Wirtschaft verstehen – die 16. Auflage der „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“

Im zugänglichen Stil internationaler Lehrbücher abgefasst ist diese Einführung in die Volkswirtschaftslehre längst zu einem Standardwerk geworden. Sie vermittelt einen Grundriss mikro- und makroökonomischer Ansätze und erläutert anwendungsorientiert die wirtschaftlichen Zusammenhänge anhand konkreter Problemstellungen aus dem Wirtschaftsgeschehen. Dabei stehen deutsche und europäische Anwendungsfälle im Vordergrund, sodass auch eine gute Orientierung über wirtschaftspolitische Fragen vermittelt wird. Die Neuauflage ist vollständig überarbeitet und aktualisiert worden. Die Inhalte wurden neu strukturiert und mit zahlreichen praktischen Beispielen illustriert. Aus Anlass des Erscheinens der 16. Lehrbuchauflage haben wir mit den Autoren ein kleines Gespräch geführt.

Umschlagabbildung des BuchesNeu!

Lorz/Endrikat/Siebert
Einführung in die Volkswirtschaftslehre

16., überarbeitete Auflage
2022. 399 Seiten, 148 Abb., 44 Tab., Kartoniert. € 49,–
ISBN 978-3-17-037355-6

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In wirtschaftlich bewegten Zeiten ist die Volkswirtschaftslehre eigentlich in einer guten Position, denn Sie hilft das ökonomische Geschehen besser zu verstehen. Was raten Sie Studierenden und sonstigen Interessierten, auf welche Weise erhält man am besten Zugang zu dieser spannenden Materie?

Zunächst einmal empfehlen wir – ganz generell – den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskurs zu verfolgen. Viele der gerade diskutierten Themen haben einen Bezug zur Volkswirtschaftslehre, so z. B. die Vorschläge zur Eindämmung von CO2-Emissionen, zur Abmilderung der Wohnungsnot in Ballungsgebieten oder zur optimalen Antwort auf die Coronapandemie. Diese Debatten zeigen uns, wie viele Bereiche unseres täglichen Lebens mit der VWL verknüpft sind. Sie legen auch die Zielkonflikte offen, mit denen sich Politik und Wissenschaft konfrontiert sehen.

Für ein besseres Verständnis dieser praktischen Problemstellungen und möglicher Lösungsansätze sind Grundlagen aus der Welt der VWL unumgänglich. Wir hoffen, diese mit unserem Buch zu liefern und dabei gleichzeitig zeigen zu können, dass die VWL nicht nur in Hörsälen und Bibliotheken stattfindet.

Die moderne Volkswirtschaftslehre hat bei vielen, gerade auch unter Studierenden, keinen allzu guten Ruf: zu kompliziert, zu theoretisch und zu mathematisch – wie halten Sie es mit der Mathematik in der VWL? Kann das Fach nur verstehen, wer gut in Mathematik ist?

Dr. Oliver Lorz
Dr. Oliver Lorz

Ein Mindestmaß an Mathematik ist (leider) unvermeidbar, wenn man tiefer in die Welt der VWL eintauchen möchte. Allerdings reicht in vielen Fällen schon die Schulmathematik völlig aus, um grundlegende Erklärungsansätze verstehen und nachvollziehen zu können. Viele volkswirtschaftliche Modelle sind bewusst einfach gehalten, so dass man auch komplizierte Sachverhalte mit wenig Aufwand nachvollziehen kann. Wichtige Erkenntnisse können somit ohne langwieriges Lösen mathematischer Gleichungen verstanden werden. Ökonomische Zusammenhänge verständlich und zugänglich zu vermitteln ist nicht nur eine Herausforderung für ein Einführungsbuch, sondern auch für Lehrende und nicht zuletzt für die Politik, deren Anspruch es sein sollte, die Grundlagen ihrer Entscheidungen möglichst vielen Teilen der Bevölkerung zu erläutern.

