Wann ist Beratung wirksam – ein neues Buch liefert die Antworten dazu.

Beratung oder Consul­ting ist heute ein wich­ti­ger Be­reich der Dienst­leis­tungs­branche und ge­hört zum fes­ten Inven­tar bei der Ent­schei­dungs­vor­berei­tung und -legi­tima­tion im Management von Unter­neh­mern, Ver­wal­tun­gen und sons­ti­gen Or­gani­sa­tio­nen: Man erar­bei­tet neue Stra­te­gien und Hand­lungs­alter­nati­ven, ra­tio­nali­siert und fle­xibi­li­siert so­wohl die Orga­nisa­tion als auch Prozesse, um Kos­ten zu senken und die Profi­tabili­tät zu erhöhen. Beratung steht aber auch zum Teil in dem Ruf, keine ech­ten Ver­ände­run­gen bei den Kun­den gene­rie­ren zu können.

Prof. Dr. Dirk Bildhäuser
Prof. Dr. Dirk Bildhäuser

Prof. Dr. Dirk Bildhäuser, der Manage­ment und Con­sul­ting an der Hoch­schule Neu-Ulm lehrt und selbst als Unter­neh­mens­bera­ter tätig ist, hat vor die­sem Hin­ter­grund das Buch „Wirk­same Bera­tung. Ein inter­diszi­plinä­rer An­satz zwischen Anti­fragi­li­tät und Sys­tem­theorie“ ge­schrie­ben, das den Weg be­schreibt, wie Bera­tung als Dienst­leis­tung dauer­hafte Verän­de­rung zum Guten er­rei­chen kann. Der Ã¼bliche, eher mecha­nisti­sche An­satz wird dabei zu­guns­ten einer Bera­ter­haltung subs­titu­iert, die vor allem die von Ängs­ten und Wider­stän­den betrof­fenen Men­schen in den Unter­neh­men in den Mittel­punkt stellt – wir haben mit ihm ein kurzes Gespräch geführt.

Umschlagabbildung des Buches

Dirk Bildhäuser
Wirksame Beratung
Ein interdisziplinärer Ansatz zwischen Antifragilität und Systemtheorie

2023. 265 Seiten, 29 Abb. Kartoniert. € 42,–
ISBN 978-3-17-042980-2

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Warum hat die Berater­branche bei vielen einen so schlechten Ruf?

Es gibt in diesem Schau­spiel namens Bera­tung gegen­sei­tige Per­spek­tiven und Zu­schrei­bun­gen, die es häufig kaum er­mög­li­chen, aus die­sen Rollen auch aus­zu­brechen. Da sind ein­mal die Bera­terin­nen und Bera­ter, die ja nur des­halb in Unter­nehmen kommen, weil es irgendwo brennt. Das bedeu­tet, dass der Kunde aus bera­teri­scher Sicht zu­nächst ein­mal ein Defizit hat. Die Ar­beit der Bera­terin­nen und Berater wird ent­spre­chend pro­fessio­nell an einem „un­mün­di­gen“ Kunden durch­geführt. Hieraus resul­tie­ren er­war­tungs­gemäß Wider­stände, da ein Unter­nehmen sys­te­misch betrach­tet gute in­terne Gründe hat, die aktu­elle Situa­tion nicht zu verän­dern. Wenn dann vor allem die Füh­rungs­kräfte auf ent­spre­chende Maß­nah­men pochen, dient Bera­tung als Ventil für eine wach­sende Wider­stands­energie. Die Bera­terin­nen und Bera­ter haben dann aus Mit­arbei­ter­sicht „keine Ahnung von unserem Geschäft“ (was im Ãœbrigen stimmt) und ihr Geld ent­spre­chend nicht verdient.

Worin liegen die Unter­schiede zwi­schen klassi­scher und wirk­samer Beratung?

