Sie verstehen die Arbeit mit Metaphern nicht als neue TherapieÂmethode, sondern möchten dazu anregen, stärker auf die bildÂhafte Sprache der Klientinnen und Klienten zu achten und sich diese in Therapie, Coaching und Beratung zunutze zu machen. Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Metaphern sind nicht nur eine BesonderÂheit der Sprache, sondern wir leben in Metaphern. Diese Annahme geht zurück auf die MetapherÂtheorie von Lakoff und Johnson, die sie erstmals 1981 in ihrem wegÂweisenden Buch „Leben in Metaphern“ darstellten. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie diese ErkenntÂnisse Eingang in PsychotÂherapie, Beratung und Coaching finden können. Metaphern beeinÂflussen nämlich die Art und Weise, wie wir über einen SachÂverhalt nachdenken, welche Emotionen dabei wirksam werden, unsere EinstelÂlungen und welche HandlungsÂmöglichÂkeiten wir wahrnehmen. Wenn z. B. ein Klient formuliert „Mein Alltag ist ein großer, steiler Berg. Ich weiß nicht, wie ich ihn bewälÂtigen soll“, so bekommt man als TheraÂpeut, Berater oder Coach einen EinÂdruck, wie sich das ProbÂlem aus Sicht des Klienten darstellt. Er überträgt EigenÂschaften von der QuelldÂomäne Berg auf seinen probleÂmatischen Alltag (groß, steil, wirkt nicht zu bewältigen, Ratlosigkeit). KlientenÂgenerierte Metaphern geben somit wertÂvolle diagnosÂtische Hinweise auf die ErlebensÂwelt der Klienten. Zum anderen finden sich in solchen MetaÂphern oft ungeÂnutzte Bereiche, die Ressourcen enthalten und die für eine VeränÂderungsÂarbeit genutzt werden können. So gibt es mehrere MöglichÂkeiten auf einen BergÂgipfel zu gelangen, was mit dem Klienten dann interÂaktiv entwickelt werden kann. Eventuell können seine eigenen ErfahÂrungen mit der BesteiÂgung eines Berges erfragt werden. So ist es möglich, im Gespräch schnell von einer Problem- zu einer RessourcenÂorientierung zu kommen und somit zu veränÂderten Gedanken, Einstellungen, Emotionen hinsichtÂlich des Problems und optimalerÂweise auch zu lösungsÂorientierten HandÂlungsÂstrategien, die vorher nicht bewusst wahrÂgenommen wurden.
Worin unterscheiden sich patienten- von theraÂpeutenÂgenerierten MetaÂphern und welche Effekte lösen sie aus?
PatientenÂgenerierte MetaÂphern werden im Gespräch von Patienten formuliert. BedeutÂsam sind diese, wenn sie sich z. B. selbst damit beschreiben, das soziale Umfeld oder ihre ProblemÂsicht. Greift der TheraÂpeut dann so eine Metapher auf, exploriert er sie gemeinÂsam mit seinem GegenÂüber, setzt er direkt am Erleben des Patienten an. Er holt den Patienten ab und spricht die gleiche Sprache. Das fördert natürlich die Beziehung. Der Patient fühlt sich verstanden und ernst genommen. Der Therapeut hat zudem durch die Beachtung patientenÂgenerierter Metaphern einen diaÂgnosÂtischen MehrÂwert. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass in erfolgreichen Therapien der Anteil der von Patient und Therapeut gemeinsam genutzten MetaÂphern höher ist.
Mit Hilfe von therapeutenÂgenerierten Metaphern kann der Therapeut dagegen unmittelÂbar seine Sicht der Dinge vermitteln und so einen PerspektivÂwechsel oder ein Reframing des Problems anregen. Nutzt er MetaÂphern, deren Träger Geschichten sein können, kann er ReakÂtanz und WiderÂstände beim Patienten umgehen. TherapeutenÂgenerierte Metaphern sind zudem unverÂzichtbar, um Patienten abstrakte theoÂretische KonÂzepte anschaulich zu vermitteln und somit begreifÂbar zu machen. Ein weiterer Vorteil, den die Arbeit mit MetaÂphern bietet, ist, dass Metaphern besser erinnert werden, da bei ihrer Kodierung verbal assoziative Prozesse, bildÂliche VorÂstellung und emoÂtionale Prozesse wirksam werden, die zu einer tieferen VerarÂbeitung im GedächtÂnis beitragen. Das gilt dann für beide ForÂmen des Metaphergebrauchs.
Welche HerausÂforderungen gibt es bei der Arbeit mit patientenÂgenerierten Metaphern und worauf ist besonÂders zu achten?
