Ãœber die „Einheit und Vielfalt einer Weltreligion“ informiert ein neu erschienener Band zum Islam. Ausgewiesene Fachleute führen in alle islamkundlichen Themenfelder ein.
Wir haben ein Interview mit dem Herausgeber, PD Dr. Rainer Brunner, geführt.
Der großformatige Band umfasst 29 Kapitel auf über 600 Seiten. Das ist umfangreich – aber kann man die Vielfalt einer Weltreligion überhaupt adäquat abbilden?
Nein, natürlich nicht. Allein ein solches Ansinnen wäre vermessen. Aber wir haben uns bemüht, zumindest einen repräsentativen Querschnitt historischer, geistesgeschichtlicher und geographischer Art zu bieten. Vor allem aber haben sämtliche Autoren den roten Faden beherzigt, der das Buch durchzieht: gegenwärtige Erscheinungen der muslimischen Welt vor ihrem jeweiligen historischen Hintergrund abzubilden, also der Frage nachzugehen, wie dieses oder jenes, was uns heute (durchaus auch in Europa) beschäftigt, überhaupt so geworden ist.
Umgekehrt gefragt: Eignet sich Ihr Buch auch für interessierte Laien, oder muss man gewisse Vorkenntnisse mitbringen?
Kein Handbuch kann wirklich bei Adam und Eva anfangen, wir haben den Anspruch und das Ziel, keineswegs nur für den engeren Kollegenkreis im Büro nebenan zu sein, sondern auch Leser aus anderen Fächern und im Idealfall interessierte Laien außerhalb der akademischen Welt anzusprechen. Niemand, der etwas mehr über „den Islam“ Bescheid wissen möchte, als hastige Zeitungsmeldungen zu liefern vermögen, sollte sich scheuen, dieses Buch in die Hand zu nehmen.
Als die Arbeit am Band begann, war der Arabische Frühling gerade angebrochen. Die Entwicklungen bis 2015 konnten noch berücksichtigt werden, aber tagesaktuell ist ein Buch natürlich nicht. Sollte man sich über Themen wie den Syrienkonflikt oder IS besser anderswo informieren?
Aus dem Frühling ist mittlerweile ein grauer und kalter Herbst geworden. Unser Ziel war es in der Tat nicht, neueste Nachrichten zu liefern, denn die wären anderntags ohnehin bereits veraltet. Zu IS und dergleichen gibt es mittlerweile ja auch eine ganze Menge Informationen. Wer aber an den historischen Hintergründen interessiert ist, also etwa an der Frage nach Reformbewegungen im Islam, dem Aufkommen islamistischer Strömungen oder der Rolle der Schia in der islamischen Geschichte, der ist bei unserem Handbuch gut aufgehoben.
Sie haben die Arbeit von rund 30 AutorInnen koordiniert. Wie schafft man es, dass das fertige Buch dennoch aus einem Guss ist, dass nichts fehlt oder doppelt behandelt wird?
Fehlen wird immer etwas, da darf man sich keinen Illusionen hingeben, und wie schon eingangs gesagt, wäre es auch einigermaßen vermessen, eine Weltreligion wie den Islam mit fast anderthalb Jahrtausenden Geschichte in 600 Seiten einfangen zu wollen. Aber man kriegt mit der Zeit schon einen Blick fürs Unerlässliche, dazu werden solche Texte ja von vielen Augen gelesen, Kollegen und Nicht-Kollegen, bevor man sie in die Öffentlichkeit entlässt. Und schließlich hilft die Schlussredaktion, die Arbeit am umfangreichen Index, die Autoren und Herausgeber nochmals auf Doppelungen oder Versäumnisse aufmerksam macht.
Zu guter Letzt: Verraten Sie uns, wo das Titelbild entstanden ist?
Das war im August 2012 in Istanbul, es zeigt die „Neue Moschee“, die Yeni Cami. Aufnahmen im Gegenlicht sind bisweilen gut geeignet, scheinbar vertraute Blickwinkel zu überprüfen. Die einen Konturen verschwimmen, die anderen werden geschärft. Das wäre auch das Anliegen unseres Handbuchs.
Wir danken Ihnen sehr für das Interview, Ihre Zeit und Mühe.
Das Interview führte Florian Specker.
Hier finden Sie weitere Fachliteratur zum Islam in unserem Webshop.