Die enorme Bedeutung der Pflege für Staat und Gesellschaft

Trotz ihrer herausragenden Relevanz befindet sich die Pflege in Deutschland in einer Problemspirale. Hauptursachen sind nach Ansicht der Autorinnen die fehlende Pflichterfüllung der Politik gegenüber der Pflege sowie die mangelnde Unterstützung durch die Gesellschaft. Unter der Prämisse, dass Pflege nicht nur systemrelevant, sondern vielmehr existenzrelevant ist, plädieren sie dafür, dass die Politik die Pflege entsprechend ihrer Relevanz aufbaut und regen an, welche Veränderungen dafür notwendig sind. Die beiden Autorinnen zeigen, wie sie selbst immer wieder mit den gleichen, für den Pflegeberuf typischen Schwierigkeiten konfrontiert wurden, aber diese überwinden konnten und machen damit auch anderen Pflegekräften Mut, für ihren Beruf und für ihre persönliche Entwicklung einzutreten.

Umschlagabbildung des BuchesNeu!

Birgit Ehrenfels/Annemarie Fajardo
Existenzrelevant!
Eine starke Pflege für Staat und Gesellschaft

2022. 214 Seiten. Kart. € 29,–
ISBN 978-3-17-042161-5

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Mit Ihrem Buch „Existenzrelevant!“ wollen Sie der Pflege eine Stimme geben. Warum ist es Ihnen wichtig, über den Pflegeberuf und insbesondere über die Pflegepraxis zu publizieren?

Birgit Ehrenfels
Birgit Ehrenfels

Allzu oft wird in den Medien in Talkshows, in Radiosendungen und schriftlichen Stellungnahmen in Zeitschriften mit sogenannten Experten/Expertinnen aus Politik und Gesundheitswesen über die berufliche Pflege gesprochen, aber die Pflegenden selbst kommen nur höchst selten zu Wort. Tatsächlich haben in den letzten Jahrzehnten die bisherigen Aktivitäten der Pflegenden, z. B. über die berufspolitische oder gewerkschaftliche Vertretung, und die bisherigen anonymen Wortmeldungen von einzelnen Pflegenden zu konkreten Vorfällen und zu den schlechten Arbeitsbedingungen, z. B. mit kurzen Beiträgen in Fernsehreportagen oder auch in einer Serie der Zeitschrift „Apothekenumschau“, keine entscheidenden positiven Veränderungen für den Pflegeberuf bewirkt. Da die Situation der professionellen Pflege in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hierzulande nicht zuletzt wegen der Coronapandemie nur noch als katastrophal bezeichnet werden kann und sich ohne Gegensteuern zwangsläufig weiter verschlimmern wird, wollen wir mit unserem Buch bei einem möglichst großen Teil der gesamten Bevölkerung, aber vor allem auch bei den verantwortlichen Politikern/Politikerinnen ein tieferes Verständnis sowohl für die Grundlagen des Pflegeberufes als auch für den Arbeitsalltag in der Pflege, für die bestehenden Probleme und für berufspolitische Zusammenhänge erzeugen. Zugleich wollen wir aber auch mit Stolz darstellen, welches Potenzial tatsächlich in diesem Beruf liegt und warum dieser Beruf eine so enorm große Bedeutung für unsere Gesellschaft hat. Denn in einem möglichst umfassenden Verständnis für diesen Beruf sehen wir die Voraussetzung für grundlegende und notwendige Veränderungen im Gesundheitssystem. Dafür wollen wir gerne in die längst überfällige Grundsatzdiskussion mit allen Beteiligten treten.

Die Bezeichnung systemrelevant halten Sie für den Pflegeberuf für unzureichend und legen großen Wert darauf, dass die Pflege existenzrelevant ist. Können Sie diese Unterscheidung bitte erläutern?

