Angewandte Kognitionspsychologie
Ein Interview mit Prof. Dr. Jan Rummel und Prof. Dr. Markus Janczyk
In ihrem Buch „Angewandte Kognitionspsychologie“ plädieren die beiden Autoren dafür, Erkenntnisse der Kognitionspsychologie, neben ihrer Bedeutung als Grundlagenforschung, auch stärker hinsichtlich ihrer unmittelbaren Schlussfolgerungen für Anwendungsfragen in den Fokus zu nehmen.

Jan Rummel/Markus Janczyk
Angewandte Kognitionspsychologie
Ein Lehrbuch
2024. 161 Seiten mit 15 Abb. und 1 Tab. Kart.
€ 39,–
ISBN 978-3-17-042015-1
Herr Rummel, Herr Janczyk, viele Psychologiestudierende sehen die Kognitionspsychologie als reines Grundlagenfach. Der Begriff „Anwendung“ scheint dazu in direktem Widerspruch zu stehen. Was lässt sich diesem Vorurteil entgegnen?

Von Studierenden und KollegInnen erfahren wir, dass die Kognitionspsychologie, so wie sie an den meisten Universitäten unterrichtet wird, als eher anwendungsfern, bisweilen gar als „trocken“ erlebt wird. Das muss nicht so sein. Kognitionspsychologie ist aus unserer Sicht ein wichtiges Grundlagenfach, das sehr wertvolle Erkenntnisse über die Funktionsweise menschlicher Kognition hervorgebracht hat. Diese Erkenntnisse können aber auch direkte Implikationen für verschiedene Anwendungsbereiche haben und, richtig umgesetzt, dort Innovation stimulieren und auftretende Probleme lösen oder zumindest mindern. Einige Beispiele führen wir in unserem Buch aus.
Was sind aktuelle Forschungsfelder der Angewandten Kognitionspsychologie?
Klassische Felder sind nach wie vor von großer Bedeutung, etwa die Bewertung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen oder das Treffen von Kaufentscheidungen. Die technischen Weiterentwicklungen und die zunehmende Automatisierung in Beruf und Alltag stellen aktuell einen Umbruch dar, der auch vor unserem Fach nicht Halt macht. Entscheidungen, wie etwa das Stellen einer medizinischen Diagnose, werden heute bereits in vielen Ländern computerunterstützt getroffen bzw. ausgeführt. Erkenntnisse über menschliche Kognition können dabei helfen, die Interaktion zwischen Menschen und Computern möglichst effizient und fehlerfrei zu gestalten.

Nicht zuletzt durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump haben sich Fake News in Teilen der Gesellschaft festgesetzt und als „salonfähig“ etabliert. Wie lässt sich kognitionspsychologisch erklären, dass unbestreitbare Fakten und Tatsachen geleugnet werden?
Eine umfassende Erklärung für Fake News kann die Kognitionspsychologie vermutlich nicht liefern. Auch soziologische und sozialpsychologische Faktoren spielen hier eine entscheidende Rolle. Wir wissen jedoch aus der Grundlagenforschung zum menschlichen Schlussfolgern, Urteilen und Entscheiden, dass Menschen manchmal dazu neigen, bestimmte „mentale Abkürzungen“ zu nehmen, also Sachverhalte nicht von Anfang bis Ende zu durchdenken, sondern sich auf ein erstes schnelles Urteil oder gar bloßes Gefühl zu verlassen. Diese Neigung ermöglicht es, auch unter hohem Zeitdruck und bei Stress noch zu einer oft ganz guten Entscheidung zu kommen. Sie kann aber auch dazu führen, sich zu leichtgläubig auf Informationen aus einer vermeintlich verlässlichen Quelle zu verlassen, ohne diese ausreichend zu überprüfen.
Wie können sich Menschen und Gesellschaften vor dem Einfluss von Fake News schützen?
Verschiedene KognitionspsychologInnen haben sich in letzter Zeit intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Das Forschungsfeld ist allerdings noch recht jung. Vorgeschlagen wird zum einen eine Art „kognitive Impfung“, also eine umfassende Aufklärung, dass Falschinformationen zu einem Thema im Umlauf sind, möglichst direkt begleitet von Informationen zur tatsächlichen Faktenlage. Zum anderen wird eine „kognitive Behandlung“ vorgeschlagen, das heißt eine möglichst zeitnah bereitgestellte Richtigstellung, in der die Fakten dargelegt und allgemeinverständlich erläutert werden. Erste Studien sind vielversprechend, es ist zu hoffen, dass die Kognitionspsychologie auch zum Umgang mit diesem medialen Problem einen Beitrag leisten können wird.