In Kürze erscheint der neue Titel „Praxiskommentar Waffenrecht“.
Er bietet eine übersichtliche und verständliche Kommentierung des komplexen deutschen Waffenrechts und konzentriert sich dabei auf alle praxisrelevanten Themen. Es richtet sich nicht nur an Juristen, sondern auch an alle Rechtsanwender in Verwaltung und Polizei sowie an Sportschützen, Jäger und andere Waffenbesitzer. Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Relevanz des Waffenrechts wurde der Herausgeber, Dr. Michael Pießkallea, nicht nur zu den Inhalten des Buches, sondern auch zu den politischen und gesellschaftlichen Dimensionen des Themas befragen.
Was hat Sie dazu bewegt, einen Praxiskommentar zum deutschen Waffenrecht zu verfassen?
Als im Waffenrecht tätige Rechtsanwälte betrachten wir es als ebenso spannend wie herausfordernd, an einem Kommentar zu dieser Thematik mitzuwirken. Daher haben wir die Einladung des Verlages, als Autoren mitzuwirken, sehr gerne angenommen. Die Herausgeberschaft wurde uns erst im Laufe des Projektes angetragen.
Welche Aspekte des deutschen Waffenrechts sind Ihrer Meinung nach besonders komplex und wie haben Sie versucht, diese zu erläutern?
Die Komplexität durchzieht das Waffenrecht in seiner Gesamtheit. Als gesetzgeberische Meisterleistung würden wir es nicht bezeichnen, es fehlt an Klarheit und Struktur. Und die Waffen-verwaltungsvorschrift, die den Behörden als Leitfaden zum einheitlichen Vollzug dienen soll, ist zum einen veraltet, zum anderen halten sich die Länder zumeist nicht an sie. Mitunter merkt man den politischen Drang, einzelne Bereiche inhaltlich zu überfrachten: Das gilt beispielsweise für die Regelungen zur Zuverlässigkeit, zur Aufbewahrung und auch zu den Meldepflichten. Gerade der Waffenhandel hat einen erheblichen administrativen Aufwand zu betreiben, der kleine Büchsenmacher auch dazu zwingt, aufzugeben. Andere Vorschriften sind lückenhaft, beispielsweise die zur persönlichen Eignung. Alle Autoren haben versucht, dem Kommentar den Stempel der Praxisnähe aufzudrücken, wir glauben, dieses Ziel wurde – auch durch die in den einzelnen Kommentierungen enthaltenen Praxistipps – erreicht.
Können Sie einige aktuelle und vielleicht heiß diskutierte Praxisthemen nennen, die im Buch behandelt werden?
Gerne! Die im Jahr 2023 viel diskutierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln oder die Folgen der sog. „verfassungsschutzrelevanten Delegitimation des Staates“ für die Zuverlässigkeit werden erläutert. In beiden Bereichen setzt sich der Kommentar kritisch mit der jüngsten Rechtsprechung auseinander.
Wie haben Sie die verschiedenen Normen des Waffenrechts miteinander verknüpft und dargestellt?
Eine der tragenden Ideen des Werkes war, die Vorschriften des Waffengesetztes, der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) und der Waffen-Verwaltungsvorschrift (WaffVwV) im Zusammenhang zu erläutern. Das Waffengesetz gibt hier den Aufbau vor, die AWaffV und die WaffVwV sind in die Kommentierungen eingeflochten. Das erspart dem Leser das Hin und Her bei der Suche, was sich auf die Lesbarkeit positiv auswirkt. Etwa bei den Vorschriften zur Aufbewahrung.
Wie beeinflussen aktuelle politische Diskussionen und gesellschaftliche Entwicklungen das Waffenrecht in Deutschland und welche sind das?
