Prof. em. Dr. Brigitte Dorst und Prof. Dr. phil. Ralf T. Vogel gaben kürzlich im Kohlhammer Verlag ihr neues Buch “Aktive Imagination. Schöpferisch leben aus inneren Bildern” heraus. Zum Erscheinen führten wir ein kurzes Interview mit ihnen.
Was ist das Spezifische und Besondere an der Aktiven Imagination?
Die Aktive Imagination ist eine besondere Form des Arbeitens mit inneren Bildern. Sie wurde von C.G. Jung entwickelt und ist eine therapeutische Methode im Rahmen der Analytischen Psychologie. Heutzutage wird ja viel mit Imaginationen in verschiedenen Therapieformen gearbeitet. Das Besondere hier ist, dass der Zugang zum Unbewussten zwar durch rituelle Vorgaben gebahnt und erleichtert wird, dann jedoch keine weiteren inhaltlichen Motive oder Symbole vorgegeben werden. Es wird darauf vertraut, dass das Unbewusste die relevanten Bilder und Symbole zur Ebene des bewussten Erlebens bringen und das Selbst dabei die Führung übernehmen wird.
Sie schreiben in Ihrem Vorwort, dass Symbole die Grundlage der Aktiven Imagination sind, was bedeutet das?
Anders als einfache Zeichen sind Symbole sehr geheimnisvolle, komplexe mehrdeutige Gebilde. Im Symbol klingt immer eine nicht sichtbare geistige Bedeutungs- und Sinnebene an und berührt Gefühl, Verstand und Intuition.
Das geschieht in vielen Bereichen, z.B. in der Farbsymbolik, der Formsymbolik, in religiösen, kulturellen und politischen Symbolen. Wir erfahren dies im Alltag bei Hochzeits- und Beerdigungsfeiern und in den nächtlichen Traumsymbolen. Die Seele drückt sich in symbolischen Bildern aus.
Welche Aufgabe hat denn der Therapeut oder die Therapeutin?
Er bzw. sie ist vor allem ein wichtiger Dialogpartner bei der verstehenden und deutenden Verarbeitung des in der Imagination Erlebten. Dabei geht es besonders um den Bezug zur gegenwärtigen Situation, zu den Fragen, Problemen und Lebensthemen des Imaginierenden.
Was war Ihr Ziel mit diesem Buch?
Wir haben dieses Buch zusammengestellt, um therapeutisch arbeitenden KollegInnen und ebenso Menschen, die an tiefenpsychologischer Selbsterfahrung interessiert sind, Einblicke in die Praxis der Aktiven Imagination in verschiedenen Arbeitsfeldern zu geben. Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Aktive Imagination im Vergleich zu anderen Imaginationsverfahren relativ wenig bekannt ist.
Was schätzen Sie beide denn besonders an der Aktiven Imagination?
Das, was im Untertitel des Buches steht: „Schöpferisch leben aus inneren Bildern“. Wenn man sich einlässt auf den Dialog mit dem Unbewussten, kann man immer wieder nur staunen über das kreative Potential und die Problemlösungen und Hinweise, die aus dem Unbewussten kommen und sich in symbolischer Sprache zeigen. Also: Das Erstaunen über das innere Wissen und die Weisheit der Seele wird durch die Aktive Imagination besonders eindrücklich erfahrbar.
An wen richtet sich das Buch?
Wir haben primär für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die sich für imaginatives Arbeiten interessieren, geschrieben. Auch für Ausbildungsteilnehmerinnen und –teilnehmer, die sich in psychotherapeutischen Ausbildungen befinden, ist es sicher eine Bereicherung. Trotzdem kann das Buch auch für diejenigen ganz allgemein interessant sein, die bereits über Erfahrungen in anderen imaginativen Verfahren verfügen und etwas Neues dazulernen wollen.
Für Ihre Zeit und Mühe bedanken wir uns sehr herzlich.
Prof. em. Dr. Brigitte Dorst, Dipl.-Psych., approbierte Psychotherapeutin und jungianische Psychoanalytikerin, war bis 2011 Professorin an der Fachhochschule Köln mit den Lehrgebieten Sozialpsychologie, Gruppendynamik und Gruppenpsychologie sowie Klinische Psychologie. Sie ist weiterhin in den Bereichen Psychotherapie, Supervision, Beratung und in der Fort- und Weiterbildung tätig.
Prof. Dr. phil. Ralf T. Vogel, Dipl.-Psych., ist Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker mit klassischer und jungianischer Ausbildung. Er arbeitet in eigener Praxis und ist Dozent und Supervisor an mehreren psychodynamischen und verhaltenstherapeutischen Ausbildungsinstituten. Als Lehranalytiker ist er u. a. am C. G. Jung Institut München tätig.