Verschwörungsmythen können das gesellÂschaftliche ZusammenÂleben gefährden. Das gilt nicht nur für die Politik, das gilt auch und ganz besonders für die Schule. Wie mit VerschwöÂrungsÂmythen in der Schule umgegangen werden sollte und welche Rolle in den aktuellen Debatten das Internet spielt, das erklären Sophia Bock und Wilfried Schubarth im Interview.
Sophia Bock/Wilfried Schubarth
Basiswissen Verschwörungsmythen
Ein Leitfaden für Lehrende und Lernende
2021. 208 Seiten. Kart. € 29,–
ISBN 978-3-17-041246-0
Warum sind Verschwörungsmythen ein Thema für Schulen?
Wilfried Schubarth: VerschwöÂrungsÂmythen machen vor Schule nicht Halt. Wie bei den Erwachsenen sind auch ca. ein Drittel der Jugendlichen anfällig für VerschwöÂrungsÂerzähÂlungen, egal ob es die Corona-Pandemie, die Medien oder die Politik betrifft. Die allgemeine HilfÂlosigkeit, dagegen etwas zu unternehmen, gerade im BildungsÂbereich, war Anlass dieses Buch zu schreiben.
Wo genau beginnt das VerschwörungsÂdenken? Misstrauen, Kritik sind doch auch etwas Positives.
Sophia Bock: Grundsätzlich ja, aber VerschwöÂrungsÂgläubige gehen bei ihrer Kritik undiffeÂrenziert davon aus, dass alles von einer einzigen Gruppe zu einem ganz bestimmten Zweck absichtÂlich und mit bösartigen HinterÂgedanken geplant wurde. Natürlich gibt es da auch GrauÂbereiche, aber genau bei diesen ZuschreiÂbungen, die oft ohne konkrete Belege geäußert werden, sollte man schon hellhörig werden – und zum Beispiel genau nach der Herkunft der Informationen fragen.
Und wie erklärt sich die AnfälligÂkeit gegenüber VerschwöÂrungsÂerzählungen?
Sophia Bock: Im Allgemeinen ist jeder und jede für den Glauben an VerschwöÂrungsÂerzähÂlungen anfällig, da sie ein tiefes GrundÂbedürfnis erfüllen, Dinge zu erklären und einzuordnen. Denn genau das ermögÂlichen VerschwöÂrungsÂerzählungen: Sie stellen gerade in KrisenÂzeiten eine BewälÂtigungsÂstrategie dar, indem sie einfache Erklärungs- und DeutungsÂangebote machen. Schuldige lassen sich identiÂfizieren, verloren geglaubte HandÂlungsÂmacht lässt sich zurückÂgewinnen und man erlebt (wieder) SelbstÂwirkÂsamkeit und Entlastung. Leider verkehrt sich das aber auch oft in eine Richtung gegen „die da oben“, mit der mitunter auch Gewalt legitimiert wird.
Wilfried Schubarth: Zugespitzt gesagt: Hasserfüllte rückwärtsÂgewandte Narrative, die an die Stelle bisheriger FortÂschrittsÂerzählungen treten, treffen auf generelles Misstrauen und mangelnde MedienÂkompetenz, was zu einem gefährÂlichen Gemisch werden kann.
Wie kann dem „Querdenken“ entgegengearbeitet werden?
Sophia Bock: Mit „Geradeausdenken“, für das wir eine OrienÂtierungsÂhilfe in der gegenÂwärtigen „Infodemie“ geben. Hierzu wählen wir ein modulares Vorgehen: SensiÂbiliÂsierung, Aufklärung, Digitale Prävention. VerschwörungsÂerzähÂlungen sind nichts Neues und so haben wir neben der ErkläÂrung, wie und warum VerschwörungsÂmythen wirken, den Fokus auch auf historische Ansätze gelegt, denn Altes erscheint ledigÂlich in neuem Gewand. Dies in der gegenwärtigen „InforÂmationsÂflut“ zu erkennen und Fakten von VerschwöÂrungsÂmythen zu unterÂschieden, ist sowohl individuell, aber auch für die gesamte GesellÂschaft eine riesige Herausforderung.
Wilfried Schubarth: Letztlich wollen wir mit dem Buch eine Debatte anstoßen, um Bildung im digiÂtalen ZeitÂalter neu zu denken. Angesichts der BedrohÂungen brauchen wir mehr digitale und politische (Medien-)Kompetenz.
Sophia Bock promoviert nach ihrem abgeÂschlosÂsenen LehrÂamtsÂstudium an der UniÂversität Potsdam zum Thema VerschwöÂrungsÂideoÂlogien als HerausÂforderung für Schulen und Lehrkräfte. Prof. Dr. Wilfried Schubarth lehrte bis zu seiner EmeriÂtierung (2021) am DepartÂment ErziehungsÂwissenÂschaft der UniverÂsität Potsdam zu Fragen der Jugend-, Schul- und Bildungsforschung.
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