Die betreute Marktwirtschaft

Für eine neue Balance zwischen Bürger und Staat

„Wir erleben eine ‚Zeitenwende‘. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr die gleiche wie die Welt davor“, so Bundeskanzler Scholz in seiner vielzitierten Zeitenwende-Grundsatz­rede vom 27. Februar 2022. Inzwischen ist klarer geworden, was das für Deutschland, Europa und seine Bürger alles konkret bedeuten kann: Die Zeiten des sicherheits-, zins-, klima-, energie- und schuldenpolitischen „Schwarz­fahrens“ sind definitiv vorbei. Sicherheit kostet uns alle viel mehr als zuvor, Geld und Kredit sind teurer geworden, für die Nutzung der Umwelt­ressourcen muss erstmals ein Preis gezahlt werden, Energie wird dauerhaft teurer als vor der Krise bleiben, die Globalisierung legt eine Pause ein und verändert ihre Schwerpunkte, der weiteren Zunahme der Staatsverschuldung hat das Verfassungs­gericht einen Riegel vorgeschoben.

Verkehrsschild wenden

Die Rückkehr von Knappheit

Das für Bürger, Wirtschaft und Staat so komfortable „Doping“ der vergangenen Dekaden funktioniert nicht mehr, Deutschland ist an einem historischen Wende­punkt angelangt. Wir erleben gleich in mehrfacher Hinsicht die Rückkehr der Knappheit, sei es bei Gütern des täglichen Bedarfs oder Vorprodukten für die Industrie, bei Dienst­leistungen und Handwerkern oder bei Terminen bei Ärzten und Behörden. Doch in jeder Krise liegt auch eine Chance: „Never waste a good crisis“. Dazu gehört vor allem die Einsicht, dass wir neu über das Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrem Staat nachdenken müssen, das zuneh­mend angespannt und belastet ist. Denn etwas ist aus der Balance geraten bei diesem Geben und Nehmen: einerseits durch die Bürger, die zu viel erwarten, andererseits durch ihren Staat, der ihnen zu viel, manchmal auch das Falsche verspricht und oft das Versprochene nicht halten kann. Beides führt zu verbreiterter Unzufrieden­heit, die unser Land derzeit so fest im Griff hat und die Fliehkräfte zu den politischen Rändern verstärkt.

Vier „Reiter der Ertüchtigung“

Der „All-inclusive-Staat“ ist an seine Grenzen gelangt. Deshalb braucht das Land eine Rückkehr zu einer regelbasierten marktwirtschaftlichen Ordnung, die den persönlichen Anspruchsindividualismus einer immer noch wohlhabenden Gesellschaft ebenso einhegt wie das staatliche „You’ll never walk alone“-Versprechen, damit die großen „4D“-Zukunfts­aufgaben De-Karbonisierung, Digitalisierung, Demografischer Wandel und De-Globalisierung in einer Welt der Unsicherheit und der geopolitischen Umwälzungen gemeistert werden können. Die zentralen Leitplanken für eine solche neue Balance zwischen Bürger und Staat sind die vier „Reiter der Ertüchtigung“:

Eine „Agenda 2030″

„Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigen­leistung von jedem Einzelnen abfordern müssen“ – mit diesen Worten begründete Ex-Bundeskanzler Schröder am 14. März 2003 seine „Agenda 2010“. Es ist Zeit für eine „Agenda 2030“: für einen fähigen und befähigenden statt eines büro­kratisierten und alimentie­renden Staates, für eine Arbeitsmarkt- und Bildungs­politik, die Anstrengung durch Aufstieg belohnt und Gegen­leistungen einfordert, eine Steuer- und Sozial­politik für Leistungs- statt Verteilungs­gerechtigkeit, eine Zuwanderungs­politik, die steuert und nicht die Kontrolle verliert, für eine Innovations­politik mit schöpfe­rischer Zerstörung und ideologie­freier Industriepolitik und für eine Klimapolitik, die mehr auf Preise und Techno­logie statt auf Ge- und Verbote setzt. All dies wird aber nicht gelingen, wenn wir als Bürger nicht verstehen, dass wir alle der Staat sind, den wir nicht mit stets neuen Forderungen überziehen können, und gleichzeitig die Politik nicht laufend eine Erwartungs­haltung nährt, die sie letztlich nur enttäuschen kann. Es ist Zeit für ein neues „Rendezvous mit der Realität“.

Dr. Hans-Peter Klös, Autor des Werkes „Die betreute Marktwirtschaft – Für eine neue Balance zwischen Bürger und Staat“


Bildnachweis: Sophon_Nawit – stock.adobe.com

Hans-Peter Klös
Die betreute Marktwirtschaft
Für eine neue Balance zwischen Bürger und Staat

2024. 322 Seiten. Kart.
€ 28,–
ISBN 978-3-17-044447-8
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