Interview mit Thomas Hax-Schoppenhorst

Thomas Hax-SchoppenhorstAls Integrationsbeauftragter in einer großen psychiatrischen Klinik zu arbeiten, hat reichhaltige Facetten. Manchmal ist es eine unmittelbare Unterstützung, die geleistet werden muss. Ein anderes Mal bringt Thomas Hax-Schoppenhorst seine Erfahrungen in Fort-und Weiterbildung ein. Mit dem Buch „Seelische Gesundheit von Geflüchteten“ gelingt Hax-Schoppenhorst und Stefan Jünger ein Update zur praktischen Arbeit mit den Betroffenen. Bei einem Milchkaffee hat er Christoph Müller davon erzählt.

Für die praktische Arbeit in der psychiatrischen Versorgung sind Menschen mit Migrationshintergrund eine große Aufgabe. Sprachliche Barrieren und kulturelle Gräben machen das unmittelbare Zugehen auf die Betroffenen schwierig. Kennen Sie diese Erfahrung?

Die Begriffe „Barrieren“ und „Gräben“ signalisieren aus meiner Sicht Unüberwindbarkeit. Daher würde ich lieber von Hemmnissen oder allenfalls von Hürden sprechen wollen, die es – manchmal nach kräftigem Anlauf – zu überwinden gilt. Aber in der Tat: Die sprachliche Verständigung ist und bleibt ein recht häufiges Problem. Dies fällt besonders in der psychiatrischen Versorgung ins Gewicht, ist Sprache hier doch das “Instrument“ schlechthin. Zum Glück haben die meisten Krankenhäuser und Kliniken darauf reagiert, indem sie hausinterne Dolmetscherlisten führen, mit Instituten zusammenarbeiten, die Sprach- und Integrationsmittler vermitteln, oder einen Ad-hoc-Dolmetscherservice über das Telefon in Anspruch nehmen. Nicht selten muss auch zur Gewinnung erster Erkenntnisse mit Piktogrammen und elektronisch verfügbaren Übersetzungsprogrammen gearbeitet werden. Vieles, was man nicht unterschätzen sollte, ist auch auf der Ebene der nonverbalen Kommunikation möglich, wobei man behutsam vorgehen muss, da die diesbezüglichen Codes nicht immer international sind.

Im Alltag kommt alles einem “Hürdenlauf“ nahe, bei dem man dann aber in den meisten Fällen dem Ziel näherkommt. Gerade von den Kolleginnen und Kollegen in der Pflege wird in solchen Situationen viel Geduld und Improvisationstalent gefordert, was mir hohen Respekt abverlangt. Besonders diffizil kann es werden, wenn zum Beispiel ein Geflüchteter in der psychiatrischen Akutaufnahme behandelt werden muss und es keinerlei Basis gibt, die ersten wichtigen Fragen zu klären.

Was die kulturellen Unterschiede anbelangt, kann ich das häufige Aufkommen von Fragen und Irritationen bestätigen. Im Kontext „Migration und Gesundheitswesen“ wird geradezu täglich deutlich, dass es sehr wohl grundlegende Unterschiede zum Beispiel in Bezug auf Rollenbilder, die Bedeutung der Familie, das Verhältnis zwischen Mann und Frau, den Ehrbegriff, das Empfinden von Scham, Religiosität, das Verständnis von Gesundheit und Krankheit und vieles mehr gibt.

In der Begegnung mit anderen Kulturen wird sehr schnell deutlich, dass die Industrienationen keineswegs der “Nabel der Welt“ sind – wenn dies auch gerne als gesetzt angenommen wird. Diese offensichtliche Vielfalt gilt es zunächst einmal zu akzeptieren. Eine große Zahl von Konzepten steht zur Verfügung, um sich anzunähern und die Welt vielleicht mit anderen Augen zu sehen. Empfehlungen zur „kultursensiblen Pflege“ zum Beispiel können stützende Funktion haben und dazu beitragen, dass Brücken gebaut statt Gräben gezogen werden.

Ebenso gewinnbringend kann es sein, sich mit den Begriffen „Interkulturalität“ und „Transkulturalität“ vertraut zu machen. Bei der Begegnung verschiedener Kulturen werden die eigene kulturelle Identität und Prägung wechselseitig erfahrbar. Interkulturalität meint dabei die Einnahme und das Denken aus der jeweilig anderen Perspektive ohne das Ziehen vorschneller Schlüsse. Das Fremde soll nicht in das eigene Selbstverständnis eingegliedert, sondern erstmal nur bewusst zur Kenntnis genommen werden. Um das Andere zu verstehen, muss man sich seines eigenen Blickwinkels gewahr werden. Die fremde und eigene Kultur treten damit in eine produktive Beziehung des gegenseitigen Austausches. Das ist auch innerhalb einer zeitlich doch befristeten Begegnung, wie es im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts eigentlich immer ist, im kleinen Rahmen möglich. Man könnte es zumindest versuchen.

