Wandel will gelernt sein
Sechs Zukunftskompetenzen für die Welt von morgen
Klimaschutz scheitert heute nicht mehr am fehlenden Wissen. Soziale Gerechtigkeit scheitert nicht am fehlenden Geld und Innovation scheitert nicht an zu wenig kreativen Köpfen. Woran scheitert unser Fortschritt in eine lebenswerte Zukunft aber dann? Er scheitert an Egoismus, Gier, Apathie und an einer irrationalen Angst vor Veränderung. Diese Aspekte werden im Nachhaltigkeitsdiskurs jedoch kaum berücksichtigt.
„Die Kunst des Wandels“ will das ändern und die inneren Gesetze des Wandels verständlich machen. Das sechsteilige Kompetenzmodell zeigt auf, wie Veränderungsprozesse auf menschlicher Ebene funktionieren und welche inneren Kompetenzen wir brauchen, um eine nachhaltige Zukunft zu erschaffen. Zusätzlich zu den Erfahrungen und Forschungsergebnissen der Autoren bietet das Buch sieben Experteninterviews mit Gästen aus Wissenschaft und Wirtschaft. Sie machen bewusst, dass jeder äußeren Transformation eine innere und persönlichkeitsbezogene Entwicklung vorangehen muss. Wie dieser Wandel auf persönlicher, gesellschaftlicher und organisationaler Ebene gelingen kann, davon handelt dieses Sachbuch.
Wir nehmen das Erscheinen zum Anlass, um mit den Autoren, Stefan Stockinger und Julia Buchebner, über die Kunst des Wandels und die sich daraus ergebenden Implikationen ein Gespräch zu führen.
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Stefan Stockinger/Julia Buchebner
Die Kunst des Wandels
Sechs innere Schlüsselkompetenzen für zukunftsfähige Menschen und Organisationen
2025. 228 Seiten. Kart.
€ 25,–
ISBN 978-3-17-045210-7
Klimawandel, Zeitenwende, Transformation – die Reihe solcher Begriffe über Veränderung bestimmen die politische und gesellschaftliche Debatte. Wie beurteilen Sie die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Veränderung in den modernen westlichen Gesellschaften?
In unserer modernen Gesellschaft sind wir weitgehend davon überzeugt, das beste System bereits geschaffen zu haben. Deshalb wollen wir es um jeden Preis verteidigen. Denken wir nur mal an die aktuelle Debatte über den Niedergang der liberalen Demokratie. Der Aufstieg rechter und populistischer Kräfte führt medial dazu, dass die liberalen Kräfte alles daransetzen, ihre Sichtweise zu erhalten und sie als einziges Bollwerk gegen das Autoritäre in Stellung zu bringen. Es wirkt oft wie ein Kampf von Gut gegen Böse, wobei sich wir Liberalen automatisch als die Guten hinstellen – in dem Glauben, wir hätten das bessere System. Haben wir aber nicht. Hätten wir es nämlich, würden die Menschen es wählen.
Für uns „moderne“ Menschen ist es also an der Zeit, uns selbst zu reflektieren und mal hinzusehen, warum die liberale Demokratie in einer Krise ist und was das alles mit der liberalen Sicht an sich zu tun hat. Womöglich kommen wir dann drauf, dass wir unsere liberalen Werte nicht als die besten einzementieren, sondern weiterentwickeln sollten. Damit das aber passiert, müssen alle, die eine moderne Gesellschaft als Fortschritt sehen, ihre alten Ideen – so gut sie auch klingen mögen – ein stückweit loslassen und sich öffnen für das, was nach der Moderne noch kommen kann.
Wenn man uns also fragt, wie wir die Veränderungsbereitschaft hierzulande einschätzen, dann so: Die konservativen Kräfte konservieren ihre konservativen Werte und die liberalen Kräfte konservieren ihre liberalen Werte. So kann kein Fortschritt passieren.
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Foto: ninaromana – finedesign
Die Kunst des Wandels bestimmt die Politik in den wenigsten Ländern – in Deutschland etwa dominieren Begriffe und Denkhaltungen wie Bestandsschutz, Sicherheit und Kontinuität. Was raten Sie den politischen Verantwortlichen angesichts der aktuellen Anpassungs- bzw. Veränderungserfordernisse?
Damit wir unsere offene und demokratische Gesellschaft erhalten, müssen wir uns stetig weiterentwickeln. Und da jede gesellschaftliche Entwicklung zuallererst beim Individuum beginnt, müssen wir genau dort anfangen! Wie kann das funktionieren?
