Anlässlich des Erscheinens des Bandes „Hypnotherapie“ in der Reihe „Psychotherapie kompakt“ führten wir mit den Autoren Prof. Dirk Revenstorf und Dr. Burkhard Peter das folgende kurze schriftliche Interview:
- Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zum 40-jährigen Jubiläum der Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose, deren Vorsitz Sie beide innehatten. Welche Bedeutung hat die Gesellschaft heute – für die klinische Hypnose und für Sie persönlich?
DR: Die MEG ist eine ständig wachsende Gesellschaft, die sich als Fachvertretung um die wissenschaftliche Fundierung und um die Anerkennung der Hypnotherapie kümmert sowie bemüht ist, ihr einen Platz in der Psychotherapie und Medizin zu sichern. Persönlich verbinde ich mit der Hypnose eine Form des therapeutischen Zugangs zu psychischen, psychosomatischen und medizinischen Problemen, die schulmäßige Grenzen und rationale Durchdringung überschreitet und daher einen Kontrapunkt, aber auch eine fruchtbare Ergänzung zu gegenwärtig dominanten kognitiven Therapieansätzen bildet.
BP: Die MEG ist zwar nicht die älteste deutsche Hypnosegesellschaft – zuvor gab es schon eine Gesellschaft für ärztliche Hypnose und Autogenes Training. Mit der MEG beginnt 1978 aber die moderne Hypnotherapie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als die beiden aufeinander folgenden ersten Vorsitzenden der MEG sind wir beruflich wie persönlich auch heute noch mit unserer Gesellschaft und deren Anliegen sehr verbunden.
- Kommen wir zu Ihrem in der Reihe „Psychotherapie kompakt“ neu erschienenen Buch „Hypnotherapie“: Wen wollen Sie mit diesem Buch besonders ansprechen?
DR: Das Buch soll Praktiker wie auch Studenten dafür gewinnen, Hypnose als Phänomen kennen zu lernen, als potenten Aspekt mentaler Prozesse zu verstehen und für die therapeutische Arbeit zu nutzen.
BP: Natürlich würden wir uns wünschen, dass auch andere an Hypnose interessierte Menschen es lesen. Wir glauben, dass wir den neuesten Stand unseres Wissens über Hypnose in kompakter Form dargestellt haben.
- Wie sind Sie selbst zur Hypnose und Hypnotherapie gekommen?
DR: Nach langjähriger Praxis der Verhaltenstherapie und Forschung auf diesem Gebiet wurde mir die Begrenzung eines kognitiven Ansatzes zum Verständnis von Veränderungsprozessen immer klarer. Und nach dem Studium von Affekt- und Körper-orientierter Therapieformen wurde Hypnose für mich zunehmend interessanter, da sie Menschen auf dem Wege einer impliziten Kommunikation erreicht, einerseits Festlegungen durch Wertesysteme vermeidet und andererseits dem Patienten maximale Freiheit der Selbstorganisation lässt.
BP: Ich könnte jetzt damit beginnen zu erzählen, wie ich als kleiner Bub in der Kirche, wenn ich mich gelangweilt habe, das Deckenfresko betrachtet und darüber sinniert habe, wie das wohl zugeht, dass der Hl. Ägidius Kranke segnet und aus deren Mund dann ein schwarzes Teufelchen entweicht. Etwa 40 Jahre später habe ich mich ebenfalls gewundert, dass ausgerechnet ein magnetisierender Arzt, Franz Anton Mesmer, der Urgroßvater unserer heutigen Hypnose und Psychotherapie sein soll. Was hat Magnetismus, sei er nun elektrisch oder „animalisch“, denn mit Psychotherapie zu tun? Was jedoch der zur gleichen Zeit tätige Exorzist Johann Joseph Gassner mit seiner besonderen Form der Teufelsaustreibung tat – mit der er sich viele Feinde außerhalb und auch innerhalb der Kirche machte –, entsprach in meinen Augen viel mehr dem, was wir auch heute noch unter Psychotherapie verstehen, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe. In einem der Bücher über Gassner von 1775 gibt es ein ähnliches Bild: Gassner segnet einen Kranken und es fliegt ein kleines schwarzes Teufelchen durchs Fenster davon. Dieser Zusammenhang ist mir aber erst später bewusst geworden.
