Interview mit Jutta und Marie Gorschlüter

Jutta und Marie Gorschlueter

Wie lernen Kinder? Was müssen Eltern über das Lernen ihrer Kinder wissen? Wie sollten sie unterstützen? Das alles erklären unsere Autorinnen Jutta und Marie Gorschlüter – erfahrene Lerntherapeutinnen mit eigener Praxis in Münster – im Interview.

Umschlagabbildung des Buches

Jutta Gorschlüter/Marie Gorschlüter
Wenn Lernen schwierig ist
Alles, was den Lernalltag mit Kindern erleichtert

2021. 256 Seiten. Kart. € 32,–
ISBN 978-3-17-040444-1

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Warum ist Lernen manchmal so schwierig?

Lernen an sich ist nicht schwierig, denn wir lernen in jedem Moment unseres Lebens. Zu uns in die Praxis kommen vorwiegend Kinder die sich beim Erlernen der Grundkompetenzen, also beim Lesen, Schreiben und Rechnen schwertun. Einige haben eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Störung, eine Rechenschwäche, aber grundsätzlich können die Gründe sehr vielfältig sein. Aber auch eines ist klar: Kinder wollen Lesen und Schreiben lernen, sie wollen Rechnen können mit Geld, die Uhrzeit begreifen ebenso wie das Kalendersystem. Bei den binomischen Formeln, dem linearen Gleichungssystem dürfen meines Erachtens auch mal Unlust und mangelnde Motivation aufkommen. Nicht selten steht schnell die Vermutung im Raum, die Kinder können sich einfach nicht konzentrieren. In meiner Erfahrung stellt sich häufig heraus, dass die vermeintlichen „Konzentrationsprobleme“ besonders in bestimmten Fächern auftreten. Dann gilt es, sehr genau hinzuschauen, ob nicht vielleicht doch inhaltliche Lücken und Stolpersteine dazu führen, dass das Kind nicht mehr „bei der Sache“ ist.

Bei allen Kindern ist es uns immer wichtig nicht zu vorschnell Diagnosen zu stellen, sondern mehr darauf zu schauen, wie wir diese Kinder unterstützen können und dabei ihre wertvollen Qualitäten und Fähigkeiten, auch wenn sich nicht im schulischen Lernen zeigen, wertschätzen und miteinbeziehen können.

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Arbeit mit den Kindern gemacht?

Das Spannende für uns ist es, immer wieder zu erleben, wie Kinder aufblühen und ihre Lernfreude wiederentdecken. Wie sie Erfolge erleben und sich mehr zutrauen. Kinder, die immer wieder hören mussten, sie würden sich nicht genug anstrengen, sie seien faul oder unkonzentriert, sitzen als entspannte zufriedene Kinder bei uns, wenn sie merken, dass sie sehr wohl lernen können. Die Basis dafür ist eine wohlwollende gute Beziehung gepaart mit nachvollziehbaren Erfolgen und richtigen Lernstrategien. Und natürlich darf die Begeisterung nicht fehlen, wenn schon nicht immer für die Lerninhalte, dann doch immer für die Kinder und deren Interessen und Talenten.

Was können die Eltern tun?

Eltern sollen sich für das Lernen ihrer Kinder insgesamt interessieren und es nicht auf Schule begrenzen. Sie sollten sich bewusst machen, dass Lernen immer stattfindet! Und schulische Inhalte können an vielen Stellen im Alltag auch anders erlernt werden. Eltern sollten nicht versuchen, die Schule zu kopieren. Das Zuhause ist keine Schule und die Schule kein Zuhause. Gelernt werden muss dementsprechend auch nicht zwingend am Schreibtisch. Kinder in alltägliche Abläufe mehr miteinzubeziehen schafft Beziehung und wertvolle Momente des Lernens: Kochen, Gartenarbeit, Haushaltskasse … all das kann ohne Druck und mit ein wenig Gelassenheit allen Familienmitgliedern Spaß machen und nebenbei ganz zwanglos zahlreiche schulische Themenbereiche streifen. Alles was Eltern dafür investieren müssen ist Interesse und Zeit.

Leider betätigen sich viele Eltern zu sehr als verlängerten Arm der Schule, was dazu führt, dass sie den Druck von der Schule weitergeben oder den Kindern einreden, man könne im Leben nur was erreichen, wenn man diese oder jene schulische Leistung erbringt. Stress gibt es meist besonders, wenn Kinder sich vor Aufgaben drücken, die ihnen zu schwierig erscheinen, Dinge nicht angehen zu wollen, die sie alleine scheinbar nicht schaffen können. An dieser Stelle sei gesagt: Dieses Verhalten ist vollkommen normal und nachvollziehbar. Und das machen wir Erwachsenen genauso! Deshalb: Zeigen Sie Verständnis! Besser als Druck zu machen, wäre es immer, zu schauen, wie man die Lerninhalte für die Kinder verständlich machen kann. Übungseinheiten mit Schulmaterialien sollten daher zuhause kurz und überschaubar sein!

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