Kurzintervention bei Insomnie (KI)

Eine Anleitung zur Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen

Markus B. SpechtMenschen brauchen unterschiedlich viel Schlaf. Die einen schlafen sechs Stunden, die anderen neun Stunden jede Nacht, andere machen jeden Tag zusätzlich einen Mittagschlaf. Warum das Schlafverhalten so unterschiedlich ist, wissen wir nicht. Sicher wissen wir allerdings, dass das Schlafbedürfnis mit zunehmendem Alter abnimmt. Welche Funktion hat Schlaf eigentlich?

Ich möchte dieser Frage zunächst mit einer Gegenfrage antworten: Was passiert mit uns bzw. wie geht es uns, wenn wir mal eine Nacht (oder aber mehre) sehr wenig geschlafen haben oder fast gar nicht? Wir werden mit Sicherheit erleben, dass wir am nächsten Tag müde sind und schläfrig, uns schlechter konzentrieren können und vielleicht etwas gereizter oder aber aufgedrehter sind. An diesen spürbaren Folgen lässt sich auf einen sehr wichtigen Teil der Funktion des Schlafes zurückschließen: er versorgt uns mit Energie für den nächsten Tag bzw. füllt die verbrauchten Batterien des Vortages wieder auf. Weitere, weit weniger für uns spürbare, Funktion erfüllt der Schlaf dahingehend, dass z.B. im Schlaf unser Gedächtnis gefestigt und die Eindrücke des Tages verarbeitet werden. Zudem ist unser Schlaf wichtig für die rein körperlichen Reparaturen und Wiederherstellungsprozesse. Schlaf ist also ein zwingend notweniger Teil unseres Lebens, ohne den ein zufriedenstellender und leistungsfähiger Alltag nicht möglich ist.

In der heutigen Leistungsgesellschaft wird mit Schlaf teilweise sehr stiefmütterlich umgegangen. Kein Wunder dass Schlafstörungen immer mehr zunehmen. Ab wann spricht man eigentlich von einer Schlafstörung?

Um von einer relevanten Ein- und Durchschlafstörung, einer Insomnie, zu sprechen bzw. diese als krankheitswertige Diagnose stellen zu können müssen mehrer Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen Einschlaf- und /oder Durchschlafschwierigkeiten, aber auch frühmorgendliches Erwachen auftreten oder der Schlaf chronisch nicht erholsam bzw. als qualitativ schlecht wahrgenommen wird und zwar über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Zum anderen müssen diese Probleme trotz adäquater Möglichkeiten, ausreichend Schlaf zu bekommen, auftreten. Des Weiteren müssen auch eine oder mehrere Tagesbefindlichkeiten oder Leistungen beeinträchtigt sein (z.B. Müdigkeit, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit/Konzentration, soziale oder berufliche Einschränkungen), die auf die oben angeführten nächtlichen Schlafschwierigkeiten zurückgeführt werden können.

Einen weiteren wichtigen Aspekt hierbei möchte ich durch ein Erlebnis mit einem meiner Patienten verdeutlichen. Auf die Frage, ob er Einschlafprobleme habe, sagte er, dass er jede Nacht mindestens 30 Minuten wach liege. Ich dachte also: Einschlafstörung! Die Frage, was er in dieser Zeit denn mache, beantwortete er, dass er über den Tag nachdenke. Ich dachte also: Einschlafstörung mit Grübelneigung. Auf meine Frage, ob ihn das belaste, berichtete er mir, dass er das angenehm fände seinen Tag noch mal vor seinem inneren Auge zu erleben und sich so an die schönen Momente zu erinnern. Er schlafe dann mit diesen Gedanken auch immer ein. Ich musste also meine Diagnose einer relevanten Störung verwerfen, da der Patienten keinen subjektiven Leidensdruck verspürte, der ein ausschlaggebender Faktor bei der Vergabe einer krankheitsrelevanten Diagnose ist.

Kurzintervention bei Insomnie (KI) | KohlhammerIn dem Manual „Kurzintervention bei Insomnie (KI)“, dass Sie gemeinsam mit Elena Spaude und Alexandra Kaluza geschrieben haben, stellen Sie ein Programm mit vier jeweils 1-Stündigen Einheiten vor. Können Sie uns das Programm kurz zusammenfassen? Was sind die wesentlichen Inhalte und Ziele?

