Wie Customer Artificial Intelligence ein Unternehmen smart macht!

Die Nutzung moderner Technologie zur Gewinnung und dauerhaften Anbindung von Kunden, Geschäftspartnern und anderen relevanten Stakeholdern, die im Rahmen des Customer Relationship Management (CRM) gebündelt wird, gehört zum Kern der marktorientierten Unternehmensführung. Der moderne Kunde ist nicht länger nur „Abnehmer“ von Produkten und Dienstleistungen. In unserer vernetzten Gesellschaft besitzt er eine eigene Stimme und teilt seine Erfahrungen intensiv mit anderen Kunden. Er nutzt die Transparenz des Internets über Preise und Märkte aus, um intelligente Kaufentscheidungen zu treffen. Daher wird es für Unternehmen immer wichtiger, eine lernende Beziehung zum Kunden auf Augenhöhe zu etablieren und Wissen vom, über und gemeinsam mit dem Kunden zu entwickeln. Nur so kann das Unternehmen wettbewerbsfähige Lösungen zur passgenauen Befriedigung des Kundenbedürfnisses bereitstellen.

In seinem aktuellen Lehr- und Studienbuch „Wissenzentriertes Kundenbeziehungsmanagement. Wie Customer Artificial Intelligence ein Unternehmer smart macht!“ stellt Prof. Dr.-Ing. Andreas Schmidt mit der Knowledge Blueprint for Customer Relationship Management (KnowBlueC) eine strukturierte Systematik vor, mit der ein Unternehmen auf dem Weg zur smarten und kundenzentrierten Wissensorganisation geführt werden kann. Ein „Blick hinter die Kulissen“ rund um die Customer Artificial Intelligence zeigt die Einsatzmöglichkeiten von Big Data, Business Analytics und Data Mining, Machine Learning, Neuronalen Netzen und (Chat-)Bots und hilft dabei, deren Wert für den Einsatz im eigenen Unternehmen richtig einschätzen zu können. In unserem Interview spricht Prof. Schmidt über dieses für Theorie und Praxis des Handels so bedeutsame Thema.

Umschlagabbildung des Buches

Andreas Schmidt
Wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement
Wie Customer Artificial Intelligence Ihr Unternehmen smart macht

2020. 452 Seiten. Kart. € 49,–
ISBN 978-3-17-039109-3

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Computer überflügeln den Menschen in vielen Bereichen, dennoch steht KI noch am Anfang: Wie beurteilen Sie den aktuellen Entwicklungsstand im Bereich intelligenter Systeme für das CRM?

Prof. Dr.-Ing. Andreas Schmidt
Prof. Dr.-Ing. Andreas Schmidt

So ganz am Anfang steht die Künstliche Intelligenz oder kurz KI nicht mehr. Viele Menschen setzen KI mit einem Mechanismus gleich, der sich intelligent in allen Einsatzgebieten verhält, also nicht auf eine bestimmte Problemstellung zugeschnitten ist. Dieses Bild wird insbesondere durch Science-Fiction-Filme induziert: Man denke nur an „HAL“ im Filmklassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“. Von einer solchen generellen KI sind wir meines Erachtens noch weit entfernt.

Für begrenzte Einsatzfelder ist der Entwicklungsstand intelligenter Systeme allerdings bereits sehr hoch und übertrifft in Teilen sogar die Fähigkeiten eines Menschen. So helfen Verfahren der KI bei der Automatisierung vieler klassischer und operativer CRM-Kernbereiche (Marketing-, Sales- und Service-Automation). Auch werden KI-Verfahren im Text Mining – also der Texterkennung und darauf aufbauenden Textanalyse eingesetzt, um z.B. ein intelligentes Routing von elektronischer Eingangspost zum Sachbearbeiter zu ermöglichen bis hin zur Vollautomatisierung stark strukturierter Arbeitsabläufe wie der Rechnungseingangsbearbeitung.

