Basiswissen Strafprozess für Polizeibeamte
Interview zur Neuerscheinung „Basiswissen Strafprozess“
und Lesung in Hoya (19.00 Uhr, Marion-Blumenthal-Oberschule) am 20.05.2022:

Annette Marquardt/Carola Oelfke
Basiswissen Strafprozess für Polizeibeamte
Mit praktischen Beispielsfällen
2022. XXV, 359 Seiten. 2 Abb. Kart. € 34,00
ISBN 978-3-17-041734-2
Frau Marquardt, Frau Oelfke, würden Sie sich zunächst einmal kurz vorstellen, um den Studierenden einen Eindruck zu vermitteln, wer Sie sind?
Marquardt: Ich bin seit 1999 Staatsanwältin, habe zeitweise auch als Straf-/ und Zivilrichterin am Landgericht/ Amtsgericht gearbeitet und bearbeite seit 2011 als stellvertretende Abteilungsleiterin die (versuchten) Kapitaldelikte. Frau Oelfke und ich publizieren regelmäßig u.a. im „Kriminalisten“ und in der „Kriminalistik“, wir bieten seit Jahren ein- und zweitägige Fortbildungen an, in unserem Landgerichtsbezirk, aber auch darüber hinaus, so etwa für die Polizei Sachsen.
Oelfke: Ich bin seit 1994 Staatsanwältin mit Zwischenstationen beim Landgericht und Amtsgericht Magdeburg (Zivilrichterin), der Staatsanwaltschaft Hannover (Zentralstelle Betäubungsmittel- und Organisierte Kriminalität) sowie der Polizeiakademie Nienburg & Oldenburg (Dozentin GER). Zurzeit leite ich bei der StA Verden die Abteilung zur Verfolgung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung & Häusliche Gewalt.
Sie arbeiten ja in mehreren Bereichen im Bachelor- und Masterstudiengang mit der Polizeiakademie zusammen. Dazu gehören u.a. das Training in der vertiefenden Spezialisierung zur Vorbereitung der Aufgaben einer Polizeibeamtin bzw. eines Polizeibeamten vor Gericht, verschiedene Vorträge, z.B. im Masterstudiengang zu den Aufgaben eines Leiters ZKD im ersten Führungsamt aus Sicht der Staatsanwaltschaft, sowie (Frau Marquardt) seit vielen Jahren die Unterstützung der Cold Case Analyse mit Studierenden und Vorträge dazu an der DHPoL.
Was bewegt Sie, sich so intensiv für die Studierenden an der Polizeiakademie zu engagieren?
Marquardt: Im Laufe der Zeit hat man ein Gefühl dafür entwickelt, was in der Praxis (häufig) schief läuft und zu verbessern ist. Dabei liegt mir die Ausbildung der jungen Polizeibeamten/innen besonders am Herzen. Mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten ist eine besondere Freude, ganz besonders natürlich, ihr Interesse an der Ermittlungsarbeit zu wecken.
Cold case ist ein ganz besonders interessanter Bereich, an Altfällen kann man sehr schön mit Praxisbezug lernen, warum die Arbeit der Polizei gerade bei Tötungsdelikten so besonders wichtig, aber eben auch sehr schwierig, und die enge Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft von Anfang an so bedeutsam ist.
Oelfke: Ich bin ja einige Jahre in der Ausbildung an der PA im Studiengebiet Rechtswissenschaften (dort GER) tätig gewesen. Die Rückmeldung der Studierenden hat ergeben, dass diese ein großes Interesse an praktischen Beispielsfällen haben. Diese bringen wir im Rahmen der Aus- und Fortbildung mit ein. Denn nur anhand dieser tatsächlich praktisch relevanten Fälle werden die sonst nur abstrakt darstellbaren Vorschriften händelbar.
Was nehmen Sie aus der Arbeit mit den Studierenden für Ihre berufliche Tätigkeit mit?
Marquardt: Wenn wir in unseren Kursen Rollenspiele durchführen, wird für uns Staatsanwälte sehr schnell deutlich, wo die Probleme sind. Die „alten Hasen“ bei der Polizei sprechen die Probleme von sich aus häufig nicht an. Man wird durch die vielen Fortbildungen, die wir inzwischen durchführen, selber sensibler, erklärt das eine oder andere bereits im Vorfeld, um Probleme in der Praxis zu vermeiden. Ohne unsere Arbeit an der Polizeiakademie wäre etwa das „Basiswissen“ nicht entstanden. Derzeit machen wir uns dafür stark, dass auch in den Polizeiinspektionen regelmäßig Fortbildungen angeboten werden.
Oelfke: Ich möchte diese Worte von Frau Marquardt noch etwas ergänzen. Die bereits lange Jahre in der Praxis tätigen Kollegen sprechen oft von „das haben wir schon immer so gemacht“ oder gar „das machen wir hier anders“. Das führt oft dazu, dass junge Polizeibeamte, die mit einem hohen Ausbildungsstand und viel theoretischem Wissen in die Praxis entlassen werden, dieses Wissen nicht anwenden. Dazu ein Beispiel, das mir ein Dozent der PA Oldenburg einst schilderte: Der/die Studierende der PA hatte mit viel Fleiß und Engagement die Materie der vorläufigen Festnahme und späteren Inhaftierung erlernt. Er/sie war einer „der Besten“ im Modul GER; alle Klausuren im Bereich gut/sehr gut. Im Rahmen der praktischen Ausbildungszeit wurde eine vorläufige FN durchgeführt, die sich später als rechtswidrig erwies, weil die Voraussetzungen (dringender TV + Haftgrund) nicht vorlagen. Der/die Studierende berichtete später auch davon, dass er/sie diese Bedenken durchaus erkannt, sich aber nicht hatte durchsetzen können