Anlässlich des Erscheinens der ersten Auflage des Buches „Unterrichtsstörungen verstehen und wirksam vorbeugen“ (mittlerweile liegt die 2. Auflage vor) führten wir mit den Autoren Frau Dr. Scherzinger und Herrn Prof. Dr. Wettstein das folgende schriftliche Interview:
1. Liebe Frau Dr. Scherzinger, lieber Herr Prof. Dr. Wettstein, wie kann man Unterrichtsstörungen definieren? Welche Arten gibt es?
Unterrichtsstörungen sind Störungen des Lehr-Lern-Prozesses. Diese können sowohl nicht aggressiv und aggressiv sein und von Schülerinnen und Schülern wie auch von Lehrpersonen ausgehen.
2. Wie wichtig ist es zu berücksichtigen, wie Schülerinnen und Schüler die Störungen wahrnehmen?
Die Perspektive der Schülerinnen und Schüler ist sehr wichtig. Es geht ja im Unterricht ums Lernen und deshalb ist es hilfreich, zu wissen, wodurch sich die Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernen gestört fühlen. Für Lehrpersonen ist es wichtig, auch die Perspektive der Schülerinnen und Schüler einzunehmen und zu ergründen, wie die Lernenden den Unterricht wahrnehmen, insbesondere auch versuchen zu verstehen, weshalb Schülerinnen und Schüler den Unterricht stören. Daraus lassen sich Hinweise ableiten, wie man den Unterricht störungspräventiver gestalten könnte.
3. Sollten Lehrerinnen und Lehrer versuchen zu ergründen, was hinter den Störungen steckt, oder möglichst rasch wieder zu dem Unterrichtsinhalt zurückzukehren?
Die Lehrperson muss im Unterricht abwägen, ob sie unmittelbar auf eine Störung reagiert oder die Klärung auf später verschiebt. Manche Störungen erfordern eine unmittelbare Klärung, während andere Störungen mit minimalen und niederschwelligen Interventionen geklärt werden können, um den Unterrichtsfluss nicht zu stark unterbrechen.
Bei wiederkehrenden oder auch belastenden Störungen ist es durchaus sinnvoll, wenn Lehrpersonen alternative Deutungen entwickeln und dabei nicht nur auf störendes Verhalten von Schülerinnen und Schüler fokussieren, sondern auch das eigene Unterrichtsverhalten sowie die Interaktion in den Blick nehmen.
4. Wie können Lehrinnen und Lehrer Unterrichtsstörungen vorbeugen?
An erster Stelle steht sicher einmal die Gestaltung einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung. Also einer Beziehung, die von gegenseitiger Anerkennung, Vertrauen und Respekt geprägt ist. Weiter helfen ein gut vorbereiteter, anregender Unterricht, eine gute Klassenführung sowie eine hohe diagnostische Kompetenz der Lehrperson, Unterrichtsstörungen vorzubeugen.
5. Welchen Rat möchten Sie – angehenden – Lehrerinnen und Lehrern mit auf den Weg geben?
(Angehenden) Lehrpersonen möchten wir v. a. folgende Ratschläge mitgeben: Lieber früh, niederschwellig, ruhig und humorvoll als (zu) spät, strafend, tadelnd oder hektisch auf störendes Schülerverhalten reagieren. Eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung und eine klare Klassenführung stehen nicht im Widerspruch. Es ist wichtig, dass angehende Lehrpersonen ihre Führungsrolle übernehmen und Erwartungen sowie Regeln klar machen, gleichzeitig aber auch eine gute pädagogische Beziehung zu den Lernenden aufbauen. Auch wenn Unterrichtsstörungen manchmal herausfordernd oder gar schwierig sind, ist es wichtig, eine gewisse Gelassenheit zu bewahren und den Humor nicht zu verlieren.