Einstein und Heisenberg waren zwei Genies auf dem Gebiet der Physik. Doch so sehr beide die Grundlagen der modernen Physik schufen, so sehr unterscheiden sich ihre Lebenswege und ihre Arbeiten. In der zweiten Auflage seiner unterhaltsamen sowie informativen Doppelbiographie „Einstein und Heisenberg“ erläutert Prof. Dr. Konrad Kleinknecht, der experimentelle Physik in Mainz lehrt, das Leben und die Entdeckungen dieser Koryphäen näher.
Die Lebenswege von Einstein und Heisenberg verliefen sehr unterschiedlich. Was verbindet und was trennt Einstein und Heisenberg?
Beide großen Gelehrten wuchsen in München auf und gingen dort zur Schule, hatten also denselben Bildungshintergrund. Beide liebten die Musik und die Mathematik und hatten ein starkes Selbstbewusstsein. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es auch wesentliche Unterschiede in ihrer Denkweise: Einstein glaubte, eine physikalische Theorie müsse die Vorgänge genau nach den Regeln der Kausalität vorhersagen, Heisenberg dagegen schloss aus den Phänomenen im atomaren Bereich, dass die Theorie nur die möglichen Prozesse und deren Wahrscheinlichkeit beschreibt.
Im Krieg trennten sich ihre Wege, erst 1954 kam es wieder zu einer Begegnung. Die Unterschiede in der Beurteilung der Quantenphysik blieben. Das war Einsteins Irrtum.
Einstein und Heisenberg sind sich mehrfach begegnet. Wie standen die beiden Physiker zueinander?
Einstein war fast 20 Jahre älter als Heisenberg und schon berühmt, als Heisenberg 1920 sein Studium begann. Für Heisenberg war der Schöpfer der Relativitätstheorie ein großes Vorbild. Heisenbergs Interesse ging in eine andere Richtung: die Beschreibung der kleinsten Bausteine der Materie, der Atome. 1926 wurde Heisenberg zum physikalischen Kolloquium der Berliner Universität eingeladen, um seine Erfindung der Quantenmechanik vorzutragen. Im Auditorium waren alle damaligen Berühmtheiten der Physik: Einstein, Max Planck, Max von Laue, Walter Nernst. Heisenberg bereitete sich sorgfältig auf diese Begegnung mit der großen Welt der Wissenschaft vor und stellte seine Theorie vor, indem er die ungewohnten neuen Begriffe möglichst klar zu definieren versuchte. Nach dem zweistündigen Vortrag und der ausführlichen Diskussion mit den Zuhörern lud ihn Einstein nach Hause ein, um über die neuen Gedanken ausführlicher diskutieren zu können. Einstein erkannte sofort den wesentlichen Punkt: Heisenberg wolle die Bahnen der Elektronen ganz abschaffen, obwohl man solche Bahnen in einer Nebelkammer doch sehen könne. Heisenberg entgegnete, die Bahnen der Elektronen im Atom könne man eben nicht beobachten, sondern nur die Übergänge zwischen Quantenzuständen der Elektronen. Die Gesamtheit der spektroskopischen Daten eines Atoms diene ihm als Ersatz für die Elektronenbahnen. Einstein hielt ihm entgegen, er könne doch nicht im Ernst eine physikalische Theorie nur auf beobachtbare Größen begründen.
Wie beurteilte Einstein die Entdeckungen von Heisenberg zur Quantenmechanik?
In der Debatte über die Quantenmechanik äußerte der streitlustige Einstein starke Vorbehalte, insbesondere missfiel ihm die Tatsache, dass mit der Theorie für die Elementarprozesse nur Wahrscheinlichkeiten berechnet werden konnten. Die Physik war also nicht mehr deterministisch, man konnte aus dem bekannten Anfangszustand eines physikalischen Systems nicht mehr exakt den Ablauf der Prozesse vorhersagen, wie es in der klassischen Mechanik und auch in der relativistischen Mechanik Einsteins möglich war. Für ihn war es nicht denkbar, dass „Gott würfelt“. Aber er konnte keine Alternative zur Quantenmechanik formulieren.
Die nächste Konfrontation zwischen den Beiden fand ein Jahr später beim Solvay-Kongress 1927 in Brüssel statt. Einstein dachte sich Gedankenexperimente aus, die Heisenbergs Wahrscheinlichkeitsinterpretation und Unbestimmtheitsrelationen widerlegen sollten. Er pflegte, schon zum Frühstück Bohr und Heisenberg sein neues Gedankenexperiment vorzutragen. Auf dem Weg zum Konferenzraum wurde das Problem genau definiert und im Verlauf des Tages fanden unter den Quantenphysikern Diskussionen statt, die dazu führten, dass beim abendlichen Diner Bohr Einstein nachweisen konnte, dass sein Experiment nicht zur Umgehung der Unbestimmtheitsrelationen führen konnte.
Die letzte Begegnung fand 1954 ein Jahr vor Einsteins Tod bei Kaffee und Kuchen in seinem Haus in Princeton statt. Wie 27 Jahre früher stand die Kontroverse zwischen Einstein und Heisenberg über die Bedeutung der Quantenmechanik im Mittelpunkt der Begegnung. Hier haben Heisenberg und Bohr recht behalten und Einstein verlor den Kontakt zu den neuen Entwicklungen der Physik.
Natürlich hat der Krieg die beiden Genies getrennt: Einstein emigrierte, Heisenberg blieb in Deutschland. Ihr Verhältnis war kühl.
Der Untertitel Ihres Buches lautet „Begründer der modernen Physik“. Welche Bedeutung haben die Entdeckungen von Einstein und Heisenberg?
Die Physik des 20. Jahrhunderts ruht auf zwei Fundamenten: Unser Ort im Universum, der Ursprung und die Entwicklung des Kosmos, die Bedeutung von Raum und Zeit wurden von Albert Einstein am Anfang des Jahrhunderts zu einem revolutionären neuen Bild zusammengefügt und mit der Relativitätstheorie mathematisch beschrieben. Damit sagte er eine Fülle von neuartigen Phänomenen im Kosmos vorher, die im Laufe der Zeit empirisch gefunden wurden: Lichtablenkung im Schwerefeld, Schwarze Löcher, Zeitdehnung bei schnell bewegten Objekten, Gravitationswellen. Wenig später gelang es Werner Heisenberg zum ersten Mal, das Verhalten der kleinsten Bausteine der Materie zu erklären, indem er die Gesetze der klassischen Physik ebenfalls einer revolutionären Wandlung unterwarf. Mit seiner Quantenmechanik eröffnete er uns die Welt der kleinsten Bausteine der Materie, der Atome, Atomkerne und Elementarteilchen. Sie ermöglicht auch die Beschreibung der physikalischen Eigenschaften von Molekülen, chemischen Verbindungen, Kristallen, Feststoffen und Halbleitern und ist so die Grundlage der heutigen Computertechnik. Heisenbergs Entdeckung der Unbestimmtheitsrelation hat weitreichende Konsequenzen für die Naturphilosophie und Erkenntnistheorie.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Mühe.