Die vier je eine Stunde dauernden Sitzungen erstrecken sich über einen Zeitraum von 6 Wochen. Das Programm aber fängt bereits 3 Wochen vorher mit dem Führen eines Schlaftagebuchs an, um die genaue Problematik und einige dem Betroffenen eigene Schlafbesonderheiten zu erfassen, und endet 3 Wochen nach der letztem Sitzung mit dem Ende des letzten Schlafprotokolls, in dem die Veränderungen des Programms deutlich und die Erfolge stabilisiert werden sollen. In den Sitzungen geht es zunächst um die Vermittlung grundlegender Informationen rund um den Schlaf. Darauf aufbauend werden dann die 4 Schlafregeln abgeleitet und deren Sinnhaftigkeit erläutert. Konkret beinhalten diese Regeln, dass Betroffene unabhängig von der Schlafdauer morgens zu einer regelmäßigen Uhrzeit aufstehen sollen, dass die im Bett verbrachte Zeit verkürzt werden soll, dass sie sich nur schlafen legen, wenn sie Schläfrigkeit empfinden und dass das Bett ausschließlich zum Schlafen benutzt werden soll. In einem weiteren sehr wichtigen Schritt wird erarbeitet was für Schlaftypen die Betroffenen sind, ob sie z.B. Frühaufsteher, Nachtmenschen, Lang- oder Kurzschläfer sind usw.. Das ist wichtig, damit die Schlafregeln an diese Gegebenheiten angepasst werden können und z.B. konkrete Uhrzeitempfehlungen für die Einzelnen gegeben werden können. Es sind weiterhin Themen wie das Durchführen einer Entspannungsübung oder Techniken gegen Grübeln, die den Betroffenen als Werkzeuge an die Hand geben werden. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist ständige Kontrolle der Einhaltung der Regeln durch das gleichzeitige Führen eines Schlaftagebuchs. Ebenso werden die Betroffenen in den Sitzungen ermutigt und motiviert die begonnen Veränderungen aufrecht zu erhalten. Durch die Ergebnisse von Fragebögen zu Beginn und am Ende des Programms werden bereits nach 6 Wochen den Betroffenen die ersten Erfolge sichtbar gemacht. Letztlich ist das Ziel, dass durch die Vermittlung von bestimmten Ideen und Techniken, die Betroffenen selber in die Lage versetzt werden ihre individuelle Schlafproblematik kompetent behandeln zu können.

Ist das Manual „Kurzintervention bei Insomnie (KI)“ außer für Therapeuten zur Anleitung auch für die Selbstanleitung gedacht? Was ist bei der Selbstbearbeitung zu beachten?

Dies ist nicht ganz so leicht zu beantworten und kann letztlich mit einem eingeschränkten „Ja“ beantwortet werde. Prinzipiell ist das Manual so geschrieben, dass auch Betroffene die im theoretischen Teil dargestellten Sachverhalte gut nachvollziehen und verstehen können. Ebenso sind die Anleitungen und Grafiken im Manual selber so dargestellt, dass die Durchführung selber erfolgen kann. Das alles aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zum einen sollten sich die Durchführenden sehr genau an die einzelnen Inhalte und Schritte des Programms halten und nichts auslassen, zum anderen sollte nur eine leichte bis mittelschwere Störung des Ein- und Durchschlafens vorliegen. Am Wichtigesten ist aber, dass keine weiterführende organische oder psychische Problematik oder Erkrankung besteht. Um dies auszuschließen sollte bei mittelschweren und schweren Beschwerden auf alle Fälle vor der selbstangeleiteten Durchführung eine ärztliche und/oder psychologische Diagnostik erfolgen. Besteht also die Problematik seit kurzer Zeit und sind die Effekte auf den Alltag nicht sehr stark ausgeprägt, ist die Durchführung in Eigenregie möglich. Ist das Problem seit vielen Jahren existent, ohne Anzeichen einer Besserung trotz vieler Versuche, sollte auf alle Fälle ärztliche oder psychologische Hilfe in Anspruch genommen werden.

Für Ihre Zeit und Mühe bedanken wir uns sehr herzlich.

Markus B. Specht ist leitender Psychologe des interdisziplin?en Zentrums für Schlafmedizin und Heimbeatmung Hofheim und stellvertretender leitender Psychologe der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Hofheim.

Markus B. Specht
Diplom Psychologe, Somnologe (DGSM)
-Leitender Psychologe des Schlaflabors-
Interdisziplinäres Zentrum für Schlafmedizin und Heimbeatmung
Kurhausstr. 33a | 65719 Hofheim
www.schlaflabor-hofheim.de | Email

Fachbereich(e): Psychologie. Schlagwort(e) , , , , , , , , , . Diese Seite als Lesezeichen hinzufügen.