Mit dem Beschluss des CSR-Richtlinien-UmsetzungsÂgesetzes im März 2017 hat der Bundestag den Weg zu weitergehenden BerichtsÂpflichten über Umwelt-, Arbeitnehmer- und SozialÂbelange eröffnet und damit grundÂsätzlich den StellenÂwert gesellÂschaftÂlicher, nichtÂfinanzieller und ethischer Aspekte unterÂnehmerischen Handelns gestärkt. Große Unternehmen müssen künftig über die gesamtÂgesellÂschaftÂlichen Folgen ihres Handelns genaue Rechenschaft ablegen; angesichts aktueller Skandale und Verfehlungen leuchtet die Intention des Gesetzgebers durchaus ein, dennoch ist das neue Gesetz umstritten. Auch die Betriebswirtschaftslehre billigt dem Themengebiet inzwischen einen hohen Stellenwert zu. Um die Kenntnis dieser Inhalte auch bei jungen „Einsteiger“ zu verankern, haben Prof. Dr. Frank Gogoll (Technische Hochschule Köln) und Prof. Dr. Martin Wenke (Hochschule Niederrhein) ein Bachelor-Einführungslehrbuch verfasst, das kompakt und verständlich über die Instrumente und Konzepte zur Implementierung unternehmerischer Verantwortung in betriebliche Prozesse informiert. Aus diesem Anlass haben wir mit den Autoren ein kurzes Gespräch geführt:
Das Vorurteil, wonach ethische Fragen schlecht fürs Geschäft seien, ist weit verbreitet und auch bei vielen Studierenden gelten Wirtschafts- und Unternehmensethik als „Softfächer“ ohne allzu große Relevanz. Sie sehen das anders, deshalb die Frage: Wie lässt sich die praktische Relevanz der Ethik für die Wirtschaft begründen?
Die praktische Relevanz ist in den letzten Jahren offensichtlich geworden: das US-amerikanische Unternehmen Enron, Volkswagen, Deutsche Bank und andere Fälle zeigen, dass unethisches, verantwortungsloses Verhalten schwerwiegende Reputationsschäden verursachen kann, die für die Unternehmen sehr teuer werden können – so zum Beispiel durch sinkende Aktienkurse oder auch durch den Konkurs wie im Fall Enron.
Unternehmen sind im Netzwerk einer arbeitsteiligen Wirtschaft eine tragende Säule. In der Produktion von Gütern und Dienstleistungen müssen Unternehmen in ihrem Gewinnstreben vor allem mit Kunden, Lieferanten, Kreditgebern, Mitarbeitern und staatlichen Stellen kooperieren. Da nicht alle zukünftigen Ereignisse durch Verträge im Vorhinein geregelt werden können, spielt das Vertrauen in die andauernde, also nachhaltige Verlässlichkeit des Kooperationspartners eine entscheidende Rolle im Wirtschaftsleben.
Ein verantwortungsvolles Management investiert also in vertrauensvolle Beziehungen zu den Stakeholdern, denn verlässliche Vertrauensstrukturen haben immer auch positive ökonomische Wirkungen auf das Unternehmen: z.B. motivierte und verlässliche Mitarbeitende, zuverlässige Lieferanten, treue Kunden und ein positives Unternehmensumfeld stärken am Ende den Unternehmenswert; m. a. W.: ein positiver Stakeholder-Value bei den Anspruchsgruppen schlägt sich ebenso im Shareholder-Value nieder. Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung, und das verstehen wir als CSR, nützt auch dem ökonomischen Fortbestand eines Unternehmens im Sinne einer Risikovorsorge. Dies zeigen Beispiele wie die Drogeriekette dm, der Outdoor-Ausrüster VAUDE oder auch das Technikunternehmen VAILLANT.
Eigentlich müssten ethische Fragen doch ein integraler Bestandteil der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sein oder werden?
Zweifelsohne werden in der Allgemeinen BWL schon seit langem Einzelaspekte ethischer Fragestellungen diskutiert, so z.B. im HR-Management, im Marketing oder hinsichtlich fairer Sourcing-Praktiken. Auch das Thema „Betriebliches Umweltmanagement“ ist seit mittlerweile über 20 Jahren Bestandteil betriebswirtschaftlicher Ausbildungsgänge. Neu ist allerdings, dass mit einer unternehmensethisch fundierten CSR und dem Nachhaltigkeitskonzept eine stärker ganzheitliche Sichtweise ethisch-moralischer Aspekte von Managemententscheidungen in den Fokus gerückt wurde. Darüber hinaus wird betont, dass nur konsistente Strategien vom Leitbild über die OrganisationsÂstrukturen bis hin zu den operativen Aktivitäten im Rahmen des unternehmerischen Kerngeschäfts die final erwarteten positiven gesellschaftlichen Wirkungen auslösen. Die Frage ist also nicht Gewinn „oder“ Gewissen bzw. Markt „oder“ Moral, sondern jeweils: „und“.