Lassen Sie mich diese Frage metaÂphorisch beantworten. Sie befinden sich mit Ihrem GegenÂüber in einem Boot, das auf dem GesprächsÂfluss mit der StröÂmung treibt. Mal gibt es ruhigere Phasen, in denen das Boot langÂsam und träge dahinÂgleitet, mal wird der Strom reißender. Ihre AufÂgabe ist es, das Boot im GesprächsÂfluss zu steuern und zu manövrieren, mögÂlichst zu verhindern, dass es kentert oder an einem Felsen leckÂschlägt. Das erforÂdert eine gewisse KonzenÂtration, AufmerkÂsamkeit und ExperÂtise. Es bedarf nun einer besonÂderen, zusätzÂlichen AchtÂsamkeit, auch den Grund des Flusses im Auge zu behalten. Ab und zu glitzert dort nämlich ein EdelÂstein auf. Den können Sie nur ergreifen, wenn Sie ihn auch bemerken. Nicht jeden EdelÂstein auf dem Grund des Flusses werden Sie heben, manchÂmal ist die Strömung einfach zu stark, der Fluss zu tief oder das Wasser zu trübe. Und mancher Stein, der auf dem Grund des Flusses blinkt, erweist sich nach dem HerausÂholen als einÂfacher Kieselstein, den Sie dem Fluss zurückÂgeben können. Wenn Sie jedoch einmal einen EdelÂstein erwischt haben, dann können Sie ihn gemeinÂsam mit Ihrem GegenÂüber betrachÂten und bestimmen, herausÂfinden, was er Ihrem GegenÂüber bedeutet. Es ist zunächst ein gemeinÂsamer Wert, auf den Sie beide achtÂgeben. Der Stein kann gemeinÂsam bearbeiÂtet und geschlifÂfen werden. Die Form des Steins und die Art und Weise, wie er das Licht bricht, wird sich dadurch woÂmöglich veränÂdern und am Ende der BootsÂfahrt kann Ihr GegenÂüber diesen Stein mit nach Hause nehmen und manchÂmal hat die Bootsfahrt, der Fund und die BearÂbeitung des EdelÂsteins ihn veränÂdert und es kann sich noch lange an dem Juwel erfreuen.
Wichtig ist zudem als TheraÂpeut, Berater oder Coach, nicht davon auszuÂgehen bei einer Metapher sofort zu wissen, was das GegenÂüber von der QuellÂdomäne auf das Problem überÂträgt. Es ist unerÂlässlich, gemeinÂsam das Bild der Metapher zu exploÂrieren und kognitive, emotionale, physioÂlogische Aspekte sowie HandlungsÂentwürfe herausÂzuarbeiten. In einem nächsten Schritt können dann gemeinÂsam Ressourcen in der Metapher gesucht werden, welche der Patient bisher nicht erkannt hat und auf das Problem überÂtragen werden. Finden sich in der ursprüngÂlichen Metapher keine Ressourcen, kann ein MetapherÂwechsel angeregt werden. Der Prozess der Exploration und der RessourcenÂsuche erfolgt mit der Methode der Imagination.
Neben Metaphern bringen Sie auch Geschichten oder AnekÂdoten in die Therapie, das Coaching ein. Wo sind die Unterschiede?
Geschichten und AnekÂdoten sind keine Metaphern per se, sondern ErzählÂformen. GeschichÂten können jedoch Metaphern auf unterÂschiedÂlichen Ebenen enthalten. Das Erzählen von GeschichÂten ist zentral in der EvoÂlution der MenschÂheit und GeschichÂten sind somit ein Speicher der Kultur. Werte und Normen werden durch sie überÂmittelt und an die nächste GeneÂration weiterÂgegeben. Deshalb ist es nicht überÂraschend, dass Geschichten auch in der profesÂsionellen Arbeit mit Menschen eine Rolle spielen. Geschichten sind permisÂsiver als direkte InstrukÂtionen und können mehrÂdeutig interÂpretiert werden. So können VeränderungsÂvorschläge des Therapeuten elegant verpackt werden. Der Patient hört die Geschichte und erhält die FreiÂheit sich das auswählen und auf sein Problem überÂtragen, was ihn anspricht und kann den Rest ignorieren. Das ist dann wenig konÂfrontativ und WiderÂstände können umgangen werden.
Anekdoten geben eine besonÂdere oder charakteÂristische BegebenÂheit im Leben einer Person wieder, die aufs wesentÂliche reduziert ist und eine Pointe erhält. Ich nutze oft authenÂtische Geschichten aus meinem persönÂlichen ErfahrungsÂbereich, z. B. aus anderen Therapien oder Coachings. AnekÂdoten schaffen einen schnellen Zugang zum ErfahrungsÂbereich des Patienten oder Klienten indem sie direkt an seinen Themen anknüpfen, wodurch das Erzählte nachÂvollziehÂbar wird und gut auf eigene ErfahÂrungen überÂtragbar ist.
Metaphern werden im Allgemeinen im Bereich der sprachlichen KommuniÂkation verortet. Was sind HandlungsÂmetaphern?
