Anlässlich des Erscheinens des neuesten Bandes aus der Reihe „Theologie elementar“ führten wir mit Prof. Dr. Dierk, Autorin des Werkes „Gott und die Kirchen“, das folgende schriftliche Interview.
Sie haben die Herausforderung angenommen eine Darstellung von 2000 Jahren Kirchengeschichte auf 232 Seiten zu schreiben. Was war daran das schwierigste?
Die größte Herausforderung war zweifellos die Auswahl der Themen bzw. Ereigniszusammenhänge. Einerseits soll möglichst alles Wichtige vorkommen, andererseits sollte es mehr werden als ein Handbuch, in dem chronikartig alles aufgelistet wird, was zum „Kanon Kirchengeschichte“ gehört. Gleichzeitig sollten – entsprechend dem Anspruch der gesamten Reihe „Gott und …“ – Forschungsdiskurse mit in die Darstellung einfließen. Auch da galt es auszuwählen; so habe ich mich beispielsweise für die Frage, ob mit der Reformation die Neuzeit beginnt, entschieden. Für das 19. Jahrhundert erschien mir die Diskussion um die „Feminisierung der Kirche bzw. des christlichen Glaubens“ attraktiv.
Was macht diese Darstellung einer Kirchengeschichte zu einer religionspädagogischen?
Nach meinen eigenen Unterrichtserfahrungen und angesichts der fachdidaktischen Diskussion halte ich einen eher sozialgeschichtlichen oder frömmigkeitsgeschichtlichen Zugang zur Kirchengeschichte für unumgänglich. Wenn Schülerinnen und Schüler sich für kirchenhistorische Themen öffnen sollen, muss es Anknüpfungspunkte für sie geben, bei aller (unüberwindlichen) Differenz zwischen der Vergangenheit und dem Heute. Das heißt, die inhaltliche Auswahl ist auch religionsdidaktisch begründet. Ergänzend werden am Ende jeden Großkapitels didaktische Anregungen gegeben, beispielsweise durch Hinweise auf Materialien oder spezifische Fragestellungen für den Unterricht.
Sie haben sich in Ihrer Darstellung für die Dreiteilung: „Gottesverhältnis – Binnenverhältnis – Weltverhältnis“ entschieden – ein untypischer Ansatz. Warum?
Dafür spricht zunächst ein ganz pragmatischer Grund: die gesamte Reihe heißt „Gott und …“, d.h. die Gottesfrage als Fokus der Theologie ist ein wesentlicher Bezugspunkt der Darstellung. Das habe ich versucht, über den Begriff „Gottesverhältnis“ zur Sprache zu bringen. Es geht dabei um die Frage, welchen Gott man in einer bestimmten Epoche geglaubt hat, welche theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Fragestellungen maßgeblich waren. Die Perspektive „Binnenverhältnis“ soll den Blick auf den Gemeinschaftsaspekt des Christentums lenken und zeigen, welche Sozialgestalt christlicher Glaube zu unterschiedlichen Zeiten annehmen konnte. Und schließlich sollen unter dem Begriff „Weltverhältnis“ zum einen die äußere Entwicklung im Sinne von politischer Geschichte, die auf Kirche und Christentum wirkten, beschrieben werden, andererseits soll aber auch gezeigt werden, dass christlicher Glaube auch in die Welt hinein wirkte bzw. wirkt.
Welche Gründe sprechen dafür, statt von Kirchen- bzw. Christentumsgeschichte von historischer Theologie zu sprechen?
In der fachwissenschaftlichen Diskussion wird nach meiner Wahrnehmung um die inhaltliche Ausrichtung von Kirchengeschichte und/oder Christentumsgeschichte gerungen, beispielsweise darum, wie beides aufeinander zu beziehen ist. Der Begriff „historische Theologie“ entzieht sich dieser Diskussion, indem einerseits auf die Methodik, nämlich das Instrumentarium historischer Forschung, verweisen wird, andererseits die Stellung im theologischen Fächerkanon sichtbar wird. Ich versuche, eine historische Perspektive auf die Theologie zu eröffnen, sodass deutlich wird, Theologie bzw. theologische Entscheidungen, die Gestalt von christlicher Gemeinschaft sind immer auch kontextuell bedingt. Viele theologische Grundeinsichten versteht man besser, wenn man um ihre Genese weiß.
Warum ist es für ReligionspädagogInnen relevant und interessant, sich mit der historischen Theologie zu beschäftigen?
Das schließt direkt an das eben Gesagte an. Historisches Bewusstsein ermöglicht vertieftes Verstehen, und zwar für die Gegenwart. Für angehende Lehrkräfte gibt es darüber hinaus eine gewisse Sicherheit, wenn schwierige und kritische Fragen von Schülerinnen und Schülern kommen. Eine historisch ausgerichtete Antwort kann helfen, Kritik an Kirche und Christentum sachgerechter und damit fairer zu machen.
Wo und wie wird Ihr Buch im Idealfall genutzt?
Ich wünsche mir, dass das Buch als Arbeitsgrundlage im theologischen und religionspädagogischen Studium genutzt wird. Dazu muss es nach meiner Einschätzung nicht von vorn bis hinten durchgearbeitet werden, man könnte sich durchaus einzelne Themenfelder, z.B. das Weltverhältnis als Längsschnitt herausgreifen, um die äußere Entwicklungslinie von Kirche und Christentum nachzuzeichnen. Dadurch, dass das Buch auch eine ökumenische Ausrichtung hat, ist der Einsatz nicht auf protestantische Studierende begrenzt. Auch Studierende der katholischen Theologie können meiner Einschätzung nach von diesem Buch profitieren.
Wir danken Ihnen für Ihre Mühe und Ihre Zeit.
Das Interview führte Julia Zubcic.