In einem Lehrbuch wie dem Ihren wird notwendigerweise der sog. Mainstream, also die ökonomische Standardtheorie präsentiert – was halten Sie eigentlich von der alternativen Ökonomie, also wirtschaftsdemokratischen, nichtkapitalistischen und sozialethischen Konzepten?

Dr. Morten Endrikat
Dr. Morten Endrikat

Wissenschaft lebt – wie auch unser gesellschaftliches Miteinander – vom offenen Diskurs. Nur wenn man bereit ist, anderen Ansichten zuzuhören und etablierte Denkansätze kritisch zu hinterfragen, kann man sich und „seine“ Disziplin weiterentwickeln. Daher ist es gut, wenn bestehende Standardtheorien regelmäßig infrage gestellt und angepasst werden und dabei auch Erkenntnisse von außerhalb aufgenommen werden. Hierbei können kritische oder alternative Ansätze dem Mainstream immer wieder wichtige Impulse vermitteln und die Diskussion befruchten. Nichtsdestotrotz liefern Standardtheorien zunächst einmal eine Basis, um die Zusammenhänge in einer Volkswirtschaft abzubilden und analysieren zu können. Aufbauend auf diesem gemeinsamen Verständnis lässt sich das Wissen weiterentwickeln, insbesondere dann, wenn man in einem speziellen Sachzusammenhang feststellt, dass bestimmte Vorhersagen einer etablierten Theorie nicht in Gänze zum tatsächlichen Geschehen passen.

Die Frage zielt auch darauf, ob unser bestehendes System der sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich durch andere Formen des wirtschaftlichen Zusammenlebens ersetzt werden sollte. Hier wären wir persönlich sehr zurückhaltend. Der dezentrale marktwirtschaftliche Ansatz ermöglicht einen Wettbewerb zwischen den besten Ideen und liefert die notwendigen Anreize für einen effizienten Einsatz knapper Ressourcen. Nach einem grundlegenden Umbau der Wirtschaft in ein zentral gelenktes System (wie immer das im Einzelnen ausgestaltet wäre) würde man auf diese Potentiale weitgehend verzichten. Erfolgversprechender erscheint es daher, bestehende Unzulänglichkeiten von Märkten (beispielsweise im Hinblick auf Umweltschäden, auf den Klimawandel oder auch auf die gewünschte Einkommensverteilung) durch entsprechende staatliche Maßnahmen im bestehenden System zu korrigieren.

Zu guter Letzt noch eine Frage zu einem leidigen Thema, das uns alle im Moment mehr oder weniger stark bewegt, nämlich der Inflation: Ist sie gekommen, um zu bleiben – was meinen Sie?

In der letzten Zeit kamen mehrere Verwerfungen der globalen Ökonomie zusammen. Zum einen sind da die Unterbrechungen in den globalen Lieferketten als Folge der Corona-Lockdowns zu nennen. Zum anderen wissen wir alle um die schrecklichen Geschehnisse in der Ukraine, die natürlich in erster Linie eine humanitäre Katastrophe darstellen, darüber hinaus aber auch zu massiven angebotsseitigen Problemen führen. Diese realwirtschaftlichen Herausforderungen trafen auf eine Geldpolitik, die sehr expansiv geführt wurde. Zentralbanken wie die EZB sehen sich nun einem Dilemma gegenüber, da sie in der jetzigen Lage befürchten, dass eine zu schnelle und zu kräftige Zinserhöhung zur Eindämmung der Inflation weitere ökonomische Probleme mit sich bringen könnte. Die geldpolitischen Maßnahmen gegen die Inflation werden also aller Voraussicht nach nur langsam zu einer Verringerung der Inflation führen können, die uns folglich noch eine Weile begleiten wird.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Zu den Autoren:
Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Siebert (1938-2009) war Präsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel und lehrte an der Johns Hopkins University in Bologna. Sein Schüler und jetziger Hauptautor Dr. Oliver Lorz ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der RWTH Aachen, Dr. Morten Endrikat ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

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