Die Wirtschaftsverbände kritisieren die jüngst erlassene CSR-Richtlinie scharf, weil – anders als geplant – auch kleine Firmen betroffen seien. In welchen Bereichen ist das der Fall und wie beurteilen Sie die Regelungen?
Tatsächlich beabsichtigte die von der EU-Kommission verabschiedete und mit dem Jahr 2017 in Kraft getretene CSR-Reporting-Richtlinie von Anfang an, dass die von dieser Richtlinie direkt betroffenen „großen“ Unternehmen die entsprechenden informationellen und auch inhaltlichen Anforderungen an die in vielen Fällen auch kleinen und mittleren Unternehmen entlang der Lieferkette weitergeben. Wünschenswert wäre hier, dass die großen Platzhirsche diese Anforderungen an ihre Lieferanten nicht – wie häufig schon im Qualitätsmanagement beobachtbar – aufgrund ihrer Nachfragemacht nur in die Lieferkette „hineindrücken“ oder die Verantwortung gar auf die Lieferanten abwälzen, sondern im Zuge einer Verantwortungspartnerschaft mit den Lieferanten gemeinsam nach auch für die KMU praktikablen Lösungen suchen. Mittlerweile gibt es eine steigende Zahl von KMUs, die die gestiegenen Anforderungen an die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung auch als Profilierungschance im globalen Wettbewerb sehen und somit von sich aus aufgreifen.
Ihr Lehrbuch trägt im Titel drei zentrale Schlagworte Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility – wie hängen diese zusammen?
Die Unternehmensethik als Wissenschaftsdisziplin bietet Instrumente im Sinne eines Kompasses zur langfristigen Orientierung im Umgang mit ethisch-moralischen Entscheidungs- und Konfliktsituationen in Unternehmen an. Der Rahmen wird hierbei einerseits durch das vorherrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem vorgegeben. Andererseits existiert mit dem Konzept der Nachhaltigkeit eine globale Strategie, welche darauf abzielt, die Wirkungen der unternehmerischen Tätigkeit hinsichtlich ihrer langfristigen Effekte auf Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft fokussiert in den Blick zu nehmen und nachhaltig zu gestalten. Corporate Social Responsibility als ganzheitlicher und strategischer Managementansatz bietet den „Verantwortungs-Kompass“ als Orientierungsrahmen auf Unternehmensebene an und soll dabei helfen, die gesamtgesellschaftliche Strategie der Nachhaltigkeit von Seiten der Unternehmen zu unterstützen.
Welche sich die wichtigsten Kompetenzen bzw. „Learning Outcomes“, die Studierende nach der Durcharbeit Ihres Lehrbuches aufweisen könnten?
Zunächst kann man sagen, welche Kompetenzen Studierende entgegen vielleicht „naiver“ Vorstellungen nicht vermittelt bekommen: nämlich Kenntnisse darüber, was ethisch-moralisch richtig und was falsch ist. Das ist insofern für BWL-Studierende nichts Überraschendes, weil auch die anderen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen eine Fülle von Instrumenten anbieten, ohne jeweils universelle, Erfolg garantierende Anwendbarkeit zu versprechen. Studierende werden sensibilisiert, sich im beruflichen Alltag auch mit entsprechenden Konfliktsituationen auseinanderzusetzen. Sie wissen, dass es den angesprochenen unternehmensethischen Kompass im Sinne von Instrumenten gibt, Entscheidungen auf der Basis der eigenen, der gesellschaftlichen und der im Unternehmen verankerten ethisch-moralischen Standards zu treffen und diese auch zu verantworten. Sie können einschätzen, dass es unmittelbare und mittelbare Wechselwirkungen zwischen Stakeholder- und Shareholder-Value gibt und dass denjenigen Unternehmen, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen, langfristig die „licence to operate“ entzogen werden. Vor allem aber lernen die Studierenden die Instrumente zur Umsetzung der Corporate Social Responsibility kennen sowie kritisch zu bewerten und anzuwenden. Der Brückenschlag von der Theorie zur Praxis ist das Ziel des Buches.