Sprechen in Bildern

Mit unserem Autor Clemens Krause sprechen wir über die Bedeu­tung und Anwen­dung von Meta­phern in der Psycho­therapie, Coaching und Beratung. Krause betont, dass Metaphern tief in unser Denken und Fühlen eingebettet sind und aufschluss­reiche Einblicke in die Erlebnis­welt der Klienten bieten können, was zu effektiveren Therapieansätzen führen kann.

Portrait von Dr. Clemens Krause
Dr. Clemens Krause

Sie verstehen die Arbeit mit Metaphern nicht als neue Therapie­methode, sondern möchten dazu anregen, stärker auf die bild­hafte Sprache der Klientinnen und Klienten zu achten und sich diese in Therapie, Coaching und Beratung zunutze zu machen. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Metaphern sind nicht nur eine Besonder­heit der Sprache, sondern wir leben in Metaphern. Diese Annahme geht zurück auf die Metapher­theorie von Lakoff und Johnson, die sie erstmals 1981 in ihrem weg­weisenden Buch „Leben in Metaphern“ darstellten. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie diese Erkennt­nisse Eingang in Psychot­herapie, Beratung und Coaching finden können. Metaphern beein­flussen nämlich die Art und Weise, wie wir über einen Sach­verhalt nachdenken, welche Emotionen dabei wirksam werden, unsere Einstel­lungen und welche Handlungs­möglich­keiten wir wahrnehmen. Wenn z. B. ein Klient formuliert „Mein Alltag ist ein großer, steiler Berg. Ich weiß nicht, wie ich ihn bewäl­tigen soll“, so bekommt man als Thera­peut, Berater oder Coach einen Ein­druck, wie sich das Prob­lem aus Sicht des Klienten darstellt. Er überträgt Eigen­schaften von der Quelld­omäne Berg auf seinen proble­matischen Alltag (groß, steil, wirkt nicht zu bewältigen, Ratlosigkeit). Klienten­generierte Metaphern geben somit wert­volle diagnos­tische Hinweise auf die Erlebens­welt der Klienten. Zum anderen finden sich in solchen Meta­phern oft unge­nutzte Bereiche, die Ressourcen enthalten und die für eine Verän­derungs­arbeit genutzt werden können. So gibt es mehrere Möglich­keiten auf einen Berg­gipfel zu gelangen, was mit dem Klienten dann inter­aktiv entwickelt werden kann. Eventuell können seine eigenen Erfah­rungen mit der Bestei­gung eines Berges erfragt werden. So ist es möglich, im Gespräch schnell von einer Problem- zu einer Ressourcen­orientierung zu kommen und somit zu verän­derten Gedanken, Einstellungen, Emotionen hinsicht­lich des Problems und optimaler­weise auch zu lösungs­orientierten Hand­lungs­strategien, die vorher nicht bewusst wahr­genommen wurden.

Worin unterscheiden sich patienten- von thera­peuten­generierten Meta­phern und welche Effekte lösen sie aus?

Patienten­generierte Meta­phern werden im Gespräch von Patienten formuliert. Bedeut­sam sind diese, wenn sie sich z. B. selbst damit beschreiben, das soziale Umfeld oder ihre Problem­sicht. Greift der Thera­peut dann so eine Metapher auf, exploriert er sie gemein­sam mit seinem Gegen­über, setzt er direkt am Erleben des Patienten an. Er holt den Patienten ab und spricht die gleiche Sprache. Das fördert natürlich die Beziehung. Der Patient fühlt sich verstanden und ernst genommen. Der Therapeut hat zudem durch die Beachtung patienten­generierter Metaphern einen dia­gnos­tischen Mehr­wert. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass in erfolgreichen Therapien der Anteil der von Patient und Therapeut gemeinsam genutzten Meta­phern höher ist.
Mit Hilfe von therapeuten­generierten Metaphern kann der Therapeut dagegen unmittel­bar seine Sicht der Dinge vermitteln und so einen Perspektiv­wechsel oder ein Reframing des Problems anregen. Nutzt er Meta­phern, deren Träger Geschichten sein können, kann er Reak­tanz und Wider­stände beim Patienten umgehen. Therapeuten­generierte Metaphern sind zudem unver­zichtbar, um Patienten abstrakte theo­retische Kon­zepte anschaulich zu vermitteln und somit begreif­bar zu machen. Ein weiterer Vorteil, den die Arbeit mit Meta­phern bietet, ist, dass Metaphern besser erinnert werden, da bei ihrer Kodierung verbal assoziative Prozesse, bild­liche Vor­stellung und emo­tionale Prozesse wirksam werden, die zu einer tieferen Verar­beitung im Gedächt­nis beitragen. Das gilt dann für beide For­men des Metaphergebrauchs.

