Anlässlich des Erscheinens des Bandes Die Pfalz im Königreich Bayern von Professor Dr. Karsten Ruppert führten wir mit dem Autor das folgende schriftliche Interview:
Die Pfalz vereint mit den Pfälzer Bergen, der Hinterpfalz und den Rheinpfalz ganz unterschiedliche naturräumliche Landschaften. Gibt es eine eigene landesgeschichtliche Identität oder pflegt jede Region ihr Selbstverständnis?
In der Pfalz gibt es in der Tat ganz unterschiedlicher Naturräume, in denen sich historische Vereine, aber auch andere Organisationen wie zum Beispiel die Gemeinden und die Kirchen sich mit der Geschichte dieser Landschaftsteile der Pfalz befassen. Hier würde ich nicht von einem Selbstverständnis sprechen sondern von einem Interesse an der Geschichte der jeweiligen Region. Ein Selbstverständnis gibt es in der Pfalz nur für den Gesamtraum der heutigen Pfalz. Gerade wie ich in meinem Buche darstelle, gehört es ja zu den großen Errungenschaften der Pfalz im Königreich Bayern, dass sich aus sehr unterschiedlichen Ansätzen, einer wirtschaftlichen, einer konfessionellen, einer politischen und einer kulturellen Vielfalt ein einheitliches pfälzisches Identitätsbewusstsein bildet. Das ist eine der großen kulturellen Leistungen der bayerischen Zeit, die bis heute nachwirkt.
Warum hat es Sie besonders gereizt, eine Geschichte Pfalz im Königreich Bayern zu schreiben?
Es gibt vor allen Dingen zwei Gründe, warum ich das Buch über die Pfalz im Königreich Bayern geschrieben habe. Erstens lebe ich hier und stoße immer wieder auf Spuren der Vergangenheit, die ich gerne näher in einem größeren Zusammenhang verstehen möchte. Dass ich mich dem 19. Jahrhundert zugewandt habe, hing damit zusammen, dass ich zu diesem Thema eine Tagung organisiert hatte, weil dieses während der Jahrhundertfeiern zur Übernahme der Macht durch die Wittelsbacher am Rhein vernachlässigt worden war. Die Ergebnisse dieser Tagung sind unter anderem auch in dieses Buch eingeflossen. Zweitens gibt es wenige Gesamtdarstellungen zu bestimmten Epochen der Pfalz. Daher war ich der Überzeugung, dass eine Gesamtdarstellung unter der Berücksichtigung zahlreicher Aspekte für das 19. Jahrhundert überfällig war.
Welches ist Ihr Lieblingsereignis der pfälzischen Geschichte zwischen 1815 und 1918?
Die Geschichtswissenschaft kennt die Kategorie “Lieblingsereignis“ nicht. Daher möchte ich mich ihrer auch nicht bedienen. Es gibt aber ganz sicherlich in der Geschichte der bayerischen Pfalz einen tiefen Einschnitt im Sinne eines historisch bedeutenden Ereignisses, der den bisherigen Gang der Entwicklung entscheidend verändert hat. Dieser Einschnitt, dieses wichtigste historische Ereignis für die Geschichte der bayerischen Pfalz, ist, wie ich in meinem Buch herausgearbeitet habe, die Revolution von 1848 mit dem ihr folgenden Aufstand vom Frühsommer 1849.
Auch wenn man sich nur indirekt für die Pfalz interessiert, warum sollte man das Buch als Nichtpfälzer in die Hand nehmen und lesen?
Das Buch ist auch für jeden Nichtpfälzer von Interesse, der etwas über die Geschichte Bayerns oder der Pfalz im 19. Jahrhundert wissen will. Darüber hinaus ist es ein Gewinn für jeden, der sich für Landesgeschichte interessiert. Denn hier wird der Versuch gemacht, eine Landschaft in einem Jahrhundert in den vielfältigsten Aspekt zu erschließen und die historischen Triebkräfte dafür herauszuarbeiten. Es wird hier also nicht nur ein Abriss der politischen Geschichte geboten, sondern auch die Entwicklung der Kirchen, der Kultur, der Wirtschaft und der Gesellschaft geboten. Das Buch ist also unter landesgeschichtlicher Perspektive eine exemplarische Darstellung.
Wenn Sie die Zeit der bayerischen Pfalz charakterisieren, welche Entwicklung beeinflusst uns noch heute bzw. wirkt bis heute nach?
Damals wurde der politische Raum und der Verwaltungsraum „Pfalz“ geschaffen. Das Bistum Speyer, wie es heute noch besteht, wurde damals gegründet, und die Vereinigung der Lutheraner und Calvinisten zur „Vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche der Pfalz“ wurde vollzogen. Die Grundlage für die chemische Industrie, die für die Pfalz von überragender Bedeutung ist, wurde damals gelegt und überhaupt die industrielle Grundstruktur bis heute festgelegt.
In der bayerischen Zeit ist die Pfalz zu einer politischen und kulturellen Einheit zusammengewachsen, so wie sie heute noch besteht. Die “Pfalz“, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seitdem.
Viele Organisationen und kultureller Einrichtungen, die heute noch bestehen, sind damals gegründet worden: das historische Museum der Pfalz, die naturforschenden Gesellschaft der „Polllichia“, der historische Verein, die literarische Gesellschaft.
Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und Zeit.
Das Interview führte Dr. Daniel Kuhn.