Prächirurgische Diagnostik und chirurgische Epilepsietherapie
Das Bethel-Praxisbuch

2021. 234 Seiten mit 43 Abb. und 13 Tab. Kart.
€ 55,–
ISBN 978-3-17-035078-6
Neurologische Fallbesprechungen

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