Anlässlich des Erscheinens des Buches „Systemisches Coaching mit Schülerinnen und Schülern“ führten wir mit den Autoren Herrn Dr. Wiethoff und Frau Stolcis das folgende schriftliche Interview:
1. Liebe Frau Stolcis, lieber Herr Dr. Wiethoff, Lehrpersonen müssen im schulischen Alltag zahlreiche Aufgaben und Funktionen übernehmen: Warum sollen Lehrerinnen und Lehrer darüber hinaus die Aufgabe eines Coachs übernehmen?
Lehrpersonen beraten bzw. coachen Schülerinnen und Schüler täglich. Häufig geschieht dies jedoch mehr oder weniger bewusst, z. B. in sogenannten Tür-und-Angel-Gesprächen. Aus unserer Erfahrung lassen sich solche Gespräche mithilfe bestimmter Techniken und Phasierungen effizienter gestalten, als es im Schulalltag häufig üblich ist. Solche möglichen ,Schaltstellen‘ stellen wir in unserem Buch dar. Zudem zeigt sich in ersten Evaluationen unseres Lerncoachingprojekts, dass Schülerinnen und Schüler, die an Coachings teilgenommen haben, motivierter und fokussierter im Unterricht mitarbeiten und somit der Unterrichtsalltag entlastet werden kann.
2. Wie würden Sie Coaching definieren? Was sind zentrale Elemente des Coachingsprozesses?
Es geht darum, Schülerinnen und Schüler in ihren ganz individuellen Situationen im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ zielorientiert im Gespräch zu unterstützen. Dabei soll der Coachee darin gefördert werden, seine Situation aus neuen Perspektiven zu betrachten und so auch in eingefahrenen Situationen Wege zur Veränderung seiner Situation zu entwickeln.
3. Was kann eine Lehrerin/ein Lehrer tun, die/der sich im Konflikt sieht, weil sie/er auf der einen Seite Coach, auf der anderen Seite Lehrer ist, und in beiden Rollen mit dem Coachee zu tun hat?
Die Rolle als coachende Lehrperson bringt auf mehreren Ebenen Herausforderungen mit sich. Daher sollte sich der Coach zuallererst selbst mit der Frage auseinandersetzen, welche Aufgaben und welche Ansprüche diese beiden Rollen innehaben. Die teils unterschiedlichen Anforderungen müssen in einem zweiten Schritt mit dem Coachee, aber auch anderen beteiligten Personen transparent und offen kommuniziert werden.
4. Gibt es spezielle Anforderungen an den Ort, an dem Coach und Coachee sich treffen sollen?
Damit Schülerinnen und Schüler sich auf ein Coaching einlassen, sich dem Prozess gegenüber öffnen können, sollten sich die Räumlichkeiten möglichst klar von einer täglichen Unterrichtssituation abgrenzen. Hierbei hilft sicherlich ein gesonderter Raum, der sich optisch von üblichen Klassenzimmern abhebt.
5. Welche Vorteile bringt ein Folgegespräch, welches an einen Coachingprozess angeschlossen werden sollte?
Wir verstehen Coaching als einen kontinuierlichen Veränderungsprozess. Gerade im Umgang mit jugendlichen Schülerinnen und Schülern, die stetige Veränderungen auf unterschiedlichsten Ebenen durchleben, ist dies bedeutsam. Wenn wir unsere Coachees also für dauerhafte Veränderungen stärken wollen, erhöhen Folgegespräche die Wahrscheinlichkeit, dass Lösungsansätze etabliert werden. In solchen Gesprächen wird z. B. thematisiert, vor welchen Herausforderungen sich die Jugendlichen bei der Umsetzung ihrer Lösungsideen gesehen haben.