Im „Room of Horrors“ werden Risiken und Gefahren für die PatientenÂsicherheit für verschiedene VersorgungsÂsettings simuliert. Die Aufgabe der Auszubildenden ist es, diese zu inspizieren und aufzudecken, um so für reale GefahrenÂsituationen optimal vorbereitet zu sein. Das Buch bietet Lehrenden eine optimale UnterÂstützung und Vorlage zur eigenständigen Umsetzung des Konzeptes in der praktischen PflegeÂausbildung. Die Autorinnen im Interview.
Simulatives Lernen spielt mittlerweile eine immer größere Rolle in den Ausbildungen vieler Gesundheitsberufe. Positive Lerneffekte konnten schon vielfach beobachtet werden. Doch was ist das Besondere am „Room of Horrors“?
Susanne Karner: Meiner Meinung nach ist eine BesonderÂheit das Detektivische, da es bei diesem Konzept darum geht, versteckte Fehler aufzudecken, und das im Bereich PatientenÂsicherheit. Das Konzept schult also auch in besonderer Weise den „Rund-um-Blick“ für patientengefährdende Situationen. Die Idee, das Konzept RoH in der PflegeÂausbildung als Methode zu probieren, resultierte aus PraxisÂanleitungen, die ich bei Auszubildenden, die vor dem Examen standen, hatte. Auffallend war, dass eben dieser Rund-um-Blick nicht oder nicht gut ausgeprägt war. Ich überlegte, wie wir als Praxisanleitende Lernende dahingehend unterstützen könnten. Dabei hatte ich einige Jahre zuvor das Konzept RoH im Kontext von PatientenÂsicherheit in der Schweiz kennengelernt. Die Idee war damit geboren, das Konzept auf Lerninhalte und Ziele der PflegeÂausbildung anzupassen. Bereits der erste DurchÂgang war ein voller Erfolg, sodass es ab dann regelhaft implemenÂtiert wurde.
Francesca Warnecke: Neben den genannten Punkten von Susanne ist für mich das Besondere, dass Gefahren- oder RisikoÂsituationen erlebbar und spürbar sind, aber dennoch in einer geschützten, simulierten Situation. Durch eine gute Begleitung und Reflexion der Praxisanleitenden werden die AuszuÂbildenden oder die TeilnehmenÂden nochmal mehr sensibilisiert und auf die alltägliche Praxis vorbereitet. Der Room of Horrors fördert für mich ganz klar das kritische Denken und Hinterfragen von Situationen und regt an, Lösungen für Probleme zu finden. Weiterhin ist das Konzept für mich ein mächtiges Tool, was nahezu in allen VersorgungsÂsettings und den einzelnen Kompetenzstufen angewendet werden kann. Das Konzept bietet zudem die Möglichkeit, Praxisanleitungen für Gruppen zu organisieren. Spannend wird es dann, wenn der Room of Horrors mit interdisziplinären Teams angewendet wird. Das erfordert nicht nur ein gegenÂseitiges Verständnis der unterschiedlichen Aufgaben, Rollen und Tätigkeiten der am VersorgungsÂprozess beteiligten Disziplinen, sondern wirkt sich auch positiv auf die Lernsituation aus. Abgesehen davon bin ich überzeugt, dass Lernen Spaß machen soll, denn ich glaube, wer Spaß am Lernen hat, der profitiert am meisten.
Welche positiven Effekte auf die PatientenÂsicherheit konnten bereits durch Anwendung des Lernkonzepts gemessen werden?
Susanne Karner/Francesca Warnecke: Einen guten Ãœberblick über die ersten Evaluationen der AnwendÂbarkeit des Room of Horrors beschreibt der Beitrag von Prof. Dr. Schwappach in unserem Buch.
Die Wahrnehmung des Room of Horrors ist positiv und trifft auf eine hohe Akzeptanz der Teilnehmenden (RoH, S. 29). Leider liegen derzeit noch keine vergleichbaren Studien oder Daten einer LangzeitÂevaluation des Lernerfolgs und der damit verbundenen Auswirkungen auf die PatientenÂsicherheit vor (RoH, S. 30).
Die Fallbeispiele machen einen großen Teil des Buches aus. Was können Lehrende und Auszubildende daraus für ihre BerufsÂpraxis mitnehmen?
Susanne Karner/Francesca Warnecke: Für jedes VersorgungsÂsetting haben wir mindestens vier Fallbeispiele entwickelt und an die entsprechenden KompetenzÂbereiche angepasst. So besteht die Möglichkeit, bereits im OrientierungsÂeinsatz/1. Ausbildungsdrittel den Room of Horrors anzuwenden, ohne die TeilnehmenÂden zu überfordern. Die Fallbeispiele sind demnach skalierbar, veränderÂbar und auch in interÂdisziplinären Teams anwendbar. Somit besteht viel Spielraum und Kreativität, einen Room of Horrors durchÂzuführen. Auszubildende kommen durch die Fallbeispiele bereits mit möglichen Settings, Risiken oder Gefahren ggf. vor ihren Praxiseinsätzen in Kontakt und sind dann für die Praxis besser vorbereitet.
Francesca Warnecke: Mir hätte es beispielsweise für den Einsatz in der ambulanten Pflege während der Ausbildung in einem Akut-Krankenhaus geholfen, besser zu verstehen, was mich erwartet.
