Fundiertes Wissen über Drogen für eine professionelle Beratungspraxis
In nahezu allen Arbeitsfeldern interagieren sozialarbeiterische, pädagogische und therapeutische Fachkräfte mit Menschen, die psychoaktive Substanzen konsumieren. Professionelle Beratung erfordert deshalb ein solides Wissen über die konsumierten Drogen sowie Wechselwirkungen mit anderen Substanzen. Dieses Wissen vermitteln Stefanie Bötsch und Fabian Pitter Steinmetz in ihrem Buch „Drogen und ihre Wirkung“ – vom gesellschaftlichen Blick auf Drogen bis hin zu 60 Substanzsteckbriefen.
Für Fachkräfte wird fundiertes Wissen über Drogenkonsum und die Wirkung unterschiedlicher Substanzen immer relevanter. Was hat sich in den letzten Jahren im sozialarbeiterischen und therapeutischen Umgang mit Drogen geändert?
Lange hielt sich im professionellen Suchthilfesystem die Haltung, dass das Wissen zu psychoaktiven Substanzen nicht so relevant sei, da die maßgebliche Aufgabe darin verstanden wurde, Menschen in die Abstinenz zu begleiten. Diese Haltung misst sich allerdings nicht mehr an der Realität und sorgt dafür, dass zu wenig Menschen vom Hilfesystem erreicht werden.
Hinzu kommt, dass die Anzahl an Substanzen und Formulierungen wächst. Um einmal eine Zahl in den Raum zu werfen: Über 1200 neue psychoaktive Stoffe wurden in den letzten Jahren an die UN-Drogenbehörde kommuniziert. Darüber hinaus gibt es neue Formulierungen (z. B. wirkstoffhaltige Gummibärchen oder E-Zigaretten), neuartige Pflanzen- und Pilzextrakte und neue Medikamente mit Missbrauchspotenzial. Selbst forensischen Chemikern und Toxikologen fällt es hier schwer, einen Überblick zu behalten.
Es besteht entsprechend nicht nur Nachholbedarf in der Substanzkunde, sondern die Motivation, so gut es geht auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
In der Vergangenheit war die Abstinenz also das Ziel der fachlichen Beratung – und oft auch eine Voraussetzung für weitere Unterstützungsangebote. Allmählich setzt sich stattdessen eine akzeptierende Einstellung durch. Warum ist es so wichtig, konsumierende Menschen nicht nur dann zu unterstützen, wenn sie Abstinenz anstreben?
Es ist immer noch so, dass man nur dann therapeutische Unterstützung bekommt, wenn man vorab eine Abstinenz herstellt. In den sozialarbeiterischen Angeboten wie z. B. Drogenberatung, Betreutes Wohnen etc. ist dies zum Glück nicht immer so.
Die Voraussetzung einer Abstinenz wirkt für viele Betroffene abschreckend. Sie fühlen sich nicht dort abgeholt, wo sie stehen, sondern häufig zu einem Schritt genötigt, den sie (noch) nicht bereit sind zu gehen.
Trotzdem sind viele Menschen, die Probleme mit ihrem Konsum entwickeln, veränderungsbereit – auch wenn noch kein Wunsch für eine Abstinenz besteht. Wenn wir diese Motivation nicht bedienen, weil sie nicht dem Abstinenzgebot entspricht, birgt dies die Gefahr einer Verschlechterung und Chronifizierung der Erkrankung.
Wir würden uns wünschen, dass diese Haltung auch noch mehr Einzug in psychotherapeutische Hilfssysteme hält. Therapie sollte für alle Menschen gleichermaßen zugängliche sein, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Beeinträchtigung und eben auch Drogenkonsum!

Viele Laien unterscheiden bei psychoaktiven Substanzen vor allem zwischen legalen und illegalisierten Drogen, wissen aber wenig über biologische Unterscheidungen und deren Bedeutung. Wie kategorisieren Sie die Substanzen in Ihrem Buch?
Die Gesetzeslage oder auch eine Verschreibungspraxis können sich schnell ändern. Wie allerdings Stoffe auf den Menschen wirken, wird sich nicht so schnell ändern. Neben der Erläuterung von Aspekten wie Potenz, Wirkdauer, Formulierung und individuellen Unterschieden (z. B. Stoffwechselstörungen) bedient sich das Buch einer Kategorisierung in sieben Wirkklassen, nämlich Cannabinoide, Downer, Dissoziativa, Empathogene, Opioide, Halluzinogene und Upper. Die meisten dieser Wirkklassen enthalten sowohl legal erhältliche als auch illegal gehandelte Drogen.
Gerade wenn es um Konsummotivation, Substitutionsmöglichkeiten oder Neben- und Wechselwirkungen geht, ist es wichtig, die biologische Persepktive zu verstehen. Wenn jene Grundlagen für ein naturwissenschaftliches Verständnis gelegt sind, dann lassen sich auch zukünftige Drogentrends besser einordnen.
Der dritte, umfassendste Teil des Buchs ist als Nachschlagewerk konzipiert. Wo sehen Sie die Anwendung der Substanzsteckbriefe in der Praxis?
Zum einen dient der dritte Teil als Nachschlagewerk, also dazu, in wenigen Sekunden relevante Informationen zu extrahieren, insbesondere bei nicht so geläufigen Drogen. Zum anderen hilft dieser Teil, die Informationen aus dem Überblick im zweiten Teil mit eben jenen Beispielen zu vertiefen. Dadurch lernt man auch, inwieweit Vereinfachungen, z. B., dass alle Opioide gleich wirken, in der Praxis anwendbar sind. Je mehr man sich nach dem Befassen mit den sieben Wirkklassen mit konkreten Beispielen beschäftigt, desto besser sollte man auch gänzlich neue Stoffe einordnen können. Da sich der Drogenmarkt weiterentwickelt, wird das sicherlich auch in Zukunft relevant bleiben und hoffentlich zu besseren Entscheidungen in der Praxis führen.
Wichtig war es uns auch, eine höhere Sensibilität für Mischkonsum zu schaffen, da gerade der teilweise in seinem Risiko stark dramatisiert wird. In unserem Nachschlagewerk findet man dementsprechend zu jeder Substanz auch besonders risikoreiche Mischvarianten, um diese mit der konsumierenden Person besprechen zu können und so potenziell gefährliche Zustände zu prävenieren.
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