Der Einfluss der politischen Stimmungslage auf das Waffenrecht ist sehr groß, manchmal zu groß. Das merkt man insbesondere nach schweren Straftaten oder Unfällen mit Waffenbezug, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden. Deutschland hat eines der strengsten Waffengesetze der Welt, es hat sich in großen Teilen bewährt. Wir sehen eher Vollzugsdefizite als die Notwendigkeit, immer strengere Vorschriften zu erlassen, die in ihrem Vollzug kaum zu handhaben sind. Zudem vermissen wir bei behördlichen Bescheiden und Gerichtsentscheidungen manchmal das notwendige Fingerspitzengefühl bei der Einzelfallbewertung. Wenn man als Behörde etwa versucht, Aufbewahrungsverstöße bei gemeinsamer Verwahrung allen Verwahrern gegenseitig zuzurechnen, obwohl man gar nicht weiß, wer einen Verstoß begangen hat, oder gar versucht, die Beweislast in Bezug auf korrektes Verhalten dem Waffenbesitzer aufzuerlegen, dann läuft etwas falsch. Niemand anderes als die Behörde trägt die Beweislast für Tatsachen, wenn sie meint, der Waffenbesitzer habe die Zuverlässigkeit verloren.
Welche politischen Herausforderungen sehen Sie derzeit im Bereich des Waffenrechts?
Politisch dürfte die größte Herausforderung darin liegen, das Waffenrecht faktenorientiert zu evaluieren und die Debatte zu versachlichen. Weder die Waffennarren noch die ideologischen Waffengegner dürfen die Debatte bestimmen. Hier wollen alle am Werk Beteiligten einen Beitrag leisten. Waffen sind – nehmen wir nur Jäger und den Sicherheitsbereich als Beispiele – zuallererst Handwerkszeug. Man würde sich als im Waffenrecht tätiger Jurist sehr oft wünschen, dass der Gesetzgeber externen Sachverstand aktiv nutzt und nicht versucht, durch hektisch formulierte Gesetzesvorschläge auf kurzfristige gesellschaftliche Stimmungen zu reagieren. Mitunter beklagen sogar die Vollzugsbehörden, dass sie von den Ministerien nicht um ihre Einschätzung gefragt werden, was völlig unverständlich ist. In der Vergangenheit wurden Regelungen geschaffen, die nicht praxisnah sind und zeigen, dass die Akteure auf Seiten der Legislative häufig überhaupt keinen Bezug zu Waffen haben. Das gilt zum Beispiel bei den Meldepflichten in Bezug auf auswechselbare wesentliche Teile. Wenn man solche Kuriositäten, die im Kommentar behandelt werden, dann beim zuständigen Ministerium hinterfragt und die Antwort erhält: „Ja, das steht da so, ist aber nicht so gemeint“, verwirrt das. Denn wie soll der nicht juristisch vorgebildete Rechtsanwender das Auseinanderdriften zwischen Gesetzeswortlaut und „Gemeintem“ in der Praxis erkennen?
Wie bewerten Sie die Balance zwischen öffentlicher Sicherheit und den Rechten von Waffenbesitzern im aktuellen deutschen Waffenrecht?
Wie oben gesagt, ist das deutsche Waffenrecht eines der strengsten weltweit. Bevor über Verschärfungen nachgedacht wird, sollte man evaluieren und versuchen, in der Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden vor Ort Vollzugsdefizite zu beseitigen. Das Waffenrecht obliegt dem Ländervollzug: Wir machen die Erfahrung, dass viele Behörden personell unterbesetzt und daher erheblich überlastet sind. Dass die Eintragung eines Schalldämpfers in eine Waffenbesitzkarte im Extremfall vier Monate dauert, ist ein unhaltbarer Zustand. Zudem fehlen einheitliche Standards bei der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir halten es übrigens auch für einen Vorteil, wenn Mitarbeitende von Jagd- und Waffenbehörden selbst Waffenbesitzer sind: Sie verfügen über die notwendige Sachkunde und lassen sich von Waffenbesitzern kein X für ein U vormachen.
Wie betrachten Sie die Rolle der Medien in der Diskussion über das Waffenrecht?
Ambivalent. Man erkennt meist im ersten Absatz oder nach wenigen Sekunden eines Berichtes, worauf die Autorinnen und Autoren hinauswollen. Das ist der Sachlichkeit nicht förderlich. Wenn dann noch fachliche Fehler hinzukommen, ist das bedauerlich.
Kann man im Bereich des Waffenrechts auch internationalen Vergleiche anstellen und falls ja, können wir im deutschen Waffenrecht von anderen Ländern lernen?
