Für die Anfertigung einer Edition des ältesten Urbars des Klosters Amorbach ließe sich kaum jemand besseres vorstellen als Prof. Dr. Kurt Andermann. Mehrere Jahre lang war er Referatsleiter für die Altbestände im Generallandesarchiv Karlsruhe und forscht in der Hauptsache zur südwestdeutschen und vergleichenden Landesgeschichte sowie zur Verfassungs- und Sozialgeschichte des Mittelalters. In der Reihe „Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg“ ist nun seine Edition „Das älteste Urbar des Klosters Amorbach von 1395/97“ erschienen.
Ihr Buch präsentiert eine Edition des ältesten Urbars des Klosters Amorbach, das sich im hinteren Odenwald befindet und heute zum Bistum Würzburg gehört. Wie kam es zu der Edition?
Die Anregung zur Edition des ältesten Amorbacher Güterbuchs gab meine Arbeit an der Kreisbeschreibung des Neckar-Odenwald-Kreises (erschienen 1992), für die das Urbar eine Überlieferung von ganz zentraler Bedeutung war. Dass diese für die Geschichte des Hinteren Odenwalds und des baden-württembergischen Baulands so wichtige Quelle damals noch nicht im Druck verfügbar war, hat die Arbeit an der Kreisbeschreibung nicht eben erleichtert.
Was ist das Besondere an dem Urbar?
Das Amorbacher Urbar von 1395/97 gehört zwar nicht zu den großen alten klösterlichen Besitzaufzeichnungen (Lorsch, Weißenburg, Fulda etc.), aber es dokumentiert doch den gesamten Besitz des Klosters Amorbach um die Wende des 14. Jahrhunderts. Es ist nur in einem einzigen Exemplar überliefert. Seine Inhalte sind durch urkundliche Überlieferungen nicht zu ersetzen.
Das Urbar stammt aus dem Jahr 1395/97: Wie war es zu diesem Zeitpunkt um das Kloster bestellt und was war der Anlass für das Urbar?
Wie viele andere dergleichen Güterbücher entstand auch das Amorbacher Urbar zur Zeit einer Krise des Klosters, als man sich über den Güterbestand zu vergewissern und ihn für die Zukunft zu dokumentieren und abzusichern suchte – nicht allein nach außen, sondern auch wegen Rivalitäten zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb des Klosters.
Können Sie die formalen-materialen Eigenschaften des Urbars kurz beschreiben?
Das Amorbacher Urbar umfasst rund 280 Blätter, zumeist Pergament. Einzelne Blätter sind im Lauf der Jahrhunderte verloren gegangen, aber glücklicherweise halten sich die Verluste in recht engen Grenzen. Geschrieben wurde der Band 1395/97 im Wesentlichen von zwei Schreibern, die man allerdings nicht namentlich kennt. Vom 15. bis ins 17. Jahrhundert wurden nur noch einige wenige Nachträge vorgenommen. Der Einband datiert aus der Zeit um 1900, als man den Wert des Stücks endlich erkannte und sich seither um seine pflegliche Behandlung bemühte. Die Edition gibt nun die Möglichkeit, das kostbare Original vollends zu schonen, und sie erleichtert überdies Interessenten, die paläographisch weniger geübt sind, die Benutzung.
Welche weiteren Forschungsmöglichkeiten bietet Ihre Edition?
Obgleich die Eintragungen in diesem Güterbuch auf den ersten Blick sehr gleichförmig erscheinen, eröffnet das Amorbacher Urbar doch ein weites Spektrum von Forschungsperspektiven auf die spätmittelalterliche Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit Vergleichsmöglichkeiten weit über den eigentlichen Entstehungsraum hinaus. Und natürlich ist dieses Urbar von allergrößter Bedeutung für die fränkische – die Odenwälder und die Bauländer – Landes- und Heimatgeschichte. Hoffentlich wird es rege benutzt!
Herzlichen Dank für das Interview.
Dieses Interview führte schriftlich Charlotte Kempf.