Populistische Verführungen, das Leben in Filterblasen, die nur die eigene Meinung zurückÂspiegeln, UnwilligÂkeit zu sachlicher, ergebnisoffener Debatte – die aktuelle Krise unserer Demokratie ist nicht zuletzt auch eine Krise des „mündigen Bürgers“. Und es ist allzu leicht, sich überfordert zu fühlen im alltäglichen InformationsÂdschungel.
Gegen diese Trends anzuÂschreiben, ist eines der Anliegen der neuen SachbuchÂreihe „Kohlhammer Trilogien“. Sie behandelt aktuelle gesellÂschaftliche Themen aus drei verschiedenen Perspektiven. Drei knappe Bände bilden zusammen ein Ganzes, können aber auch für sich gelesen werden. Die Leserinnen und Leser können sich auf solide Informationen verlassen. Die Inhalte sind knapp formuliert, verständlich erklärt, journalisÂtisch geschrieben, kurz: spannend. Denn nur wer Spaß am Lesen hat, informiert sich gerne. Und nur wer informiert ist, kann sich mit den wichtigen Fragen der Zeit souverän auseinanderÂsetzen.
Wir freuen uns, die erste „Kohlhammer Trilogie“ vorlegen zu können. Lesen Sie erste Eindrücke in unserem Interview mit Herausgeber und Autoren.
Herr Armbruster, Sie hatten ja die Idee dazu, „große“ gesellschaftsÂpolitische Themen in dieser Form zu behandeln. Die erste Trilogie liegt nun vor: Was ist das Anliegen der drei Bände?
Jörg Armbruster: Die Idee war, in einer Zeit, in der die Demokratie unter starken Druck steht, besonders junge Menschen mit Informationen zu gesellÂschaftlichen ZusammenÂhängen zu versorgen und diese teils sehr komplexen ZusammenÂhänge möglichst eingängig und verständlich zu erklären. Dazu gehören Fragen danach, wie die großen EntwickÂlungen in GesellÂschaft und Politik mit jedem Einzelnen zusammenhängen – wie sie seine LebensÂsituation verändern und was er als Bürger tun kann. Was sollte er mindestens wissen? Zum Beispiel über „Krieg und Frieden“, unsere erste Trilogie. Dieses Thema haben wir bewusst gewählt, angesichts des nicht für möglich gehaltenen AngriffsÂkrieges Russlands gegen die Ukraine und des Krieges in Israel und dem Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023. Es geht uns aber nicht um die Aufarbeitung dieser Kriege, sondern um grundsätzÂlichere Fragen wie: Warum gibt es überhaupt immer wieder Kriege? Ist Pazifismus die Lösung oder muss auch diese Art der KriegsÂverweigerung neu gedacht werden? Und schließlich: Was könnte Frieden garantieren – ist das überhaupt möglich? Was können wir beitragen zu einer friedlicheren Welt?
Auf solche Fragen kann es natürlich nur selten eindeutige Antworten geben. Wir wollen daher keine simplen Rezepte verkünden, wie es Populisten tun. Wir wollen zum Mit- und Nachdenken anregen. Dafür ist es aber zwingend, dass Menschen möglichst umfassend informiert sind. Nur dann können sie populisÂtischen und autoritären Versuchungen widerstehen.
Das riecht jetzt vielleicht ein bisschen nach akademisch-trockenem Belehren, ist es aber nicht. Jedes Bändchen ist unterhaltÂsam und spannend. Lesen muss Spaß machen, und das ist uns, glaube ich, gelungen.
Herr Hippler, Sie rücken in Ihrem Band den Krieg in den Fokus. Wir alle wissen, wie schrecklich der Krieg ist: Warum werden Kriege dennoch geführt?
Jochen Hippler: Fast immer dienen Kriege der DurchÂsetzung politischer Interessen durch Gewalt. Die Verantwortlichen stellen – meist unter Ausschluss der ÖffentÂlichkeit – eine Kosten-Nutzen-Rechnung an. Ãœberwiegt der erwartete Nutzen die erwarteten Kosten, wird Krieg zu einer realistischen Option. Sie können sich natürlich irren. Auch sind auf Dauer die Interessen der gesellschaftlichen Gruppen, die die Kosten tragen müssen oder den Nutzen einfahren, sehr unterschiedlich – und selten mit denen der politiÂschen Eliten identisch. PsychoÂlogische Faktoren können dazukommen, wie PrestigeÂdenken oder FeindÂbilder, aber der Kern der Kriegsursachen besteht in den Interessen mindestens einer KriegsÂpartei. Meist wird das allerdings durch Propaganda oder direkte Lügen verschleiert.
Folgen aus der Logik der Kriegführung bereits Strategien, Kriege zu beenden oder zu vermeiden?
Hippler: Vereinfacht lässt sich feststellen, dass die Größe der Truppen, ihre FeuerÂkraft und Mobilität entscheidende Faktoren bei der Führung eines Krieges sind, zumindest bei konventionellen Kriegen zwischen Staaten. ÃœberlegenÂheit auf diesen Gebieten kann einen Krieg also militäÂrisch entscheiden. Wer aber Kriege vermeiden oder mit diplomaÂtischen Mitteln beenden möchte, wird an den politischen Interessen der KriegÂführenden ansetzen und nach einem Ausgleich oder Kompromiss suchen müssen. Das wird allerdings nur gelingen, wenn beide Seite tatsächlich zu einem FriedensÂschluss bereit sind.
Herr Beucker, Ihr Band ist dem PazifisÂmus gewidmet. Pazifismus gilt vielen als blauÂäugiges Ideal, das gegen einen Putin nichts ausrichten kann. Wo liegen die Ansätze und Chancen des PazifisÂmus?
