Religionspädagogik innovativ –
Wechsel im Herausgeberkreis
2012 erschien mit „Religionsunterricht neu denken“ der erste, programmatische Band der ökumenisch ausgerichteten Reihe „Religionspädagogik innovativ“. Mit dem Ausscheiden von Prof. Dr. Martin Rothgangel (Wien) und dem Einstieg von Prof. Dr. Britta Konz (Mainz) zum Jahreswechsel 2024/25 beginnt ein Generationenwechsel im Herausgeberkreis einer etablierten religionspädagogischen Reihe. Ein Anlass zum Gespräch mit ihr und den beiden Initiatoren der Reihe.
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Die Reihe umfasst sowohl Lehr-, Studien- und Arbeitsbücher als auch besonders qualifizierte Forschungsarbeiten. Sie versteht sich als Forum für die Vernetzung von religionspädagogischer Theorie und religionsunterrichtlicher Praxis, bezieht konfessions- und religionsübergreifende sowie internationale Perspektiven ein und berücksichtigt die unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung.
Herr Pirner, Herr Mendl, Sie beide gehören zu den „Alt-Herausgebern“, das heißt, Sie waren von Anfang an mit dabei. Wie war das damals, als Sie die Reihe gestartet haben? Was waren Ihre Ziele? Warum brauchte es aus Ihrer Sicht eine innovative religionspädagogische Reihe?
Prof. Dr. Manfred Pirner: Eigentlich war der Impuls für den Start der Reihe im Jahr 2012 der Band „Religionsunterricht neu denken“, den Bernhard Grümme, Hartmut Lenhard und ich konzipiert haben und der dann als erster Band der neuen Reihe erschienen ist, mit dem Untertitel „Innovative Ansätze und Perspektiven der Religionsdidaktik“. Die Grundidee war damals, ein Publikations-Forum zu schaffen für solche Ansätze, Forschungen und Diskurse, die am Puls der Zeit sind. Weil Innovationen häufig auch in Promotions- oder Habilitations-Arbeiten passieren, wollten wir von vornherein besonders gute Qualifikationsarbeiten ebenso mit dabei haben wie Arbeitsbücher, die für den Transfer von aktuellen Forschungen in die Lehrkräftebildung sorgen. Und weil für uns klar war, dass zukunftsfähige Religionsdidaktik ökumenisch und interreligiös zu denken ist, war uns wichtig, dass der Herausgeberkreis ökumenisch besetzt ist. Wir haben in der Folge zwei katholische Kolleg:innen und zwei evangelische Kollegen gewinnen können und haben damals gleich noch einen weiteren Band nachgelegt, in dem wir sechs Herausgebenden zentrale Perspektiven zur Professionalität von Religionslehrkräften zusammengestellt haben – ein gerade wieder sehr aktuelles Thema!
Prof. Dr. Hans Mendl: Manfred Pirner und ich hatten im Vorfeld der Reihengründung die Idee zu einem medienpädagogischen religionsdidaktischen Handbuch; im Verlauf der Vorgespräche wurde unsere Zielsetzung ambitionierter und wir wollten tatsächlich ein neues Forum für innovative religionsdidaktische Ansätze schaffen. Mit dem Kohlhammer-Verlag fanden wir einen idealen Kooperationspartner, dessen Vorteile wir, wie ich einem Mailwechsel aus dem Jahr 2007 (!) entnehme, in der guten Vertriebsstruktur, in der professionellen redaktionellen Betreuung und in der Tatsache sahen, dass es dort noch keine religionspädagogische Reihe gab. Im Nachhinein bin ich froh, dass wir eine erste Idee mit einer Trennung von Hand- und Arbeitsbüchern und Promotionsschriften nicht umgesetzt haben, weil ich in der Verschränkung beider Formate gerade die Stärke der Reihe sehe: Innovationen werden durch junge Nachwuchswissenschaftler ebenso generiert wie durch etablierte Forscher, die ihre Forschungsverbünde für gemeinsame Publikationen nutzen. Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist die Schlagzahl der Publikationen: Ursprünglich hatten wir zwei Bände pro Jahr angepeilt, nun ist nach zwölf Jahren schon der 60. Band erschienen. Wie die Anfragen, die wir Herausgebenden erhalten, zeigen, ist die Reihe auf dem religionspädagogischen Markt etabliert; sie zählt sicher zu den wichtigsten Publikationsorganen unserer (religionspädagogischen) Zunft.
Frau Konz, ein Blick in Ihre Vita verrät, dass Sie zu der Zeit, als die ersten Bände der Reihe erschienen sind, mitten in Ihrer Habilitationsphase waren. Wie ist das für Sie, jetzt selbst Herausgeberin zu sein?
