Interview mit Prof. Dr. Roland Trill, dem Herausgeber von Praxisbuch eHealth
Worin besteht – in drei Sätzen kurz und bündig formuliert – das Hauptanliegen Ihres Buches?
Nach Jahren des Stillstands bei der Digitalisierung entsteht gerade eine neue Dynamik. Das Buch will umfassend informieren und dazu motivieren, die zu erwartenden Entwicklungen positiv mit zu begleiten oder zu gestalten.
Können Sie uns als Laien kurz erklären, was wir unter eHealth Literacy verstehen dürfen?
Das Web ist auch beim Themenfeld „Gesundheit“ eine der wichtigsten Informationsquellen – mit weiter zunehmender Tendenz in allen Altersgruppen. Eine „gute eHealth Literacy“ bedeutet, dass der Nutzer die für ihn persönlich relevanten Informationen dort findet, sie versteht und auf seine persönliche Lebenssituation anzuwenden weiß. In diesem Maße ist sie eine Voraussetzung für die breite Nutzung von telemedizinischen Angeboten, in denen der Patient Partner des Arztes oder anderer Gesundheitsdienstleister sein wird. Gegenwärtig stellt sie sich leider in Deutschland nur durchschnittlich dar.
Wer sind aus Ihrer Sicht die treibenden Akteure zugunsten einer Digitalisierung des Gesundheitswesens und wo sind die eher hemmenden Faktoren anzusiedeln?
2018 ist hier als ein Wendepunkt zu betrachten. Zunehmend treiben die Krankenkassen durch eigene Anwendungen (meist Coaches) sowie freiwillige Angebote für Ihre Versicherten (Medical-Apps) die Entwicklung. Unterstützt wird diese Entwicklung von einer schnell wachsenden Anzahl von Ärzten, die in der Digitalisierung neue Möglichkeiten erkennen. Zukünftig werden zunehmend auch Patienten nach neuen Services fragen und sie einfordern.
Somit haben die hemmenden Faktoren in der jüngsten Vergangenheit abgenommen. Die Gesundheitspolitik hat sich jetzt zügig um eine Anpassungen der Rahmenbedingungen an die neuen Erfordernisse zu kümmern.
Wen möchten Sie mit Ihrem Buch ganz besonders ansprechen?
Es wäre einfach zu formulieren, dass sich das Buch an „alle an der Digitalisierung Interessierten“ richtet. Ich möchte aber dennoch drei Gruppen herausgreifen. Da sind zunächst Studierende in allen Gesundheitsberufen, denn alle werden in der Zukunft in einem digitalen Gesundheitswesen tätig sein. Dies trifft die Mediziner genauso wie die Bereiche „Ökonomie und Gesundheitswissenschaften“. Weiter sollte jeder im Gesundheitswesen tätige Entscheidungsträger über die Möglichkeiten und Grenzen Informationen besitzen. So gut wie jede Prozessveränderung wird das Thema „Digitalisierung“ berühren. Last but not least empfehle ich unseren Gesundheitspolitikern die Lektüre des Buches. Bei vielen hat man den Eindruck, dass sie über Dinge reden und entscheiden, die sie nicht verstanden haben bzw. nicht gut genug informiert sind. Für die IT-Leiter wird das Buch dort Neuigkeiten bereithalten, wo es den Kern der IT verlässt.
Was ist die Besonderheit bzw. der besondere Ansatz Ihres Buches?
Ich habe versucht, eine Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und Lesbarkeit herzustellen. Die Digitalisierung wird nicht als gegeben dargestellt, sondern von den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens abgeleitet. Durch die Verbindung mit dem Informationsmanagement gelingt dann der Bezug zur Unternehmenspraxis.
Wichtig war die Rolle des Patienten zu beleuchten. Er wird zu oft vergessen bzw. wird seine Bedeutung zu gering geschätzt. Daher stellt z. B. das Kapitel zur Gesundheitskompetenz einen wichtigen Beitrag zu einer Diskussion dar, die in Deutschland gerade erst beginnt.
Und, das ist mir aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung in internationalen eHealth-Projekten besonders wichtig zu erwähnen, wir sollten die Entwicklungen insbesondere in den Ostsee-Anrainerstaaten gut im Blickfeld behalten. Der Beitrag des Kollegen aus Estland zeigt deutlich, wie groß unser Rückstand insbesondere bei Einführung des Electronic Health Records ist.
Was hat Sie am meisten bei Ihrer Tätigkeit als Buch-Herausgeber überrascht?
Es hat mich sehr gefreut, dass alle angesprochenen Autoren, jeder Experte in seinem Arbeitsfeld, sofort zugesagt hatten. Dadurch konnte die Mehrdimensionalität des Themas hervorragend abgebildet werden. Die Diskussionen haben gezeigt, wie komplex das Thema „eHealth“ behandelt werden muss. Und ich hoffe, dass die Leser von dieser Abbildung der Realität profitieren werden.
Was möchten Sie dem Leser mitgeben, bevor er Ihr Buch aufschlägt und liest?
Ich betrachte das Buch „als Rückenwind“ für die Entwicklung eines zukunftsfähigen Gesundheitswesens in Deutschland. In diesem Sinne möchte ich dem Leser Optimismus und Neugier für das Lesen mit auf den Weg geben. An einigen Stellen wird der Leser erkennen, dass seit der Veröffentlichung bis heute schon neue Anwendungen hinzugekommen sind. Das mag ein Beleg dafür sein, dass im Buch keine Phantasien vorgestellt werden, sondern „hart an der Realität“ gesegelt wird – wie man bei uns an der Küste sagt.