Die klas­sische Beratung setzt vor allem auf Op­timie­rung. Das ist häu­fig und zu­nächst einmal auch not­wen­dig, da manche Ge­schäfts­modelle ver­al­tet und nicht mehr zum Kunden hin aus­ge­rich­tet sind. Das wiede­rum kann daran liegen, dass das Management sich zu wenig mit den Verän­derun­gen in der Außen­welt aus­ein­ander­setzt sowie der Be­wälti­gung des Tages­ge­schäfts Vor­rang gibt. Man arbei­tet also ein­fach vor sich hin, bis die VUKA-Welt das unter­neh­me­rische Sys­tem zu einer Re­ak­tion he­raus­for­dert. Dann wird Be­ra­tung beauf­tragt, die zu schnel­len Er­fol­gen ver­pflich­tet wird. Es fehlt jedoch dabei die lang­fris­tige Per­spek­tive in dem Sinne, dass ein Unter­nehmen auch auf zu­künf­tige Ver­ände­run­gen gut vor­be­reitet ist. Es gilt daher, genü­gend Redun­dan­zen in das Sys­tem zu bringen sowie sys­temi­sche Auf­merk­sam­keit für die Ver­ände­run­gen in der Außen­welt zu in­stal­lieren. So etwas be­zeich­net man als künst­liche Stres­soren und ins­ge­samt als Gene­rie­rung von Anti­fra­gili­tät. Das Ã¼ber­setzt ist un­ter­nehme­rische Resi­lienz und damit das Er­geb­nis wirk­samer Beratung.

Was müss­ten klas­sische Bera­ter beim Kunden beachten?

Das richtige Setting wäre, dass Bera­te­rin­nen und Bera­ter nicht als Heils­brin­ger auf­tre­ten, son­dern eher als Unter­stüt­zer für Ver­ände­run­gen. Dies er­for­dert je­doch eine an­dere inne­re Hal­tung der klas­si­schen Bera­tung und das Ein­geständ­nis, dass der Kunde es tat­säch­lich selbst und viel besser weiß, wo und wie Ver­ände­rungen statt­finden sollen. Das ent­spricht eher dem Ver­ständ­nis eines Coaches o.ä. und steht damit auch im Wider­spruch zum Selbst­bild der großen Bera­tungs­unter­neh­men mit ih­rer Ge­schichte und ihren spezi­fi­schen, ver­meint­lich hilf­rei­chen Bera­tungs­tools, mit denen letzt­lich auch die hohen Rech­nun­gen be­grün­det werden. Wer wollte nicht ein­mal mit dem be­rühm­ten Di­agnose­tool von McKinsey ar­beiten?

Ökonomische Beratung ist also eine Tätig­keit für „All­rounder“, mit­nich­ten ein Tummel­platz küh­ler Op­timie­rer?

Ja. So könnte man das in etwa zusam­men­fassen. Ich denke auch, dass es die Un­ter­nehmens­seite mittler­weile ver­stan­den hat, dass sie mit der Ar­beit der klas­si­schen Bera­tung nicht mehr weit kommt. Die Kritik an die­sen Be­ra­tungs­häusern ist ent­spre­chend groß. Manche Auto­ren nehmen sogar schon den Begriff der „Bera­ter­dämme­rung“ in den Mund. Es sollte daher An­spruch sein, nicht nur beim Kunden Ver­ände­run­gen zu for­dern und zu ini­tiie­ren, sondern die Be­ra­tungs­branche muss bei sich selbst an­fan­gen und sich neu er­finden. Klassische Be­ra­tung braucht eine andere innere Hal­tung zu die­ser Dienst­leis­tung, sonst wird der Markt sie sub­sti­tuie­ren. Sei es durch Tech­no­logie wie künst­liche Intel­li­genz auf der einen Seite oder eben durch Be­rate­rin­nen und Bera­ter auf der ande­ren Seite, die das Prin­zip der wirk­samen Bera­tung be­reits prak­tizie­ren.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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