Annemarie Fajardo
Annemarie Fajardo

Jahrzehntelang stand die professionelle Pflege nie wegen ihrer originären Bedeutung im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Erst seit Beginn der Coronapandemie wird Pflege gern von Politikern/Politikerinnen als systemrelevant bezeichnet. Diese Bezeichnung systemrelevant wurde unserer Ansicht nach als rhetorischer Schachzug in politischen Reden verwendet, damit sich die Pflegenden pünktlich zur Krise wichtiger fühlen sollten. Sie sollten unter den plötzlich eingetretenen extremen Arbeitsbedingungen in der Krise durchhalten und nicht gleich aus dem Beruf ausscheiden. Die tatsächliche Bedeutung des Pflegeberufes liegt aber in der täglichen Arbeit mit und an Menschen, die professionelle Pflege und Unterstützung benötigen. Ihre Bedeutung entsteht folglich aus der eigentlichen Pflegetätigkeit heraus. Sie ist permanent vorhanden, nicht systemabhängig und nicht erst in einer Krise aktuell. Die Intention und Aufgabe des Pflegeberufes ist völlig unabhängig von einem politischen oder gesellschaftlichen System auf die gesundheitliche Versorgung, fürsorgliche Betreuung und heilende Berufsausübung ausgerichtet. Durch ihr grundsätzlich menschenfreundliches, empathisches und helfendes Wesen erleichtert und ermöglicht sie sogar sehr vielen einzelnen Menschen ihr Dasein. Diese durch alle Pflegenden in vielerlei Hinsicht erbrachte soziale Höchstleistung ist eine für die gesamte Bevölkerung existenziell wichtige Arbeit. Denn außer den pflegerischen Tätigkeiten, die für pflegebedürftige Menschen in der Regel besonders in kritischen Lebenslagen erbracht werden, die aber allen Menschen von der Geburt bis zum Tod zur Verfügung stehen, gehören ein außerordentlich hohes Maß an sozialer Verantwortung, die Förderung des sozialen Miteinanders sowie der Grundpfeiler unserer Demokratie, nämlich die Beachtung der Menschenwürde, zur professionellen Pflege. Außerdem ist professionelle Pflege nie auf den Status quo beschränkt, sondern berücksichtigt immer prospektiv mögliche Veränderungen, Risiken und Chancen. Das alles hat für die gesamte Gesellschaft höchste Bedeutung und macht professionelle Pflege für sie unverzichtbar, macht sie existenzrelevant.

Können Sie das mit Beispielen aus der Berufspraxis erläutern?

Nehmen wir z.B. den Extremfall der Reanimation: Wenn plötzlich eine lebensgefährliche Situation eintritt, kann die Pflegeperson dies erkennen und sofort die richtigen Maßnahmen einleiten. Wir können auch z.B. über das existenziell notwendige Verabreichen von Getränken, von Nahrung und von lebensnotwendigen Medikamenten sprechen, auch in Form von Infusionen, ohne die Menschen zu Schaden kommen bzw. schlimmstenfalls nicht überleben. Ein anderes Beispiel ist die Einhaltung von Hygienestandards, angefangen bei der täglichen Körperpflege bis zum Verbandswechsel. Fehlende Hygiene führt zu psychischem Unbehagen, im Verlauf auch zu Schmerzen und im schlimmsten Fall zu schwerwiegenden Infektionen bis zum Tod. Wir können ferner über menschliche Zuwendung sprechen, über Trost spenden, über Beratungen und den Einsatz von Hilfsmitteln, die vielen Menschen die Existenz erleichtern oder für viele Menschen geradezu existenziell notwendig sind, weil sie sonst völlig hilflos sind, ganz allein sind, vereinsamen und daran in der Folge auch versterben können. Dann können wir über vorausschauende Pflege sprechen, über Gesundheitsprävention, auch über einzelne Prophylaxen, z.B. Pneumonie-, Kontraktur-, Sturz- und Dekubitusprophylaxe, die schwerere Krankheitsverläufe verhindern und damit einzelne Menschen vor weiteren physischen und psychischen Belastungen sowie vor höheren finanziellen Kosten bewahren. Wir können darüber sprechen, dass beruflich Pflegende sich jedes Menschen annehmen, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder Erkrankung, und dadurch die menschliche Existenz in jeder Form gleichermaßen schützen und unterstützen. Zuletzt sprechen wir dann noch darüber, dass professionell Pflegende in besonderen Bereichen dort arbeiten, wo andere keinen Zutritt haben, z.B. auf Infektionsstationen, in der Psychiatrie, in Intensivbereichen oder in der Palliativpflege. Das sind einige praktische Beispiele direkt aus der Pflegearbeit heraus, die noch um viele weitere ergänzt werden können.

Welche Stärken der Pflege sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig und werden vielleicht zu wenig beachtet?