In der therapeutischen oder beraÂterischen KommuniÂkation spielen sich Metaphern auf einer mentalen Ebene ab. Durch das ÃœberÂtragen von gewissen MerkÂmalen einer QuellÂdomäne auf eine Zieldomäne, die im theraÂpeutischen Bereich oft eine probleÂmatische Situation des Patienten darstellt, wird das Problem in Begriffen der QuellÂdomäne beschrieben. HandlungsÂmetaphern spielen sich nicht nur auf der mentalen Ebene ab, es erfolgt vielmehr eine InszeÂnierung der Metapher. Viele TherapieÂverfahren folgen diesem Prinzip, obwohl der metaÂphorische Prozess als WirkÂvariable selten explizit genannt wird. Meiner Meinung nach spielt die Metapher in der Kunst- und GestaltungsÂtherapie, der MusikÂtherapie, der BewegungsÂtherapie, der HippoÂtherapie und anderen handlungsÂorientierÂten TherapieÂverfahren eine wichtige Rolle. So werden vom Patienten gemalte Bilder im HinÂblick auf deren LebensÂsituation überÂtragen und gedeutet. Eine FamilienÂaufstellung kann ebenfalls als Metapher gesehen werden. Die Aufstellung steht für die probleÂmatische Situation des Patienten und sie kann die Struktur seines FamilienÂsystems metaÂphorisch mit Stellvertretern darstellen. Der Abstand und der BlickÂkontakt der StellÂvertreter sind AusÂdruck der Beziehungen von Personen im System des Patienten und sie können ihre Eindrücke und EmpfinÂdungen mitteilen. Der Patient überträgt schließÂlich die ErkenntÂnisse aus dieser Aufstellung auf sein reales BeziehungsÂgeflecht und kann dieses dadurch in einem neuen Licht sehen. Auch das PsychoÂdrama nutzt szenische Elemente metaÂphorisch, indem der ProtaÂgonist einen Raum, eine Bühne bekommt und dabei die Erlaubnis erhält, seine LebensÂgeschichte oder Aspekte davon in Szene zu setzen, wobei er andere MitÂglieder der Gruppe auf die Bühne holen kann. So können metaÂphorisch Wünsche, PhantaÂsien oder Probleme dargestellt werden.
Sie bezeichnen Metaphern als Suggestionen. Was hat es damit auf sich?
Im Falle einer Suggestion beeinflusst eine Person eine andere über verbale oder non-verbale KommuniÂkation und/oder KontextÂfaktoren. Die BeeinÂflussung kann willentÂlich oder unwillentÂlich erfolgen in einer Weise, dass diese Person IntenÂtionen, ÃœberÂzeugungen, Gefühle oder Wünsche des Suggestors übernimmt. Die BeeinÂflussung muss dabei auf der autoÂmatischen AktivieÂrung von BedeuÂtungsstrukÂturen beruhen, so dass sich der Suggestand einer BeeinÂflussung nicht bewusst ist. Beim Rezipieren von Metaphern werden Konzepte automatisch aktiviert und Prozesse der ÃœberÂtragung, aber auch Hemmung der ÃœberÂtragung von MerkÂmalen der QuellÂdomäne auf die Zieldomäne vollziehen sich außerÂhalb der bewussten Kontrolle. So kommt es dann, dass eine Metapher wie die FlüchtlingsÂflut, EigenÂschaften, die mit der QuellÂdomäne Flut verbunden werden (Ängste um das eigene Leben oder den Verlust von Besitz, das Gefühl von BedroÂhung und eigener HilfÂlosigkeit, der HandlungsÂimpuls, sich vor der Flut zu schützen, etwa durch den Bau von Dämmen, welche die Flut abhalten), auf die ZielÂdomäne, den Zuzug von FlüchtÂlingen, überträgt. In diesem Beispiel sind das vor allem emotionale KompoÂnenten, aber der HandlungsÂimpuls, sich durch Dämme vor der Flut zu schützen, findet seine EntspreÂchung im Bau von GrenzÂzäunen, um Flüchtlinge vom Zuzug abzuhalten, wie es beispielsÂweise in Ungarn, Polen und den USA bereits geschehen ist. NatürÂlich können wir einer Metapher bewusste AufmerkÂsamkeit zuwenden und sie analyÂsieren, aber selbst dann können wir den metaÂphorischen Prozess nicht verhindern. Der suggesÂtive Aspekt der Metapher kann in Therapie, BeraÂtung und Coaching genutzt werden, allerdings unter einem ethischen GesichtsÂpunkt, im Sinne von gemeinsam formuÂlierten Veränderungszielen.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Mühe!
Clemens Krause
Sprechen in Bildern
Arbeit mit Metaphern in Psychotherapie, Beratung und Coaching
2023. 168 Seiten mit 7 Abb. und 8 Tab. Kart.
€ 34,–
ISBN 978-3-17-040700-8