Interview mit Dr. Anne Koch zum Thema „Religionsökonomie“

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Anlässlich des Erscheinens des Bandes „Religionsökonomie“ führten wir mit der Autorin Dr. Anne Koch das folgende schriftliche Interview.

Was ist Religionsökonomie?

Unter diesem Label etabliert sich seit wenigen Jahren eine neue Teilperspektive der Religionswissenschaft. Zunächst dominierte die US-amerikanische neoklassische Theorie das Feld. Es ist an der Zeit, diese wichtige, aber auch einseitige Theoriebildung zu ergänzen um viele weitere Wirtschaftstheorien und Fragestellungen. Dabei sollte man vermeiden, Religion wieder zu essentialisieren und zum Beispiel ein religiöses Kapital einzuführen. Wenn Religion nun doch wieder nicht mit den bestehenden ökonomischen Kategorien zu fassen ist, dann funktionierte eine Religionsökonomie eben gerade nicht. Und man sollte Wirtschaftsmodelle auch nicht simplifizieren und sagen, dass zum Beispiel die Nutzenmaximierung nicht auf religiöse Institutionen anwendbar sei, da diese ja ethisch handelten. Das ignorierte zum Beispiel die vielen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie zum Altruismus oder spezielle Modelle für Non-Profit- oder Spendenmärkte.

Umschlag von "Religionsökonomie"Über was sprechen Sie in Ihrem Band?

Dieser Band ist eine erste Einführung in dieses neue Feld. Daher ist es zunächst wichtig, bisherige Arbeiten, in denen Religion und Wirtschaft tangiert werden, zu sichten und einzuordnen in ihren Kontext. Dann kommen Arbeiten aus verschiedenen Ansätzen zur Sprache, die ausdrücklich auf Religion bezogen sind: Marktmodelle, die Neoklassik, Neue Institutionenökonomik, Kulturökonomie und Verhaltensökonomik. Es wird diskutiert, inwiefern sie beitragen können, religiöse Institutionen als Firmen oder Marktteilnehmer zu analysieren. Mich interessiert dabei auch, wie die zunehmende Ökonomisierung, Massenproduktion, Kommodifizierung und weitere Prozesse religiöse Organisationen in ihrer Struktur und Dienstleistung verändern. Dazu finden sich viele Beispiele, die analysiert werden.

Ein Kapitel Ihres Bandes handelt von Managern und dem Mythos Markt. Was hat das mit Religion zu tun?

Der Kapitalismus wurde „erste echte Weltreligion“ genannt, Unternehmensberater werden medial wie Heilande oder Teufel inszeniert, dem Markt wird zugeschrieben Wohlfahrt zu bewirken – wenn man ihn nur lässt. Diese Zuschreibungen an Wirtschaft und Wirtschaftsakteure sind ein ganz eigenes Terrain, wenn es um Religion und Wirtschaft geht. Diese enorme normative Wirkung der Wirtschaftsbilder auf unseren Alltag geschieht zum Teil mit Strategien und in Metaphern, die aus religiösen Institutionen bekannt sind. Daher kann gerade eine Religionsökonomie hier einen wertvollen analytischen und kritischen Beitrag leisten.

Was sind die religiösen Ökonomien, denen Sie ein ganzes Kapitel widmen?

Religiöse Ökonomien von bestimmten Banken, Spendenorganisationen, Herstellern stehen ausdrücklich in einer religiösen Tradition. Wie das aussehen kann, stelle ich vor allem am islamischen Wirtschaften dar und an zeitgenössischen popkulturellen Produkten im Islam am Beispiel von Zeugniskleidung oder Lebensmitteln.

Was verstehen Sie unter Kulturökonomie?

Kultur vollzieht sich in Institutionen und durch Diskurse. Die Abgrenzung eines Teils als Religion hängt vom Betrachter und seinen Interessen ab. Ich gewinne dank der kulturökonomischen Perspektive wiederum einen weiteren Blickwinkel auf das Verhältnis Religion und Wirtschaft, indem ich den Wirtschaftsprozess anschaue: Produzieren, Distribuieren und Konsumieren. In Bezug auf die Produktion zeige ich, welche Arten von Gütern und Dienstleistungen oder Versicherungen von religiösen Institutionen produziert werden. In Bezug auf die Distribution erläutere ich Vertriebswege – man denke an Mission und neue Medien – und auch das zunehmend wichtige Feld der Vermarktung und der Markenbildung. Das Konsumieren ist so fundamental, dass es manchen Gesellschaften ihren Namen als Konsumgesellschaften gegeben hat, und zwar dann, wenn die eigene Identitätsbildung kaum noch zu trennen ist von den Signalen und Erlebnissen meines Konsumierens. Deshalb ist der Kaufrausch vor Weihnachten auch nicht einfach nur als Kommerz abzutun. Vielmehr können wir kaum noch anders als uns Gemütlichkeit und Geborgenheit und Intensität dieser Jahreszeit einzukaufen oder Zuneigung und Bindung über eine Ware zu schenken.

Wir bedanken uns recht herzlich für Ihre Zeit und Mühe!

Das Interview führte Julia Zubcic.

Alle Bücher der Reihe „Religionswissenschaft heute“ finden Sie hier.

Abschließend möchten wir auf einen interessanten Vortrag hinweisen, den Frau Dr. Koch anlässlich der 31. Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft im September 2013 in Göttingen gehalten hat.
Das Thema: Religionsästhetik jenseits der Massendinghaltung

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Fachbereich(e): Theologie. Schlagwort(e) , , , , , . Diese Seite als Lesezeichen hinzufügen.