Wohin sich ein Mensch als Nächstes entwickelt, hängt vor Allem davon ab, wo er im Moment geradesteht. Stellen wir uns drei Personen vor. Person A ist ein egozentrisch denkender Mensch, der nur an sich und seine eigene Meinung glaubt. Person B ist ein traditionell denkender Mensch, der an die Regeln seiner Kultur und Gruppe glaubt. Person C ist ein rational denkender Mensch, der an Wissenschaft und Erkenntnis glaubt. Denken wir nun an unsere aktuelle Kommunikationskultur in Politik und Medien. Diese funktioniert in weiten Teilen so, dass unsere Meinungsmacher sehr klar vorgeben, wohin sich unsere Welt entwickeln soll.
Meinungsmacher Nummer 1 sagt, die Menschen müssen sich wieder mehr an unseren kulturellen Regeln orientieren. Nummer 2 sagt, die Menschen müssen sich mehr an Wissenschaft orientieren und Meinungsmacher Nummer 3 wirft ein, dass wir Menschen mehr sind als unsere Ratio und auch unsere Intuition miteinbeziehen sollen. Wer hat recht? Alle haben recht! Und alle zeigen einen Weg, wie eine bessere Zukunft für uns Menschen aussehen kann. Der Weg dorthin ist aber nicht für alle gleich, sondern abhängig davon, wo die angesprochene Person momentan steht. Für unseren egozentrisch denkenden Menschen sind kulturelle Regeln der nächste Entwicklungsschritt. Für unseren traditionsbewussten Menschen ist es womöglich der Blick in die Wissenschaft und für unseren rationalen Geist ist es der Zugang zur eigenen Intuition. Menschliche Entwicklung bedeutet im Wesentlichen, dass wir unsere Perspektive erweitern. Doch nicht jede neue Perspektive ist für jede Person der nächstbeste Schritt.
Wenn unsere politischen Verantwortlichen beginnen, das zu verstehen, würden sie uns ihre eigene Meinung nicht mehr als die beste Meinung verkaufen. Sie würden uns ihren persönlichen Weg nicht mehr als den einzig möglichen Weg verkaufen. Und sie würden einsehen, dass Veränderung in einer vielseitigen Gesellschaft ebenso vielseitig gestaltet werden muss, damit sie funktionieren kann.
Sind die Unternehmen in Sachen Wandel und Veränderung eigentlich weiter?
Ja und Nein. Je größer die Gruppe, desto langsamer wird sie sich verändern. Große Unternehmen sind unserer Erfahrung nach nicht weiter, weil ihre Strukturen meist viel zu starr sind, um mit der heutigen Veränderung mithalten zu können. Kleine und mittlere Unternehmen sind hingegen agiler und in Sachen Wandel manchmal weiter als der Rest. Eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft sehen wir deshalb auch in der Verschlankung unserer riesigen Unternehmenstanker hin zu kleineren Einheiten und Strukturen.
Letzten Endes können Veränderungen nur umgesetzt werden, wenn die Bereitschaft beim Einzelnen dazu vorhanden ist – kann man daran arbeiten und falls ja, in welcher Weise?
Die Kunst des Wandels dreht sich vor allem um die Erlangung von sechs inneren Zukunftskompetenzen, mit denen wir den nächsten Entwicklungsschritt machen können. Und dieser Schritt bezieht sich vor allem auf die bereits angesprochene Weiterentwicklung einer modernen Sichtweise zu dem, was danach noch kommen kann.
Wenn nun eine Gesellschaft oder Organisation sich weiterentwickeln möchte, muss sie in erster Linie gewährleisten, dass ihre Mitglieder zu dieser Entwicklung bereit sind. Diese Bereitschaft kann sie wiederum nur dann erzielen, wenn auch die Führungsfiguren selbst sich für Veränderung öffnen. Nichts ist sinnloser, als von anderen Menschen zu fordern, sie sollen sich doch bitte verändern, während man selbst einfach stehenbleibt. Wer sich Veränderung wünscht, muss zuallererst bei sich selbst beginnen. Viktor Frankl bemühte dazu den berühmten Satz, dass man Werte nicht lehren, sondern nur vorleben kann. Entsprechend dessen kann man Menschen nur dann zur Veränderung bewegen, wenn man auch selbst bereit dafür ist. Wie das gehen kann, beschreiben wir in unserem neuen Buch.
Stefan Stockinger und Julia Buchebner sind Diplom-Ingenieure, arbeiten als Redner, Coaches und Prozessbegleiter zur nachhaltigen Transformation sowie als Gründer der „Inner Change Makers“.