Andere Länder, andere Sitten. Das amerikanische Waffenrecht hat seinen historischen Ursprung in Zeiten, in denen die Selbstverteidigung in einem großen Land, ohne flächig vorhandene Sicherheitsbehörden, im Fokus war. Letztlich lehnt sich wohl auch das liberale Waffenrecht der Schweiz an diesem Grundgedanken des „wehrhaften Bürgers“ an. Andere Länder, so auch Deutschland, sehen das staatliche Gewaltmonopol als Auftrag, die Zahl der Waffen im Volk zu minimieren. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass dieser Ansatz auch und gerade von den Nationalsozialisten genutzt wurde, um bewaffneten Widerstand unmöglich zu machen. In einer Demokratie entscheiden die Bürger über die Entwicklung (auch) des Waffenrechts. Eine kritische Einstellung sollte jedenfalls nicht dazu führen, dass behördliche Waffenkontrollen mit der Zielsetzung verbunden werden, so viele Personen wie möglich zu entwaffnen oder – wie es das Bundesverwaltungsgericht getan hat – Schalldämpfer für Jagdwaffen auch dann kategorisch abzulehnen, wenn sie nachweislich Vorteile beim Gesundheitsschutz für Mensch und Tier, insbesondere Jagdhunde, haben. Und auch im Sportschützenbereich wären Schalldämpfer ein geeignetes Mittel, die von Schießstätten ausgehenden Lärmbelastungen zu senken.
Wie gehen Sie in Ihrem Werk auf die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Interessengruppen wie z.B. Sportschützen, Jägern und Sicherheitsbehörden ein?
Das Waffenrecht hält für unterschiedliche Gruppen differenzierte Regelungen bereit. Die Autoren, ausnahmslos erfahrene Praktiker, gehen auf die Unterschiede im Detail ein. Alle Beteiligten haben versucht, ausgewogene, praxisorientierte Ansätze zu finden.
Was sind die häufigsten Missverständnisse in der öffentlichen Debatte über das Waffenrecht, und wie adressieren Sie diese in Ihrem Kommentar bzw. wie gehen Sie darauf ein?
Waffen sind, wie oben erwähnt, primär Werkzeuge. Werkzeuge, von denen erhebliche Gefahren ausgehen können. Daher haben sie in falschen Händen nichts zu suchen. Dennoch muss die Debatte über die Sinnhaftigkeit mancher Regelung offen geführt werden. Die 2020 eingeführte Vorschrift, nach der Schalldämpfer für Jagdlangwaffen weitgehend liberalisiert wurden, ist zum Beispiel mit Nachdruck zu begrüßen. Hingegen erkennen wir in der Beschränkung der Waffen auf der gelben Waffenbesitzkarte auf maximal zehn kein Sicherheitsplus; diese Waffen gelten als nicht besonders deliktsrelevant.
Für wen kann Ihr Praxiskommentar besonders hilfreich sein?
Zielgruppen sind Gerichte, Verwaltungsbehörden, Polizeidienststellen, Schützenvereine, Verbände und deren Mitglieder, letztlich alle Waffenbesitzer. Wir hoffen, auch in der juristischen Fachliteratur die Diskussion um alternative Lösungsansätze bereichern zu können.
Gab es besondere Herausforderungen bei der Erstellung des Buches?
Ja. Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen und die stetige Gefahr, dass sich das Werk angesichts aufflammender Debatten um Änderungen im Zeitpunkt des Erscheinens überholt hat. Zuletzt kam ein solcher Moment im Jahr 2023, als das Bundesministerium des Innern einen neuen Referentenentwurf veröffentlichte, der aber vorläufig an der FDP scheiterte.
Planen Sie zukünftige Aktualisierungen oder Erweiterungen des Kommentars?
Unbedingt. Wir haben – etwa in den Bereichen Beschussrecht, Waffenregisterrecht und Kriegswaffenkontrolle – noch Raum für Erweiterungen. Allerdings wird auch die Aufrechterhaltung der Aktualität des derzeitigen Werkes stetig Arbeit machen. Arbeit, auf die Autoren und wir uns sehr freuen.
Vielen Dank für dieses informative Interview, Dr. Pießkalla.