Prof. Dr. Britta Konz: Es freut mich natürlich sehr und ist mir auch eine Ehre, bei einer so renommierten Reihe dabei sein zu dürfen. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, als der erste Band der Reihe erschienen ist. Da ich in der Zeit an der Uni Oldenburg mit der Vorbereitung und Begleitung der Fachpraktika und Forschungs- und Entwicklungspraktika für alle Lehramtsstudiengänge betraut war, habe ich mich gefreut, dass in dem Band die damals grundlegenden und innovativen Ansätze von denjenigen vorgestellt wurden, die diese selbst mit vorangebracht haben, und dass diese Aufsätze zudem für Lehramtsstudierende gut nachvollziehbar und lesbar waren. In den Unterrichtsbesuchen konnte ich immer wieder feststellen, dass Unterricht nicht an der Methodik, sondern an der mangelnden inhaltlichen Durchdringung des Lerngegenstandes ‚scheiterte‘. Die konzeptionellen Überlegungen, die in dem Band vorgestellt wurden, zielten darauf, den Religionsunterricht angesichts der gesellschaftlichen Transformationsprozesse neu auszuloten, an die veränderten Lebenswelten der Schüler:innen anzupassen und waren deshalb wirklich hilfreich für die religionspädagogischen Seminare.
Frau Konz, an welchen Stellen sind aus Ihrer Sicht in nächster Zeit Innovationen in der Religionspädagogik vonnöten? Welche Akzente möchten Sie in der Reihe setzen?
BK: Ich denke, dass die Religionspädagogik derzeit von verschiedenen Richtungen angefragt wird und innovative Impulse setzen kann. Sie sollte sich noch stärker interreligiös ausrichten und hierbei auch noch stärker Machtfragen und soziale Ungleichheiten in den Blick nehmen. Bedeutsam sind für mich auch forschungsmethodologische Fragen in Bezug auf Forschung mit und über Kinder, die kritisch die (Deutungs-)Macht von erwachsenen Forschenden reflektieren und partizipative Forschungsformate vorantreiben. Zudem ist natürlich auch die digitale Religionsdidaktik etwas, das uns weiterhin herausfordern wird und wo es noch viele Desiderate gibt.
Eine letzte Frage an Sie alle drei: Was wünschen Sie sich für die Reihe, die Zusammenarbeit im Herausgeberkreis und die religionspädagogische Forschung in den nächsten zwölf Jahren?
HM: Ich denke, die Reihe sollte noch offener für religionspädagogische Forschungen außerhalb der zwei großen christlichen Konfessionen werden; denn religiöse Bildung an den Schulen wird zunehmend multireligiöser und interreligiöser werden. Vielleicht sollten wir da auch über eine Erweiterung des Herausgeberkreises nachdenken.
MP: Mir sind zwei Dinge wichtig. Zum einen sollten die Bücher in der Reihe meines Erachtens verstärkt die Open-Access-Formate des Verlags nutzen. Wir alle nehmen ja wahr, dass die Online-Verfügbarkeit von Publikationen immer wichtiger wird. Wir müssen damit rechnen, dass in absehbarer Zeit nur das überhaupt noch rezipiert und zitiert wird, was online vorliegt. Und zum anderen wäre es schön, wenn die Reihe internationaler würde; denn auch der internationale Austausch und Diskurs hat in der Religionspädagogik einen höheren Stellenwert bekommen. Wir haben da jetzt einen bedeutsamen Schritt gemacht, indem wir, mit einer tollen Unterstützung des Verlags, den Jubiläums-Band der Reihe, „Religionsunterricht weiterdenken“, ins Englische übersetzt haben. Der Band wird im Frühjahr dieses Jahres unter dem Titel „Innovative Approaches to Religious Education“ erscheinen.
BK: Ich schließe mich meinen Vorrednern an und freue mich auf die Zusammenarbeit im Herausgeberkreis. Ich würde mir wünschen, dass sich die Religionspädagogik in den herausfordernden Zeiten multipler Krisen kritisch-konstruktiv in den Diskurs einbringt und diesbezüglich innovative und auch interdisziplinäre Forschungsarbeiten hervorgebracht werden. Zudem hoffe ich, dass Kinder und Jugendliche noch stärker in partizipative Forschungsformate eingebunden werden und Religionspädagogik dazu beiträgt, Kinderrechte zu stärken.
Vielen herzlichen Dank!
Prof. Dr. Britta Konz lehrt Praktische Theologie mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik an der Ev.-theol. Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Prof. Dr. Hans Mendl lehrt Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Passau.
Prof. Dr. Manfred L. Pirner lehrt Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.