Die Bedeutung von Theorien Sozialer Arbeit für die Praxis

Wie lassen sich Theorien der Sozialen Arbeit für den Umgang mit Fällen im beruflichen Alltag von Fachkräften fruchtbar machen? Michael Domes und Juliane Sagebiel gehen dieser Frage in dem von ihnen herausgegebenen 50. Band der Reihe „Grundwissen Soziale Arbeit“ nach und zeigen, wie Soziale Arbeit die Kluft zwischen Theorie und Praxis überwinden kann.

Umschlagabbildung des Buches

Michael Domes/Juliane Sagebiel (Hrsg.)
Die Bedeutung von Theorien Sozialer Arbeit für die Praxis
Exemplarische Fallanalysen

2024. 246 Seiten. Kartoniert
€ 36,–
ISBN 978-3-17-041900-1
Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit

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Frau Sagebiel, Herr Domes, warum gerade dieses Buch? Gibt es nicht schon hinreichend viele Publikationen zu Theorien Sozialer Arbeit?

Prof. Dr. Michael Domes
Prof. Dr. Michael Domes

Trotz des reichhaltigen Lehrbuch­angebotes zu Theorien Sozialer Arbeit fehlt bisher ein Buch, das die Theorien auf einen konkreten Fall bezieht. Nachfragen von Studierenden, wie denn Theorien auf Praxisfälle zu beziehen sind, haben uns veranlasst, ein Lehrbuch zu konzipieren, für das wir Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Theorieschulen baten, aus ihrer Perspektive den „Fall“ zu bearbeiten. Nehmen wir an, unser Fall wäre ein Zimmer in einem großen Haus (Praxis), verstehen wir die verschiedenen Theorien als Türen, die uns den Zugang zu ebendiesen Zimmern ermöglichen.

In Ihrem Band werden unterschied­liche Theorien und Ansätze bzw. Konzepte Sozialer Arbeit vorgestellt – worin liegt ihre Gemeinsamkeit?

Prof. Dr. Juliane Sagebiel
Prof. Dr. Juliane Sagebiel

Ganz allgemein gesprochen sind die Unterschiede in Bezug auf den Gegenstand und die Funktion Sozialer Arbeit zu verorten. Ihre Gemeinsam­keit liegt darin, dass sie theoretisches Wissen zur Reflexion von „Praxis“ zur Verfügung stellen. Im Kontakt mit dem konkreten Fall sieht jede Theorie etwas, das die andere so nicht sieht.
Konzepte und Ansätze, die Wissensbestände aus anderen Disziplinen auf Fragestellungen der Sozialen Arbeit beziehen, haben wir als Querschnitts­themen aufgenommen, z. B. Migration oder Digitalisierung.

Welche Rolle spielen Theorien in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit?

Ohne Theorie(n) keine Wissenschaft! Theorien stellen Beschreibungs- und Erklärungs­wissen zur Verfügung und ermöglichen uns zu verstehen, warum eine Sache so ist, wie sie ist oder sein könnte. Sie sind konstitutiv für die Identität der Sozialen Arbeit und bilden als Wissen neben Können und Haltung die Grundlage unserer Professionalität. Dabei gibt es aber nicht die eine Theorie, die alles erklärt. Theorien gibt es nur im Plural und damit ist der Raum für kritische und lustvolle Diskurse eröffnet.

Welchen Stellenwert haben Ihrer Erfahrung nach Theorien bei Studierenden und Fachkräften?

Studien kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass sich Fachkräfte in ihrer Praxis wenig auf Theorien Sozialer Arbeit beziehen. Wenn überhaupt, dann gewinnen hier eher psychologische Erklärungs­modelle an Bedeutung. Auch für Studierende haben Theorien Sozialer Arbeit eher abstrakten Charakter. Sie bieten auf den ersten Blick wenig Orientierung im Sinne einer „Handlungs­anleitung“. Das ist aber immer auch eine Frage, wie wir Lehrenden Theorien vermitteln. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir dieses Buch gemacht.

Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert Ihres Buches – und welche Zielgruppen sprechen Sie an?

Kurz gesagt: Theorien sind sexy! Weil Theorie­wissen in ein theoriegeleitetes Handeln und zu einer professionellen Haltung führt. Heißt: Zu wissen, was wir warum wie tun oder auch nicht tun. Wir verstehen Theorien als Anregung, soziale Situationen und Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und weiter­zudenken; keinesfalls geht es um eine rezepthafte Anwendung. Sicher erfordert die Befassung mit Theorien eine gewisse Anstrengung, aber der Preis lohnt sich. Einen Perspektiven­wechsel wagen: von der Theorie zum Fall und zurück!


Dr. Michael Domes ist Professor für Theorien und Handlungslehre in der Sozialen Arbeit an der TH Nürnberg Georg Simon Ohm.
Dr. Juliane Sagebiel war Professorin für Sozialarbeitswissenschaft und Machttheorien an der Hochschule München.

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