Es geht weniger darum, dass die Stärken zu wenig oder teilweise nicht beachtet werden, sondern vielmehr darum, dass sie anscheinend überhaupt nicht bekannt sind. Sonst hätten die Rahmenbedingungen für die Ausübung des Pflegeberufes schon längst deutlich verbessert und den Pflegenden dadurch eine qualitativ gute Berufsausübung ermöglicht werden müssen. Beachtung findet der Pflegeberuf wohl deshalb wenig, weil er fälschlicherweise oft für simpel und für selbstverständlich gehalten wird. Wir glauben, dass diese Ansicht hauptsächlich durch Unkenntnis über die tatsächliche Komplexität der Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf entsteht. Denkbar sind aber auch andere Ursachen, z.B. Desinteresse oder das bewusste Bagatellisieren der Probleme um die Pflege. In Wahrheit ist der Pflegeberuf deshalb sehr komplex, weil der Gegenstand der Pflege, nämlich der Mensch, ein sehr komplexes Wesen ist und seine Lebensbedingungen immer komplexer werden. Das erfordert eine entsprechend immer anspruchsvollere professionelle Pflege, die die Pflegebedürftigen unserer Gesellschaft dauerhaft unterstützt und begleitet. Zudem stehen alle Gesellschaften vor immer mehr existentiellen Bedrohungen z.B. durch vermehrte Umweltkatastrophen, Ressourcenmangel oder Pandemien. Pflege wird bei der Bewältigung dieser Probleme eine immer größere Rolle spielen.

Und welche Stärken sind jetzt besonders wichtig für die Pflege?

Im Berufsalltag, also in der Ausübung des Pflegeberufes, kommen in Anhängigkeit von den jeweiligen Pflegebedürftigen und je nach konkreter Pflegesituation verschiedene Stärken der Pflegenden in unterschiedlicher Ausprägung zum Tragen. Immer notwendig und grundlegend ist die menschenfreundliche, zugewandte Haltung, verbunden mit dem Mut zur sozialen Verantwortungsübernahme und zur Selbstreflexion über die Pflegesituation und über das Erfüllen der Ansprüche, die an die pflegende Person gestellt werden. Hier müssen die Pflegenden immer abwägen, was notwendig ist, was sie leisten können und was eben nicht mehr geleistet werden kann, geleistet werden muss oder geleistet werden darf. Für dieses permanente Abwägen ist ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein gepaart mit hoher Fachkompetenz erforderlich. Das ständige Hinterfragen der eigenen Arbeit, der eigenen Grenzen und Möglichkeiten ist sehr anstrengend. Für die Bewältigung der vielen intrapersonellen Abläufe und der interpersonellen Beziehungsarbeit ist ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen, Empathie, Geduld, Toleranz, aber auch persönliche Stabilität, Belastbarkeit und Kongruenz, also Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, auch zu sich selbst, nötig. Kompetente Pflege erfordert deshalb nicht nur möglichst viel Fachkenntnis, sondern auch eine möglichst reife und reflektierte Persönlichkeit.

In Ihrem Buch „Existenzrelevant!“ beschreiben Sie, dass sich die Pflege in Deutschland in einer Problemspirale befindet. Wie sieht diese Problemspirale aus und wo liegen nun die Gefahren?

Der letzte Negativschub wurde dem Pflegeberuf Mitte/Ende der 1990er Jahre mit dem Primat der Wirtschaftlichkeit verpasst. Es kam zu vielen Privatisierungen und zu einer Neuorientierung im Gesundheitswesen, nämlich dem Streben nach Gewinnmaximierung, und dadurch zu hohen Einsparungen im Gesundheits- und Pflegesektor. Alle Arbeitgebenden wollten dort sparen, wo die höchsten Kosten verursacht wurden, nämlich beim Personal. Die rapide schrumpfende Anzahl an Pflegenden bei einer gleichzeitig stetig steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen führte zu ständig steigendem Zeitdruck, damit zu weniger zwischenmenschlicher Beziehung, weniger Zuwendung und weniger Ganzheitlichkeit in der Versorgung. All das bedingte einen deutlichen Werteverlust und erhöhte bei den Pflegenden den Stress aufgrund von Zeitdruck, wachsender Unzufriedenheit und Frust. Dadurch entstanden vermehrt Qualitätsmängel, die wiederum zu einem schlechten Ausbildungsniveau und zu schlechter Versorgungsqualität führten. Das wiederum machte den Pflegeberuf unattraktiv und brachte ihn auch in Verruf. Immer weniger Menschen wollen heutzutage den Pflegeberuf ergreifen, geschweige denn, ihn ein ganzes Arbeitsleben bis zur Rente ausüben. Die verbleibenden Pflegenden müssen immer schneller arbeiten, werden zu oberflächlichem Arbeiten gezwungen, werden immer schneller verbraucht und immer unzufriedener. Diese Spirale dreht sich immer schneller und wir bewegen uns als Gesellschaft immer schneller auf einen massiven Kollaps in der pflegerischen Versorgung zu. Das Drama um den Pflegeberuf wirkt sich aber auch in anderer Hinsicht auf die Gesellschaft aus, nämlich auf den sozialen Zusammenhalt untereinander, auf die Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme aller Menschen, auf ihre Toleranz zueinander, auf die Bereitschaft zur Solidarität, auf ihr gesamtes Wohlbefinden und nicht zuletzt auf ihr Vertrauen in die Politik, wenn grundlegende Werte in unserer Gesellschaft nicht mehr eingehalten werden können, wenn der Schutz und die Würde der Menschen mit Füßen getreten werden, und zwar sowohl der Schutz und die Würde der Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden.