Darüber hinaus helfen Verfahren der KI aber auch in immer mehr CRM-Bereichen mit hohen kognitiven Anforderungen. So werden Verfahren der Bilderkennung und Bildanalyse für das Emotional Decoding – also bei der Erkennung des Gefühlszustands eines Menschen – bereits im Neuromarketing eingesetzt, um z.B. individuelle Werbung im emotionalen Kontext des Kunden einzublenden. Dadurch können Streuverluste vermieden werden. In anderen, komplexeren Bereichen existiert sicherlich noch Entwicklungspotenzial wie z.B. in der Spracherkennung und Sprachanalyse. Wahrscheinlich haben viele Leser dies bereits bei unterschiedlichen Sprach-Assistenten selbst erfahren – wenn etwa die Spracherkennung des Navigationssystems partout die ausgesprochene Adresse nicht erkennt. Aber auch hier gibt es bereits sehr gute Implementierungen für ausgewählte Anwendungsfelder.

Wo ist in Zukunft noch Platz für „echte“ Menschen im Kundenservice zwischen den ganzen Tools, Bots und Maschinen?

In Zukunft werden sicherlich sehr stark strukturierte, gut automatisierbare Aufgaben immer mehr von KI-Systemen übernommen werden – dazu gehören u.a. operative Serviceanfragen. Bei semi-strukturierten Aufgabenstellungen kann KI den Menschen in seiner Entscheidung unterstützen, so dass eine kollaborative Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine entsteht. Kundenanfragen werden z.B. vom Bot vorqualifiziert und notwendige quantitative Informationen vorbereitet, die dann Handlungs- und Entscheidungsgrundlage für die weitere Bearbeitung durch den Menschen sind. Die Bearbeitung unstrukturierter, komplexer und innovativer Aufgabenstellungen wie z.B. Beratungs- und Verkaufsgespräche für komplexe Produkte oder Dienstleistungen werden auch in nächster Zukunft sicherlich erst einmal die Kernkompetenz des Menschen bleiben.

Sind die deutschen Unternehmen im Bereich Customer Artificial Intelligence gut aufgestellt?

Die Anbieterseite ist stark von US-amerikanischen Unternehmen wie z.B. Salesforce und Pegasystems sowie u.a. Oracle und Microsoft dominiert, die ihre CRM-Lösungen mit entsprechenden analytischen KI-Komponenten aus dem eigenen Hause ergänzen. Als deutscher Anbieter bündelt SAP mit SAP Leonardo Machine Learning seine KI-Komponenten. Auf Spezialgebieten wie z.B. dem bereits oben genannten Dynamic Pricing oder Emotional Decoding sind auch Unternehmen aus dem deutschsprachigen Bereich vertreten. Eine besondere Herausforderung für gute KI-Lösungen im Bereich des maschinellen Lernens besteht darin, dass nicht nur ein guter Algorithmus entwickelt werden muss, sondern auch quantitativ und qualitativ gute Daten zum Anlernen vorhanden sein müssen. Nur die Kombination aus gutem Algorithmus und guten Daten führt zu einem guten KI-System. Daher spielen auch Lösungen von Unternehmen wie Google, Microsoft, Amazon oder Alibaba eine große Rolle, die neben der Fähigkeit gute Algorithmen zu konstruieren eben auch „Besitzer“ großer Datenmengen über deren Kunden sind. Diese Art von Unternehmen gibt es im deutschsprachigen Bereich in diesem Umfang nicht.

Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass Künstliche Intelligenz nur für größere Unternehmen sinnvoll einsetzbar und finanzierbar ist? Wie sehen Sie das?

Ein „sinnvoller“ Einsatz jeder Technologie, nicht nur der KI, begründet sich in der Regel durch ein vorteilhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu den bislang eingesetzten Verfahren. In der heutigen Zeit ist jedoch nicht nur auf die ökonomische Sichtweise abzustellen, sondern darüber hinaus sind auch die Dimensionen Ökologie und Soziales zu berücksichtigen.

Insofern kann man eine Sinnhaftigkeit des Einsatzes von KI-Technologien nur bedingt von der Größe eines Unternehmens abhängig machen. So kann der Einsatz von KI-Technologien in einem „kleinen“ Handelsunternehmen mit Online-Shop bei einer großen Anzahl von Geschäftstransaktionen und vielen Kunden durchaus sinnvoll sein.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr.-Ing. Andreas Schmidt vertritt das Lehrgebiet Wirtschaftsinformatik an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück und leitet das Kompetenzzentrum Kundenbeziehungsmanagement. Zuvor war Schmidt als Unternehmensberater, als Geschäftsführer des Sonderforschungsbereiches „Selbstoptimierende Systeme des Maschinenbaus“ am Heinz-Nixdorf-Institut der Universität Paderborn sowie als assoziierter Forscher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern tätig.

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