Die Spiele der Populisten

„They’re eating the dogs, they’re eating the cats“ – mit unzähligen solcher offenkundigen, mittlerweile berühmten Falschbehauptungen hat Donald Trump den jüngsten Wahlkampf um das höchste politische Amt in den USA bestritten. Dabei scheint er nur ein, wenngleich der wichtigste Akteur einer neuen Politik des Unsinns zu sein: Klar erkennbarer Nonsens hat sich weltweit zu einem wirksamen Instrument rechtspopulistischer Kommunikation entwickelt.

In ihrem Buch „Populistische Spiele“ interpretieren die Sozialwissenschaftler Robert Feustel und Gregor Ritschel dieses recht neue Phänomen mithilfe einer Theorie des Spiels. So können sie zeigen, dass das, was von außen schlicht als „Bullshit“ anmutet, durchaus einer inneren Logik folgt.

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Robert Feustel/Gregor Ritschel
Populistische Spiele
Bullshit als politische Strategie

2025. 130 Seiten
€ 24,–
ISBN 978-3-17-046056-0

Herr Feustel, Herr Ritschel: Worin besteht diese neue Strategie des Unsinns?

FotoRobertFeustel
PD Dr. Robert Feustel
Ⓒ Robert Feustel

In einer Welt, in der alle glauben, was sie glauben wollen, in der Fakten und alternative Fakten nebeneinanderstehen, zählt nicht mehr, was richtig, sachlich oder logisch ist. Es reicht, Gefühle zu bewirtschaften. Das Prinzip ist nicht neu. Die digitalen Medien haben das Spiel mit Affekten jedoch in neue Dimensionen getrieben, und offenkundiger Bullshit zirkuliert, als handle es sich um wirkliche Nachrichten. Damit lässt sich leider und recht erfolgreich Politik machen. Die Strategie ist kurz gesagt, aggressiv auf Wirklichkeit zu pfeifen, weil Affekte auch in fingierten oder alternativen Realitäten ihre Wirkung entfalten und niemand tatsächlich an den Unsinn glauben muss. Foucaults „Wille zur Wahrheit“ ist einem „Willen zum Spiel“ gewichen.

Warum tun sich die Sozialwissenschaften schwer, die Erfolge dieser Politik zu erklären?

Weil sie sich – logischerweise – schwertun, Kategorien wie Realität, Zweck oder Einstellung für die Analyse beiseitezulegen. Der trumpistische Populismus unterläuft solche Annahmen aber, genauso wie klassische Gegenüberstellungen wie Spaß versus Ernst, Glauben versus Wissen oder Fiktion versus Wirklichkeit. Die Rede von „alternativen Fakten“ etwa, die oft als „Nebelkerzen der politischen Debatte“ gelten, haben noch eine andere Dimension: Mit ihnen will der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit nichts mehr bedeuten, die traditionelle Verhältnisbestimmung zwischen beiden hat sich erledigt. Stattdessen erleben wir die Zeit von Alternate Reality Games.

FotoGregorRitschel
Dr. Gregor Ritschel
Ⓒ Fotografin: Sarah Bischof

Worin besteht die Stärke Ihres Ansatzes, den Bullshit als eine Form des Spiels zu interpretieren?

Mit den üblichen Mitteln der Analyse ist es schwer, etwa Trumps eingangs zitiertes Gerede oder Söders Warnung vor einer „Zwangsveganisierung Deutschlands“ zu deuten: Aussagen dieser Art kann niemand ernst meinen bzw. ernsthaft auffassen. Niemand glaubt so etwas wirklich. Der Modus des Spiels öffnet neue Perspektiven, weil denkbar wird, Dinge überaus ernst zu nehmen, die nicht real sind. Leute sind leidenschaftlich überzeugt und wissen doch, dass es nicht stimmt. Das Spiel liefert einen Zugang zu alternativen Wirklichkeiten und den Affekten, die mehr und mehr die Politik bestimmen.

Wie könnten sich die Politik und der öffentliche Diskurs im Allgemeinen durch den Erfolg dieser populistischen Strategie, auch in Europa und der Bundesrepublik, langfristig verändern?

Rosig sind die Aussichten nicht. Es scheint, als kollabiere jenes Konstrukt, das man üblicherweise politische Öffentlichkeit nennt – und mit ihr das Realitätsprinzip. Der Populismus im Stile Trumps, dem nicht nur Leute wie Friedrich Merz verfallen sind, wird zwar mithilfe des Spiels besser verständlich, ohne selbst Spiel – und damit irgendwie spaßig und ohne Konsequenzen – zu sein. Der Bullshit produziert falsche, aber reale Feindbilder. Und wo Andere zu Feinden werden, sind Ausgrenzung, Deportationen und Vernichtung nicht weit. Die Realität dieses Populismus ist bereits brutaler Ernst.

Das Projekt wurde von der Amadeu Antonio Stiftung gefördert.