Mit Ihrem Buch richten Sie sich sowohl an die Politik als auch an die gesamte Gesellschaft. Was genau muss die Politik verändern, um die Pflege auf einen guten Weg zu bringen?

Zunächst ist es Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Pflegeberuf seiner Intention und seinen Inhalten entsprechend ausgeübt werden kann. Das Gesundheitssystem muss so umgestaltet werden, dass der hohe ethisch-soziale Anspruch, der mit der professionellen Pflege verbunden ist, auch im Arbeitsalltag erfüllt werden kann. Nur dann kommen ausreichend viele sozial engagierte Menschen in diesen Beruf, bleiben auch ein ganzes Berufsleben dort und arbeiten mit Freude und Zufriedenheit. Nur dann bleiben sie auch psychisch gesund, fühlen sich nicht permanent moralisch im Zwiespalt und ein gewaltiger Stressfaktor ist von ihnen genommen. Die Akademisierung der Pflegenden muss deshalb mit allen Kräften vorangetrieben werden, denn nur sehr gut ausgebildete Pflegekräfte können dem Berufsbild der professionellen Pflege auch entsprechen, können auch schwierige Pflegesituationen unter Anwendung ihres Wissens meistern und können den Beruf den wachsenden Anforderungen entsprechend weiterentwickeln. Das sind schon mal zwei Grundvoraussetzungen. Ferner müsste vor allem der wirtschaftliche bzw. der finanzielle Druck von den Gesundheitsbetrieben genommen werden: bei den Krankenhäusern müssen z.B. zur Versorgung notwendige personelle, bauliche und therapeutische Investitionen unterstützt und die Interprofessionalität viel stärker gefördert werden, um bei den Berufsgruppen ein gutes Miteinander auf Augenhöhe zu schaffen. Bei den ambulanten Pflegediensten müssten z. B. Betriebsgründungen und Personalweiterbildungen stark gefördert werden, außerdem müssen Verantwortungsübernahme und Pflegetätigkeiten gerecht und bundesweit gleich entlohnt werden. Die Gesundheitsversorgung und Daseinsvorsorge für die Bevölkerung insgesamt muss weitestgehend in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Sparen kann der Staat an anderen Stellen, dafür gibt es genügend Beispiele. Pflegende müssen geschützt werden, d.h. die Arbeitsbedingungen müssen so kontrolliert werden, dass kein Missbrauch von Pflegepersonal möglich ist, dass also die Dienstpläne eingehalten werden und nur die vorgeschriebenen Dienste geleistet werden, dass keine immensen Überstunden aufgebaut werden, dass Dienstfrei, Urlaube und freie Wochenenden eingehalten werden. Aber auch, dass immer genügend Fachpersonal vor Ort ist und dass Hilfskräfte oder Auszubildende nicht allein in den Diensten sind. Ähnlich dem Schutz der Patienten/Patientinnen, der aus gutem Grund auch immer weiter ausgebaut und kontrolliert wird. Grundsätzlich muss die Entlohnung auch der Entlohnung anderer akademischer Berufe angeglichen und dahingehend erhöht werden.