Welche Heraus­forderungen gibt es bei der Arbeit mit patienten­generierten Metaphern und worauf ist beson­ders zu achten?

Lassen Sie mich diese Frage meta­phorisch beantworten. Sie befinden sich mit Ihrem Gegen­über in einem Boot, das auf dem Gesprächs­fluss mit der Strö­mung treibt. Mal gibt es ruhigere Phasen, in denen das Boot lang­sam und träge dahin­gleitet, mal wird der Strom reißender. Ihre Auf­gabe ist es, das Boot im Gesprächs­fluss zu steuern und zu manövrieren, mög­lichst zu verhindern, dass es kentert oder an einem Felsen leck­schlägt. Das erfor­dert eine gewisse Konzen­tration, Aufmerk­samkeit und Exper­tise. Es bedarf nun einer beson­deren, zusätz­lichen Acht­samkeit, auch den Grund des Flusses im Auge zu behalten. Ab und zu glitzert dort nämlich ein Edel­stein auf. Den können Sie nur ergreifen, wenn Sie ihn auch bemerken. Nicht jeden Edel­stein auf dem Grund des Flusses werden Sie heben, manch­mal ist die Strömung einfach zu stark, der Fluss zu tief oder das Wasser zu trübe. Und mancher Stein, der auf dem Grund des Flusses blinkt, erweist sich nach dem Heraus­holen als ein­facher Kieselstein, den Sie dem Fluss zurück­geben können. Wenn Sie jedoch einmal einen Edel­stein erwischt haben, dann können Sie ihn gemein­sam mit Ihrem Gegen­über betrach­ten und bestimmen, heraus­finden, was er Ihrem Gegen­über bedeutet. Es ist zunächst ein gemein­samer Wert, auf den Sie beide acht­geben. Der Stein kann gemein­sam bearbei­tet und geschlif­fen werden. Die Form des Steins und die Art und Weise, wie er das Licht bricht, wird sich dadurch wo­möglich verän­dern und am Ende der Boots­fahrt kann Ihr Gegen­über diesen Stein mit nach Hause nehmen und manch­mal hat die Bootsfahrt, der Fund und die Bear­beitung des Edel­steins ihn verän­dert und es kann sich noch lange an dem Juwel erfreuen.
Wichtig ist zudem als Thera­peut, Berater oder Coach, nicht davon auszu­gehen bei einer Metapher sofort zu wissen, was das Gegen­über von der Quell­domäne auf das Problem über­trägt. Es ist uner­lässlich, gemein­sam das Bild der Metapher zu explo­rieren und kognitive, emotionale, physio­logische Aspekte sowie Handlungs­entwürfe heraus­zuarbeiten. In einem nächsten Schritt können dann gemein­sam Ressourcen in der Metapher gesucht werden, welche der Patient bisher nicht erkannt hat und auf das Problem über­tragen werden. Finden sich in der ursprüng­lichen Metapher keine Ressourcen, kann ein Metapher­wechsel angeregt werden. Der Prozess der Exploration und der Ressourcen­suche erfolgt mit der Methode der Imagination.

Neben Metaphern bringen Sie auch Geschichten oder Anek­doten in die Therapie, das Coaching ein. Wo sind die Unterschiede?

Geschichten und Anek­doten sind keine Metaphern per se, sondern Erzähl­formen. Geschich­ten können jedoch Metaphern auf unter­schied­lichen Ebenen enthalten. Das Erzählen von Geschich­ten ist zentral in der Evo­lution der Mensch­heit und Geschich­ten sind somit ein Speicher der Kultur. Werte und Normen werden durch sie über­mittelt und an die nächste Gene­ration weiter­gegeben. Deshalb ist es nicht über­raschend, dass Geschichten auch in der profes­sionellen Arbeit mit Menschen eine Rolle spielen. Geschichten sind permis­siver als direkte Instruk­tionen und können mehr­deutig inter­pretiert werden. So können Veränderungs­vorschläge des Therapeuten elegant verpackt werden. Der Patient hört die Geschichte und erhält die Frei­heit sich das auswählen und auf sein Problem über­tragen, was ihn anspricht und kann den Rest ignorieren. Das ist dann wenig kon­frontativ und Wider­stände können umgangen werden.
Anekdoten geben eine beson­dere oder charakte­ristische Begeben­heit im Leben einer Person wieder, die aufs wesent­liche reduziert ist und eine Pointe erhält. Ich nutze oft authen­tische Geschichten aus meinem persön­lichen Erfahrungs­bereich, z. B. aus anderen Therapien oder Coachings. Anek­doten schaffen einen schnellen Zugang zum Erfahrungs­bereich des Patienten oder Klienten indem sie direkt an seinen Themen anknüpfen, wodurch das Erzählte nach­vollzieh­bar wird und gut auf eigene Erfah­rungen über­tragbar ist.