Weil die professionelle Psychotherapie lange Zeit (in Deutschland bis zum Psychotherapiegesetz 1999) wesentlich in den Händen der Ärzte lag, haben die sich verständlicherweise lieber als die Nachfahren eines magnetisierenden Arztes denn eines exorzierenden Pfarrers gesehen.
Konkret war ich 1976 Teilnehmer eines Seminars, das unser Kollege Wilhelm Gerl – dem auch unser Buch, zusammen mit Alida Iost-Peter, gewidmet ist – organisiert hat. Darin war viel von Erickson und Hypnose die Rede. Das hat uns fasziniert, mehr als die anderen therapeutischen Verfahren, die wir damals kannten und gelernt hatten. Und so haben wir uns verstärkt für die Ericksonsche Hypnose engagiert und schließlich die MEG gegründet.
- Die Hypnotherapie mausert sich in Deutschland langsam aber sicher zu einer populären, als seriös anerkannten Psychotherapie-Form. Begegnen Sie in Ihrem Alltag, in Ihrer psychotherapeutischen Praxis, dennoch Vorurteilen gegenüber dieser Methode? Wenn ja, was ist das häufigste Vorurteil, der häufigste Irrtum, den Sie ausräumen müssen?
DR: Mir scheint, das größte Problem, das manche Menschen mit der Hypnose haben, ist, dass sie sich selber nicht trauen und daher die Kontrolle über unbewusste mentale Prozesse nicht aufgeben wollen. Wie Weitzenhoffer, der bekannte amerikanische Hypnoseforscher, sagte: Sie bleiben lieber im Schrebergarten ihres Alltagsdenkens aus schierer Angst vor der Größe der sie umgebenden Natur.
BP: Es kommt heute praktisch nicht mehr vor, dass ein Patient denkt, seine Symptome würden ihm vom Hypnotiseur einfach weggezaubert, ohne dass er persönlich, wenn häufig auch nur auf unbewusste Art, etwas dazu tun müsse. Da hat sich in den letzten 40 Jahren im Bewusstsein offenbar viel verändert.
- Wie ist vergleichsweise die Situation der Hypnosetherapie und -forschung in anderen Ländern?
DR: Das ist ein weites Feld; aber sicher wird auf Grund der kontinuierlichen Tradition der Hypnoseforschung in den USA dort am meisten geforscht und publiziert.
BP: Aber auch in anderen Ländern hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Die Hypnoseliteratur war früher tatsächlich sehr USA-lastig, sie ist heute international geworden. Interessant ist, dass sich auch Forscher aus anderen Gebieten der Hypnose bedienen, um psychiatrische oder neurologische Phänomene zu studieren. Die MEG fördert ausgewählte Forschungsprojekte und publiziert deren Ergebnisse auch in einer eigenen Zeitschrift, die inzwischen von etwa 5 000 Mitgliedern der deutschsprachigen professionellen Hypnosegesellschaften gelesen wird. (Ein Hinweis auf diese Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie befindet sich auf S. 187 unseres Buches.)
- Gibt es etwas, das Sie Psychotherapeuten in der Ausbildung oder am Anfang ihres beruflichen Werdegangs, die sich für die Hypnotherapie interessieren, mit auf den Weg geben wollen?
DR: Hypnotherapie ist eine der wenigen Therapieformen, die auch für den Therapeuten langfristig gesund sind, da er selbst dabei in Trance geht, mit seinen eigenen unbewussten Ressourcen Kontakt aufnimmt und gleichzeitig eine besonders tragfähige und produktive Beziehung zum Patienten aufrechterhält.
BP: Das kann ich nur bekräftigen. Je mehr ich an einem normalen, langen Therapietag Hypnose bei meinen Patienten anwende, umso weniger erschöpft fühle ich mich am Abend.
Vielen herzlichen Dank für das Interview!