Welche Resonanzen gibt es seitens der AuszuÂbildenden, die bereits im „Room of Horrors“ gelernt haben?
Susanne Karner: Ich erlebte sowohl bei den Lernenden als auch den PraxisÂanleitenden eine sehr positive Resonanz. Es war gut zu beobachten, mit welcher Konzentration, Fokus, Neugierde und Engagement sie dabei waren. Im Gegensatz zu EinzelÂanleitungen war spürbar, dass die Lernenden weniger angespannt waren. Im Nachhinein kam sogar mal eine Auszubildende im Nachgang einer Simulationsübung im Room of Horrors und meinte: „Das ist das Coolste überhaupt, die AnleiÂtung hat so Spaß gemacht.“ Auch bei den Praxisanleitenden war großes Engagement da. Sie haben auf Basis des RahmenÂausbildungsÂplans und AusbildungsÂstands der Lernenden eigenständig neue Szenarien konzipiert und simulatives Lernen regelhaft als Anleitungsmethode aufgenommen. Ich persönlich bin überzeugt, dass das Lernen in der Gruppe, wie beim Konzept RoH, viel Mehrwert bietet. Die AuszuÂbildenden lernen voneinander und miteinander, während die PraxisÂanleitenden diesen Prozess begleiten und steuern und bei Bedarf mit Input unterstützen. Simulatives Lernen in der Gruppe bereitet zudem auf Teamwork vor, und das in einer geschützten und positiven LernÂatmosphäre. Das bedeutet, dass Fehler gemacht werden können ohne, dass jemand Schaden nimmt. Die Auszubildenden können sich also ausprobieren.
Francesca Warnecke: Das von Susanne beschriebene Erlebte spiegelt sich auch in den ErfahrungsÂberichten in unserem Buch von Giulia Lara Saxer, Andrea Käppeli, Simone Dieter, und Alica Steenken wider. Die vier Kolleginnen haben bereits in ihren jeweiligen EinrichÂtungen Erfahrungen mit dem Room of Horrors gesammelt. Die ErfahrungsÂberichte sind aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben. Während Frau Saxer, Frau Käppeli und Frau Dieter aus Sicht der Organisation und Durchführenden berichten, beschreibt Alica Steenken ihre Erfahrungen als Auszubildende.
Das Fazit ist gleich: Der Room of Horrors ist ein erfolgÂreiches und lehrreiches Konzept für die PatientenÂsicherheit mit einem großen Anteil an Spaß und Freude am Lernen.
Wie kann PatientenÂsicherheit zukünftig weiter gefördert werden, was wünschen Sie sich für die Lehre in der generalisÂtischen Pflegeausbildung?
Susanne Karner: Durch das Lernen im Umgang mit Fehlern grundsätzlich – nämlich einem konstruktiven Umgang. Bereits in der AusÂbildung sollte damit begonnen werden, zunächst den eigenen Umgang mit Fehlern, dann Fehler grundÂsätzlich und spezifisch im Kontext mit zu pflegenden Menschen zu reflektieren und ggf. anzupassen. Ein weiterer Fokus sollte im Aufbau einer offenen FehlerÂkultur liegen und impliziert auch zu lernen, dass es im Kontext PatientenÂsicherheiten keine Hierarchien gibt. Es ist also gleicherÂmaßen wichtig, dass alle BerufsÂgruppen durch alle Hierarchien z. B. die HygieneÂmaßnahmen berücksichtigen. Bereits in der Ausbildung sollten BerufsÂstarter*innen für diese Thematik sensibilisiert werden, um eine Haltung dazu zu entwickeln. Mit Hilfe von Tools wie „Speak up“ kann beispielsÂweise gezielt das Ansprechen von Fehlern trainiert werden.
Francesca Warnecke: Konzepte wie der Room of Horrors sind wunderbare Ansätze, um die PatientenÂsicherheit zu fördern, aber auch, um das eigene VerhalÂten zu reflektieren. Es ist meiner Meinung nach wichtig, auch immer wieder im eigenen praktischen Alltag und in den RoutineÂhandlungen sich einer Gefahr oder eines Risikos bewusst zu sein. Für mich steht daher ganz klar im VorderÂgrund, dass diese Konzepte standardÂmäßig in die Fort- und WeiterÂbildung der EinrichÂtungen aufgenommen werden sollten. Auch wünsche ich mir natürlich den Einsatz neuer Technologien. Inzwischen sind viele digitale Produkte und Techniken in den EinrichÂtungen im Einsatz, die sich förderlich auf die PatientenÂversorgung und PatientenÂsicherheit auswirken. Die RahmenÂpläne der generalistischen PflegeÂausbildung bieten bereits Ansätze, den Umgang und das Kennenlernen der Technologien zu fördern – und auch der Room of Horrors bietet sich für das AusproÂbieren der neuen Technologien an.
Susanne Karner/Francesca Warnecke
Simulatives Lernen im Room of Horrors
Praxisbuch mit Fallbeispielen für die generalistische Pflegeausbildung
2023. 161 Seiten mit 14 Abb. und 80 Tab. Kart.
€ 39,–
ISBN 978-3-17-042851-5
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