Susette Schumann ist GesundÂheits- und KrankenÂpflegerin, Master of Business AdminisÂtration GesundÂheitsÂmanagement und in der Fort- und WeiterÂbildung beim EvangeÂlischen DiakonieÂverein Berlin-Zehlendorf tätig, sie ist VizeÂpräsiÂdentin der Deutschen FachÂgesellschaft für Aktivierend-theraÂpeuÂtische Pflege e. V. und HerausÂgeberin der Reihe „Altenhilfe verstehen und umsetzen“.
Die Reihe „Altenhilfe verstehen und umsetzen“ jetzt im Buchhandel und im Kohlhammer Shop
Frau Schumann, Sie geben die Reihe „Altenhilfe verstehen und umsetzen“ heraus. Den Auftakt machen vier Bände, die Sie selbst geschrieben haben, welche sich mit den vier Aspekten des neuen PflegeÂbedürfÂtigÂkeitsÂbegriffs befassen – Kompetenz, SelbstÂbestimÂmung, SelbstÂständigÂkeit und Teilhabe älterer Menschen. Warum war es Ihnen wichtig, den Fokus auf diese Themen zu legen?
Es besteht die Gefahr, dass der neue PflegeÂbedürfÂtigÂkeitsÂbegriff reduziert wird. Damit ist in erster Linie das BegutÂachtungsÂinstrument zur FestÂstellung eines PflegeÂgrades gemeint. Diese BeschränÂkung auf die BeanÂtragung von Geld- und SachÂleisÂtungen wird dem PflegeÂbedürfÂtigÂkeitsÂbegriff nicht gerecht.
Er ist eher der Ausdruck eines PflegeÂverÂständÂnisses, das PfleÂgende motiÂvieren kann. Er fokussiert nicht nur die EinÂschränÂkungen pflegeÂbedürfÂtiger Personen, sondern auch ihre vorhandene SelbstÂständigÂkeit. Ihre Förderung kann die Vermeidung oder Linderung von PflegeÂbedürftigkeit herbeiÂführen und darum sollte es in der Pflege gehen.
Die Altenhilfe befasst sich mit theoÂretiÂschen, organiÂsatoriÂschen und pflegeÂpraktiÂschen Fragen der VersorÂgung älterer Menschen. Die Reihe möchte dabei helfen, Theorien und gesetzliche Neuerungen für die VersorÂgungsÂpraxis anwendÂbar zu machen. In Ihrer Tätigkeit als Pflegerin und in der Fort- und WeiterÂbildung setzen Sie das Konzept der Reihe selbst um und leiten andere PflegeÂkräfte darin an. Welche Hürden/ProbleÂmatiken sehen Sie derzeit hinsichtÂlich der Ressourcen-orienÂtierten Pflege?
Langjährige pflegerische AnfordeÂrungen bezogen sich immer auf die IdentifiÂkation von DefiÂziten bei pflegeÂbedürfÂtigen Personen und ihre Bemessung war auch die Grundlage für die FinanÂzierung von PflegeÂangeboten. Diese DefizitÂorienÂtierung wird zunehmend abgelöst durch die Stärkung der Rechte der pflegeÂbedürfÂtigen Personen, die sich durchaus als kompetent im Umgang mit PflegeÂbedürftigÂkeit fühlen. Die größere Bedeutung des PrävenÂtionsÂgedankens, insbeÂsondere zur FörÂderung von RehabiÂlitaÂtion, erfordert die Anpassung hin zu einem ressourÂcenÂorienÂtierten PflegeÂverständnis. In meiner berufÂlichen Praxis schildern Pflegende oft, dass sie für dieses PflegeÂverständnis einmal in der Pflege angetreten sind, damit verbinde ich die Hoffnung, dass PflegeÂverständnis und pflegeÂrische Praxis wieder besser zusammenÂpassen und die AttraktiÂvität des Berufes erhöhen.
Jeder einzelne Band beginnt damit, dass er die PerspekÂtive des älteren Menschen einnimmt. Wie hilft dieser PerspektivÂwechsel den PflegeÂkräften im professioÂnellen Umgang mit älteren Menschen?
In der Pflege werden noch immer sehr standarÂdiÂsierte VorgehensÂweisen bevorzugt. Sie sind Ausdruck von einer erhofften Effizienz und damit ZeiterÂsparnis in der Pflege. In der Praxis führte dies dazu, dass standarÂdisierte Verfahren immer wieder an den Einzelfall angepasst werden müssen. Ist es dann nicht sinnvoller, gleich an der indiviÂduellen Perspektive der betroffenen anzuÂsetzen? Dieser Weg scheint mir der direktere, wenn es um die UnterÂstützung bei der ProblemÂlösung für ältere Menschen geht.
Die Bände der Reihe verfolgen auch das Ziel, das PflegeÂmanagement bei der VersorÂgungsÂplanung zu unterÂstützten, sodass ältere Menschen möglichst lang selbstÂständig und selbstÂbestimmt leben können. Wie kann dieses Ziel Ihrer Meinung nach in der Praxis ideal gelingen?
In der Zwischenzeit wurde die generalisÂtische PflegeÂausbildung eingeführt, viele gesetzliche Regelungen stärken die MitÂbestimmung älterer Menschen. So ist es logisch, pflegeÂrisches Handeln auf diese Vorgaben abzuÂstimmen und SelbstÂständigkeit und SelbstÂbestimmung der älteren Menschen zu reflektieren. Haben Pflegende den Anspruch, LebensÂqualität zu erhalten und zu fördern, gibt es nur den Weg der GewährÂleistung der Autonomie. Lebensqualität und längerÂfristige PflegeÂbedürfÂtigÂkeit sind nicht miteinander vereinbar. Für dieses Ziel benötigen die Pflegenden die entspreÂchenden RahmenÂbedingungen und den Rückhalt des PflegeÂmanagements.
Wir danken Frau Schumann recht herzlich für das Interview. Das Interview führte Kerstin Weissenberger.