Pascal Beucker: Gemeinsam haben die verschiedenen Strömungen des PazifisÂmus, sich nicht einfach einer militäÂrischen Logik ergeben zu wollen. Das kann man als blauäugig denunzieren, ich glaube jedoch, dass das einen großen Wert hat. Gerade im AtomÂzeitalter dürfen weder die Hoffnung auf friedliche KonfliktÂlösungsstrategien verloren gehen noch die Bemühungen darum. Allerdings steht der Pazifismus stets vor einem Dilemma, wenn ein Krieg wie der in der Ukraine erst ausgebrochen ist. Die Angegriffenen haben dann zwar immer noch die MöglichÂkeit gewaltÂfreien Handelns, sind jedoch bereits der Gewalt des Angreifers ausgesetzt. Die Frage ist dann also nur noch, ob sich die Opfer wehren sollen oder nicht. Sicherlich haben Pazifistinnen und Pazifisten ein kollektives GrundÂverständnis, Schwerter zu PflugÂscharen umschmieden zu wollen. Der Auffassung, unter allen Umständen die zweite Wange hinzuhalten, folgte und folgt jedoch stets nur ein Teil von ihnen. Der PazifisÂmus ist weitaus differenzierter – und dadurch auch spannender – als vielfach behauptet.
Angesichts des Ãœberfalls auf die Ukraine hat die deutsche FriedensÂbewegung kein besonders gutes Bild abgegeben. Woran liegt das?
Beucker: Was von der einstmals großen deutschen FriedensÂbewegung übriggeblieben ist, sucht auch zweiÂeinhalb Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine immer noch nach einem überzeuÂgenden Umgang mit dem Ukrainekrieg. ÃœberzeugungsÂkraft könnte sie nur gewinnen, wenn sie jeglichen Verdacht der EinäugigÂkeit und DoppelÂmoral ausräumen würde. Neben einer Reihe von sehr integren Menschen gibt es in der noch bestehenden FriedensÂbewegung leider einen nicht unrelevanten Teil mit einer – vorsichtig formuliert – unklaren Haltung gegenüber Putins Russland. Wer aber noch vor ein paar Jahren „Amis raus aus dem Irak“ gerufen hat, heute jedoch nicht genauso engagiert „Russland raus aus der Ukraine“ fordert, hat schlicht ein GlaubwürdigkeitsÂproblem.
Herr von Schubert, Sie ziehen im dritten Band gewisserÂmaßen ein Fazit. Was können wir besser machen? Denn eine Weltordnung, die den Krieg ächtet, gibt es auf dem Papier schon längst. Doch sie bleibt oft hilflos. Warum lohnt es sich dennoch, für die Idee der Vereinten Nationen zu kämpfen?
Hartwig von Schubert: Wir sollten uns nicht zu sehr auf die beste aller mögÂlichen Welten einstellen und dann schnell resignieren, wenn sie partout nicht kommen will. Die Idee eines weltÂweiten VölkerfriedensÂbundes des großen Philosophen Immanuel Kant war das Vorbild für die Vereinten Nationen. Der Philosoph kannte aber noch eine zweit- und drittbeste MöglichÂkeit. Beide sind RückfallÂpositionen für den Fall, dass die jeweils bessere Option nicht zu haben ist. Die VölkerÂgemeinÂschaft muss nicht in die vollständige StaatenÂanarchie zurückfallen, wenn sie die jeweils nächste RückfallÂposition für den Notfall solide ausbaut. Die erste solche RückfallÂposition ist eine Welt von VerteidigungsÂbündnissen.
Was raten Sie den politischen Entscheidern in Deutschland und Europa in der aktuellen Lage?
von Schubert: Alle sicherheitsÂpolitischen Experten – zu denen ich wohlgemerkt als völkerrechtsÂphilosophisch einigerÂmaßen gut informierter Theologe nicht gehöre – raten den Staaten Europas, sich nicht länger so stark wie bisher auf die Vereinigten Staaten von Amerika zu verlassen. Vieles deutet derzeit darauf hin, dass das verstanÂden worden ist. Und es gibt auch eine bewährte Formel, an die sich zum Beispiel die VerantwortÂlichen in der EuroÂpäischen Union auch gegenüber einem Gegner wie RussÂland halten können: Abschreckung mal EntÂspannung ist gleich Gemeinsame SicherÂheit. Nach dieser Formel muss maximal in beide Faktoren investiert werden, um das Produkt zu bekommen, also sowohl in die Abschreckung als auch in die EntÂspannung. Wenn aktuell Annalena Baerbock und Rolf Mützenich jeweils einen der beiden Faktoren hervorÂheben, dann haben gewissermaßen beide recht. Aber beide sollten beides hervorheben.
Ihnen allen vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Julius Alves aus dem Lektorat Geschichte/Politik/Gesellschaft.
Jörg Armbruster war viele Jahre als Korrespondent der ARD in verschiedenen Regionen der Welt tätig.
Dr. Jochen Hippler ist Politikwissenschaftler und Friedens- und Konfliktforscher.
Pascal Beucker ist Redakteur für die taz. Er ist Mitglied des taz-Parlamentsbüros sowie der Bundespressekonferenz.
Dr. Hartwig von Schubert ist evangelischer Theologe und war lange Militärdekan an der Führungsakademie der Bundeswehr.
Hartwig von Schubert/Jochen Hippler/Pascal Beucker
Kohlhammer Trilogien
Paket „Von Krieg und Frieden“
Bestehend aus den drei Einzelbänden:
Jochen Hippler | Logik und Schrecken des Krieges | € 19,–
Pascal Beucker | Pazifismus – ein Irrweg? | € 19,–
Hartwig von Schubert | Den Frieden verteidigen | € 19,–
2024. 535 Seiten. Leinen
€ 48,–
ISBN 978-3-17-044695-3