Im Wettbewerb um Publikum, Aufmerksamkeit und Förderung profitieren Kultureinrichtungen aller Art vom konsequenten Einsatz moderner Marketinginstrumente. Deren Schwerpunkte sind Positionierungsentscheidungen im Wettbewerb, Management der Beziehungen zum Publikum und anderen Stakeholdern sowie Nutzung der digitalen Chancen. Allerdings müssen Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft im Hinblick auf Wertschöpfung, Marktstruktur, Zielsetzungen und wirtschaftliche Orientierung berücksichtigt werden; dann lassen sich Marktforschung, insbesondere Publikumsforschung, und Kundenanalyse, Marketing-Strategien und -Instrumente zielführend und im Wortsinne gewinnbringend einsetzen. Vor diesem Hintergrund und aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen und breiten Kontakte zu Kultureinrichtungen aller Art haben Prof. Dr. Bernd Günter und Dr. Julia Römhild von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein Werk verfasst, das in zwei Bänden die sinnvolle Anwendung modernen Marketingwissens auf dem weiten Feld von Kunst und Kultur darstellt. Wir nehmen das Erscheinen des Grundlagenbandes zum Anlass, dem Autorenduo aktuelle Fragen zu stellen (der nachfolgende 2. Band beschäftigt sich übrigens detaillierter mit den Marketing-Instrumenten, mit digitalen Angeboten, Branding und den Besonderheiten der Kunstmärkte).
Bernd Günter/Julia Römhild
Marketing für Kunst und Kultur
Band 1: Grundlagen – Strategie
2023. 350 Seiten. Kartoniert. € 45,–
ISBN 978-3-17-034990-2
Gehört das Marketing nicht längst zum Standard in Kultureinrichtungen aller Art oder sehen Sie hier noch Nachholbedarf?
Dr. Julia Römhild: Viele Kulturinstitutionen betreiben bereits Marketing – manchmal ganz bewusst und zielorientiert, manchmal eher intuitiv und ohne das Wort „Marketing“ auch nur in den Mund zu nehmen. Denn leider ist „Marketing“ immer noch recht negativ konnotiert und wird mit Werbung und damit oft mit „Kommerz“ gleichgesetzt. Doch gemeint ist hier vielmehr eine Führungsphilosophie, ein konsequentes Denken vom Markt – also vom Publikum – her. Insofern besteht schon noch Aufholbedarf, nämlich darin, Marketing „richtig“ zu verstehen. Es geht darum Kulturangebote so gestalten und zu vermitteln, dass sie wahrnehmbar, relevant und erreichbar für das Publikum sind. Dazu gehören einzigartige Angebote mit Erlebniswert durch besucherorientierten Service.
Nun die bange Frage: Wie geht’s den Kultureinrichtungen nach der Corona-Pandemie? Man liest hier mitunter schlimme Dinge…
Prof. Bernd Günter: Einige Sparten und Akteure haben die Pandemie kaum überstanden oder sind immer noch gefährdet. Neben der Rückkehr des Publikums und gegebenenfalls öffentlichen Hilfen können kreative Marketing-Maßnahmen und digitale bzw. hybride Angebote zur Verbesserung der Lage beitragen. Andere Sparten und Akteure haben neue Formate und Wege zum Publikum gefunden und werden diese sicher in ihr Angebotsspektrum übernehmen. Erwünscht wären besonders verstärkte Angebote zur Heranführung von Kindern und Jugendlichen an verschiedene Kulturbereiche, weil gerade diese Zielgruppen zwei bis drei Jahre lang von vielen möglichen „Kulturkontakten“ ferngehalten wurden.
Daran anschließend gefragt: Bringt Marketing eine schnelle Lösung, muss sich die Kultur nur besser verkaufen und dann läuft der Laden?
Prof. Bernd Günter: Marketing ist kein Fast Food zur schnellen Sättigung. Vielmehr geht es um eine umfassende Angebotsposition auf Kunst- und Kulturmärkten. Damit es geht um den Umgang mit dem Publikum und anderen Stakeholdern. Kulturbetriebe und -akteure könnten sich in einigen Teilen besser verkaufen oder vielmehr präsentieren. Aber von einer schnellen Lösung kann keine Rede sein, wir reden hier von einem ganzheitlichen Konzept, einer Führungsphilosophie – wie Angebote gestaltet und vermittelt werden. Und das ist etwas, das auf Zielbildungs- und strategischer Ebene gelebt werden muss. Idealerweise von allen Beteiligten. Doch ja, es gibt innerhalb dieser Philosophie natürlich Instrumente und Maßnahmen, die da helfen.
Sie beschreiben Ansätze, um Kunst und Kultur digital neu zu präsentieren. Was kann die digitale Transformation für Kunst und Kultur in der Nach-Corona-Periode leisten?
Dr. Julia Römhild: Die digitale Transformation beeinflusst nicht nur das Marketing, sondern alle Funktionen und Prozesse in Kulturbetrieben. Bezogen auf das Marketing ermöglicht sie schnelleren und flexibleren Umgang mit den Zielgruppen. Sie ermöglicht zusätzliche, z. T. neue, auch hybride Wege der Information und der Angebotsgestaltung, etwa mit Hilfe von Augmented Reality und Virtual Reality. Und sie ermöglicht letztlich Verbesserungen der Publikumsanalyse und der Erfüllung von Publikumswünschen.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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