Jungs, wir schaffen das
In unserer sich ständig weiterentwickelnden Gesellschaft ist die Frage nach der Rolle des Mannes und was es heute bedeutet, ein Mann zu sein, relevanter denn je. Gewalt, Krieg und Klimakrise, oft als Folgen toxischer Männlichkeitsnormen angesehen, prägen das beklemmende Grundgefühl unserer Zeit. Doch wie können wir dies ändern? Wie kann das moderne Mannsein nachhaltig definiert werden?
Markus Theunert greift für sein neues Buch auf Erkenntnisse aus der Geschlechterforschung und Männerarbeit zurück und macht diese mit Humor und Sachverstand für jeden zugänglich. Im Interview gibt er einen Einblick in zentrale Themen.

(Foto: Ruben Wyttenbach Photography)
Herr Theunert, wie gelingt es Männern heutzutage, einen guten Umgang mit den veränderten Rollenerwartungen und Ansprüchen zu finden?
Ganz unterschiedlich. Das Problem ist: Die moderneren Männlichkeitsnormen – sei einfühlsamer Gesprächspartner, teamorientierter Mitarbeiter, engagierter Papa, sensibler Liebhaber! – haben das alte Ideal vom allzeit leistungsfähigen „Ernährermann“ nicht abgelöst. Sie kommen einfach obendrauf. Das passt nicht zusammen und erzeugt daher massiv Spannung. Manche Männer nehmen die Herausforderung an und suchen nach einem balancierten dritten Weg. Viele verharren aber auch in einer Art Schockstarre. Wieder andere gehen in den offenen Widerstand und bekämpfen Frauenemanzipation und den vermeintlichen „Gender-Wahnsinn“. Wir stehen als Gesellschaft in einer entwicklungsoffenen Übergangssituation. Es kann auf beide Seiten kippen.
Weshalb sind bestehende Klischees so wirkmächtig und welchen Beitrag kann die Gesellschaft leisten, um ein differenziertes Bild von Männlichkeit zu etablieren?
Geschlecht ist nun mal eine ganz grundlegende gesellschaftliche Ordnungskategorie. Mit zwei oder drei Jahren „wissen“ Kinder nicht nur, dass es Jungs und Mädchen gibt. Sie haben bereits klare Vorstellungen, was ein „richtiger Junge“ und ein „richtiges Mädchen“ zu tun und zu lassen haben. Das gräbt sich tief ins Bewusstsein, so dass es sich irgendwann nicht nur als normal, sondern als naturgegeben anfühlt – obwohl es das natürlich nicht ist. Geschlecht ist gestaltbar. Männlichkeit ist gestaltbar. Das ist eine der Grundaussagen meines Buches.
Inwiefern beeinflussen aus Ihrer Sicht traditionelle Männlichkeitsnormen die Krisen unserer Zeit?
Ganz direkt. Das „Patriarchat“ beschreibt ja nicht bloß eine Herrschaft der Männer, sondern die Herrschaft einer männlich geprägten Weltordnung. Die Vorstellung, es sei normal, unausweichlich und deshalb legitim, sich selbst, andere und die natürlichen Lebensgrundlagen auszubeuten: Das ist das Fundament, das sich Patriarchat und Kapitalismus teilen. Dies hat viel Fortschritt und Wohlstand ermöglicht – und unseren Planeten an den Rand des Abgrunds geführt.
Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der unsere Zeit prägt. Was bedeutet er im Kontext von „Mannsein“?
Männer lernen bis heute: Die Welt ist für uns gemacht, sie dreht sich um uns. Doch dieses Privileg ist unsichtbar. Deshalb erleben sie Männlichkeitskritik und die Aufforderung nach Privilegienreflexion als ungehörigen Angriff. Nachhaltiges Mannsein beginnt damit, diese Dynamik zu durchschauen. Mein Buch liefert für den weiteren Weg keine Landkarte, sondern einen Kompass. Wir wollen ja nicht einfach alte durch neue Normen ersetzen. Wir wollen Trittsicherheit vermitteln beim Finden des eigenen Wegs.
Markus Theunert
Jungs, wir schaffen das
Ein Kompass für Männer von heute
2023. 252 Seiten mit 11 Abb. Kart.
€ 29,–
ISBN 978-3-17-042786-0