Metaphern werden im Allgemeinen im Bereich der sprachlichen Kommuni­kation verortet. Was sind Handlungs­metaphern?

In der therapeutischen oder bera­terischen Kommuni­kation spielen sich Metaphern auf einer mentalen Ebene ab. Durch das Über­tragen von gewissen Merk­malen einer Quell­domäne auf eine Zieldomäne, die im thera­peutischen Bereich oft eine proble­matische Situation des Patienten darstellt, wird das Problem in Begriffen der Quell­domäne beschrieben. Handlungs­metaphern spielen sich nicht nur auf der mentalen Ebene ab, es erfolgt vielmehr eine Insze­nierung der Metapher. Viele Therapie­verfahren folgen diesem Prinzip, obwohl der meta­phorische Prozess als Wirk­variable selten explizit genannt wird. Meiner Meinung nach spielt die Metapher in der Kunst- und Gestaltungs­therapie, der Musik­therapie, der Bewegungs­therapie, der Hippo­therapie und anderen handlungs­orientier­ten Therapie­verfahren eine wichtige Rolle. So werden vom Patienten gemalte Bilder im Hin­blick auf deren Lebens­situation über­tragen und gedeutet. Eine Familien­aufstellung kann ebenfalls als Metapher gesehen werden. Die Aufstellung steht für die proble­matische Situation des Patienten und sie kann die Struktur seines Familien­systems meta­phorisch mit Stellvertretern darstellen. Der Abstand und der Blick­kontakt der Stell­vertreter sind Aus­druck der Beziehungen von Personen im System des Patienten und sie können ihre Eindrücke und Empfin­dungen mitteilen. Der Patient überträgt schließ­lich die Erkennt­nisse aus dieser Aufstellung auf sein reales Beziehungs­geflecht und kann dieses dadurch in einem neuen Licht sehen. Auch das Psycho­drama nutzt szenische Elemente meta­phorisch, indem der Prota­gonist einen Raum, eine Bühne bekommt und dabei die Erlaubnis erhält, seine Lebens­geschichte oder Aspekte davon in Szene zu setzen, wobei er andere Mit­glieder der Gruppe auf die Bühne holen kann. So können meta­phorisch Wünsche, Phanta­sien oder Probleme dargestellt werden.

Sie bezeichnen Metaphern als Suggestionen. Was hat es damit auf sich?

Im Falle einer Suggestion beeinflusst eine Person eine andere über verbale oder non-verbale Kommuni­kation und/oder Kontext­faktoren. Die Beein­flussung kann willent­lich oder unwillent­lich erfolgen in einer Weise, dass diese Person Inten­tionen, Über­zeugungen, Gefühle oder Wünsche des Suggestors übernimmt. Die Beein­flussung muss dabei auf der auto­matischen Aktivie­rung von Bedeu­tungsstruk­turen beruhen, so dass sich der Suggestand einer Beein­flussung nicht bewusst ist. Beim Rezipieren von Metaphern werden Konzepte automatisch aktiviert und Prozesse der Über­tragung, aber auch Hemmung der Über­tragung von Merk­malen der Quell­domäne auf die Zieldomäne vollziehen sich außer­halb der bewussten Kontrolle. So kommt es dann, dass eine Metapher wie die Flüchtlings­flut, Eigen­schaften, die mit der Quell­domäne Flut verbunden werden (Ängste um das eigene Leben oder den Verlust von Besitz, das Gefühl von Bedro­hung und eigener Hilf­losigkeit, der Handlungs­impuls, sich vor der Flut zu schützen, etwa durch den Bau von Dämmen, welche die Flut abhalten), auf die Ziel­domäne, den Zuzug von Flücht­lingen, überträgt. In diesem Beispiel sind das vor allem emotionale Kompo­nenten, aber der Handlungs­impuls, sich durch Dämme vor der Flut zu schützen, findet seine Entspre­chung im Bau von Grenz­zäunen, um Flüchtlinge vom Zuzug abzuhalten, wie es beispiels­weise in Ungarn, Polen und den USA bereits geschehen ist. Natür­lich können wir einer Metapher bewusste Aufmerk­samkeit zuwenden und sie analy­sieren, aber selbst dann können wir den meta­phorischen Prozess nicht verhindern. Der sugges­tive Aspekt der Metapher kann in Therapie, Bera­tung und Coaching genutzt werden, allerdings unter einem ethischen Gesichts­punkt, im Sinne von gemeinsam formu­lierten Veränderungszielen.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Mühe!

Clemens Krause
Sprechen in Bildern
Arbeit mit Metaphern in Psychotherapie, Beratung und Coaching

2023. 168 Seiten mit 7 Abb. und 8 Tab. Kart.
€ 34,–
ISBN 978-3-17-040700-8

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