Zuletzt muss die Selbstverwaltung der Profession Pflege durch die Politik vorangetrieben und auch gegen Widerstände durchgesetzt werden, damit endlich eine politische Interessenvertretung der Pflegenden in allen entscheidenden Gremien stattfindet und eine Mitbestimmung der Pflegenden in der gleichen Weise möglich ist, wie sie anderen Akteuren des Gesundheitswesens schon seit Jahrzehnten eingeräumt ist. Nur die Selbstverwaltung kann Pflege dauerhaft als Berufsstand etablieren, nur durch eine entsprechende gesetzliche Verankerung kann allen Pflegenden ihr beruflicher Status als Heilberuf mit Vorbehaltstätigkeiten gesichert und die Weiterentwicklung des Pflegeberufes bezüglich seiner Ausbildung, Eigenständigkeit und Selbstkontrolle vorangebracht werden. Bei der zunehmend komplexeren Versorgungslage liegt das im Interesse der gesamten Gesellschaft.

Wir sind darüber hinaus der festen Überzeugung, dass Pflege innerhalb der Gesellschaft ein zentraler Platz eingeräumt werden muss in dem Sinne, dass grundsätzliche Kenntnisse der Pflege und Gesundheitssicherung schon in den allgemeinbildenden Schulen vermittelt werden müssen. Das ist enorm wichtig für die Selbstkompetenz der Kinder und Jugendlichen, für ihre spätere gesunde Entwicklung und für eine gesunde Entwicklung der Gesellschaft.

Inwieweit sehen Sie die Gesellschaft in der Verpflichtung, den Pflegeberuf zu unterstützen? Gibt es etwas, was jeder Einzelne tun kann, um der Pflege als Berufsstand zu helfen und um unsere pflegerische Versorgung zu sichern?

Wahrscheinlich erleben zunehmend mehr Menschen in unserem Land, dass sie als Angehörige oder sogar als Nachbarn bei der pflegerischen Versorgung einspringen müssen. Wahrscheinlich erleben auch viele, dass das am Ende ihnen selbst schadet, indem die eigene Gesundheit und/oder die eigene Lebensqualität darunter leiden. Denn auch Laienpflegende müssen viel Zeit für die Pflege aufwenden, sich mit vielen Sorgen belasten und sind als Laien doch immer in der Ungewissheit, ob sie alles richtig machen und ihr Handeln auch verantworten können. Zwar werden diverse Pflegekurse angeboten, aber diese können eine grundständige professionelle Pflegeausbildung nicht ersetzen. Häufig wird Laienpflege bereits aus Not durchgeführt, weil keine professionelle Pflege verfügbar ist, weil kein Platz in einer Pflegeeinrichtung frei ist oder weil die Geldmittel für eine professionelle Versorgung fehlen. Das ist bezeichnend für die schlechte Versorgungslage, in der sich unser Land bereits befindet. Umso wichtiger ist, dass die Mitglieder jeder Gesellschaft gegenüber den politisch Verantwortlichen deutlich machen, wie wichtig ihnen professionelle Pflege ist, dass sie diesen Berufsstand für die Gesunderhaltung und für die soziale Entwicklung der Bevölkerung als grundlegend erachten und dass sie auch in Zukunft eine möglichst gute pflegerische Versorgung wollen. Sie müssen gegenüber der Politik deutlich machen, dass sie darauf großen Wert legen und dass sie die professionelle Pflege nicht nur heute und punktuell, sondern grundsätzlich als sehr wertvoll ansehen. Der deutlich geäußerte Bürgerwille und eine standfeste Haltung der Bevölkerung sollten die Politik schon dazu veranlassen, mehr für das Allgemeinwohl zu tun als bisher. Das erleben wir z. B. inzwischen über alle sozialen Schichten hinweg seit einigen Jahren bei „Fridays for future“, wo die Bevölkerung gegenüber der Politik regelmäßig deutlich zeigt, wie wichtig ihr Klima- und Umweltschutz ist und dass sie von der Politik diesbezüglich mehr erwartet. Natürlich kann sich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten auch für die professionelle Pflege weiter engagieren, sei es ehrenamtlich, sei es politisch, sei es als Privatmensch, sei es als Vereinsmitglied. Da gibt es diverse Möglichkeiten für Eigeninitiative und Mitbestimmung im engeren Umkreis. Vielleicht beschäftigen sich viele Bürger/Bürgerinnen selbst erst mal intensiver mit dem Thema Pflege und Gesundheit und finden einen Standpunkt für sich selbst, der sie zu mehr Engagement veranlasst.

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