Praxisanleitung in der generalis­tischen Pflegeausbildung

Interview mit Jochen Martin und Birte Stährmann (ehemals Mensdorf) zum Jubiläum des fünfundzwanzig­jährigen Bestehens des Standardwerks

Frau Stährmann, Herr Martin, herzlichen Glück­wunsch!
Seit nun 25 Jahren kann man das Buch Praxis­anleitung in der generalistischen Pflege­ausbildung in der aktuell sechsten Auflage erwerben.
Frau Stährmann, zum Erscheinen der sechsten Auflage haben Sie bereits berichtet, dass Ihr Konzept aufge­gangen ist, ein Buch für Praxis­anleitende zu schreiben, das sie mit fundiertem Hintergrund­wissen im beruf­lichen Alltag begleitet – im Jahr 1999 in der ersten Auflage noch mit dem Titel Schüler­anleitung in der Pflegepraxis. Woran haben Sie die Notwendigkeit eines solchen Buches erkannt?

Birte Stährmann: Zum damaligen Zeitpunkt war ich Dozentin in einer Weiter­bildung für Praxis­anleiter, neben meiner Unterrichts­tätigkeit an einer Pflegeschule. Mir fehlte ein gutes Buch für die zukünftigen Praxis­anleiter, ich selbst brachte aber vielfältiges Wissen und breite Erfahrungen in diesem Fachgebiet mit. Ich bot der „Pflege­zeitschrift“ einen Artikel zum Thema Schüler­anleitung an und stieß sogleich auf Interesse. Beim Schreiben merkte ich, dass es weitaus mehr zu vermitteln gibt, als sich in einem Artikel unter­bringen ließ. Ich erstellte eine Kurz­konzeption mit Inhalts­vorschlägen für ein Buch, schickte beides an die Pflege­zeitschrift und bat darum, die Konzeption an das Pflege­lektorat weiter­zugeben.

In den letzten 25 Jahren hat sich die Pflege­ausbildung und somit auch die Praxis­anleitung weiter­entwickelt. Ebenso hat sich das Buch entwickelt und es sind Kapitel z. B. zu Lernmodellen und Konflikt­management entstanden. Durch die Erneuerung des Krankenhaus­pflegegesetzes sind neue Aufgaben­felder in der Praxis­anleitung entstanden, was in den weiteren Auflagen berück­sichtigt wird. Als 2020 das Pflegeberufe­gesetz dazu führte, den Pflege­beruf neu auszu­richten und die generalistische Pflege­ausbildung entstand, haben Sie das Buch vertrauens­voll zur Überarbeitung in die Hände von Jochen Martin übergeben.
Frau Stährmann, Herr Martin, ein Schwerpunkt lag bei allen Auflagen konsequent auf der Inter­aktion zwischen Auszu­bildenden und Praxis­anleitenden. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Birte Stährmann: Für mich war diese Inter­aktion immer das Wichtigste. Nur dort, wo eine vertrauens­volle Kommuni­kation gepflegt wird, kann man angst­frei lernen und lehren. In einer solchen Atmo­sphäre sind die Auszu­bildenden offen für Neues, entwickeln selbst­ständig Ideen, über­nehmen Verant­wortung und reflektieren ihr Handeln.
Jochen Martin: Pädagogik ist sowohl in der Schule als auch in der praktischen Ausbil­dung auf eine gelingende Inter­aktion zwischen Lehrenden und Lernenden angewiesen. Es sind diese „Soft-Skills“, die dazu beitragen, dass Praxis­anleitende als „Leitwölfe“ anerkannt werden.

Die aktuelle Auflage stellt den Kompetenz­erwerb in den Mittel­punkt und somit wird das Ziel auf eine Output­orientierung gerichtet. Können Sie uns diese Entwick­lung knapp erläutern? Denken Sie, dass diese Neuaus­richtung auch zukünftig stärker ermög­licht, dass Wissenschafts­orientierung und Subjekt­orientierung in der Praxis erfolg­reich zusammen­geführt werden können?

Jochen Martin: Das pädagogische Konzept der Kompetenz­orientierung bietet Chancen und Risiken zugleich. Die Orientie­rung am ein­deutig formu­lierten Ziel, die Output­orientierung, macht für Praxis­anleitende und Auszu­bildende deutlich, was erreicht werden soll und stellt klare Bewertungs­maßstäbe zur Verfügung. Problema­tisch ist aber, dass die individuelle Entwick­lung, dass, was traditionell als Persönlich­keitsbil­dung bezeichnet wird, aus dem Blick gerät. Beides ist aber wichtig und die Rahmen­lehrpläne betonen deswegen auch die Subjekt­orientierung als ein zentrales Element der Anleitung.

Im Zuge des Fachkräfte­mangels in der Pflege sowie einer hetero­genen und von Diversität geprägten Gesell­schaft steht auch die Pflege weiterhin vor neuen Heraus­forderungen. Herr Martin, zu diesem Thema haben Sie auch ein weiteres Buch, welches vor Kurzem erschienen ist. Möchten Sie uns darüber noch etwas verraten? Können Sie dies auch in Bezug auf die Praxis­anleitung erläutern?

Jochen Martin: Sowohl die Lehrenden in den Pflege­schulen als auch die Praxis­anleitenden werden in zunehmen­dem Maße mit dem Phänomen konfrontiert, dass die Gruppe der Auszu­bildenden immer heterogener wird. Immer mehr Auszu­bildende haben einen Migrations­hintergrund und bringen deswegen sehr unterschiedliche Erfahrungen und kulturelle Prägungen mit. Das kann die Pflege bereichern, kann aber auch zu Problemen führen. Besonders die fehlende Sprach­kompetenz erfordert von Praxis­anleitenden neue Strategien im Umgang mit den Auszu­bildenden. Darüber hinaus zeigt sich Hetero­genität auch in sozialen und generations­bedingten Unter­schieden und auch die Leistungs­niveaus der Pflege­neulinge unter­scheiden sich immer stärker. Diesen Heraus­forderungen müssen sich Praxis­anleitende stellen und als Unter­stützung habe ich einen Leitfaden mit dem Titel „Hetero­genität in der Pflege­ausbildung“ verfasst, der jetzt im Kohlhammer-Verlag erschienen ist.

Frau Stährmann, Herr Martin, herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Engagement.

Jochen Martin/Birte Mensdorf
Praxisanleitung in der generalistischen Pflegeausbildung
Hintergründe, Konzepte, Probleme, Lösungen

6., erw. und überarb. Auflage 2022
236 Seiten mit 3 Abb. und 9 Tab. Kart.
€ 32,–
ISBN 978-3-17-035028-1

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Jochen Martin
Heterogenität in der Pflegeausbildung
Ein Leitfaden für Praxisanleitende und Lehrende

2024. 180 Seiten mit 3 Abb. und 11 Tab. Kart.
€ 39,–
ISBN 978-3-17-044315-0

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