Mit dem Begriff Transkulturalität wird das Konzept einer Gesellschaft beschrieben, in der sich kulturelle Identitäten durch die Vermischung von Elementen verschiedener Kulturen konstituieren. Kulturelle Grenzen und die Vorstellung homogener Nationalkulturen werden aufgehoben, indem einzelne Kulturen innerhalb einer Gemeinschaft verschmelzen. Hier bin und bleibe ich Skeptiker und frage mich auch, ob dies das Ziel sein muss. Begegnen sich Menschen aus zwei (sehr) unterschiedlichen Kulturen, können sich bei sensibel gestaltetem Miteinander eine Menge von Gemeinsamkeiten ergeben, was wunderbar wäre. Dass letztlich etwas ganz Neues entsteht, halte ich für eine Illusion. Aber bevor ich den Zorn einiger auf mich lenke, belasse ich es mal bei dieser kleinen Spitze.

Kurzum: Nach meiner Einschätzung und Erfahrung bewegen wir uns in Bezug auf den Umgang mit kulturellen Unterschieden in der Praxis aktuell zwischen wachsam gestalteten Prozessen einerseits und einem hölzern-ultimativ in den Raum posaunten Appell: „Wir sind hier schließlich in Deutschland/Österreich/der Schweiz!“ andererseits. Folglich gibt es noch Veränderungsbedarf.

Ist denn eine angemessene Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund, die körperlich oder seelisch erkrankt sind, möglich? Oder ist dies eine Illusion?

Halten wir zunächst fest, dass eine stattliche Zahl von Kliniken, Krankenhäusern und im Gesundheitswesen Aktiven die globalen Veränderungen erkannt hat und darauf reagiert. Sie haben das Ziel, mit ethnokultureller Verschiedenartigkeit umzugehen, sowohl was ihre PatientInnen als auch ihre MitarbeiterInnen betrifft. Zentrale Fragen hierbei sind: Wie können Krankenhäuser auf unterschiedliche Sprachkompetenz, Gesundheitsbildungsniveaus, Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit, Erwartungen an Gesundheitsdienstleistungen und auf spezifische Gesundheitsprobleme von PatientInnen aus unterschiedlichen Ethnien und kulturellen Hintergründen reagieren? Wie können sie ihre MitarbeiterInnen dabei unterstützen, notwendige Fähigkeiten zum Nutzen aller PatientInnen und der Organisation zu entwickeln und anzuwenden? Wie können sie die eigene ethnokulturelle Vielfalt ihrer MitarbeiterInnen beachten, konstruktriv integrieren und nutzen?

Es tut sich also eine Menge, und es darf vermutet werden, dass immer mehr Häuser und Institutionen sich diesbezüglich gut positionieren. Und dennoch: Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass das Gesundheitssystem von Menschen mit Migrationshintergrund weniger in Anspruch genommen wird als von einheimischen Patienten, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist.

Durchaus kritisch ist zudem die psychiatrisch-psychotherapeutische Ebene zu kommentieren. Gerade in Anbetracht der vielfältigen Belastungen und Risiken für psychische Erkrankung in Zusammenhang mit der Migration sind Migranten also unzureichend in den Einrichtungen des psychosozialen Versorgungsnetzes vertreten. Untersuchungen zur Versorgungslage von Migranten zeigen, dass diese zwar mehr Notfallleistungen erhalten, aber weniger ambulante psychotherapeutische Behandlungen und rehabilitative Angebote. Die hier zu beobachtenden Hindernisse sind u. a. auf fehlende Informationen, generelle Vorbehalte, ökonomische Faktoren und Kommunikationsprobleme zurückzuführen. Die Erfolgsaussichten der Bemühungen um einen verbesserten Zugang zu Institutionen des Gesundheitssystems für Personen anderer ethnokultureller Zugehörigkeit stehen jedoch nicht zuletzt in Zusammenhang mit in der Gesellschaft grundlegend vorherrschenden Haltungen zur Integration von Migranten. Dies wurde und wird immer wieder von u. a. Wielandt Machleidt und Iris Tatjana Calliess angemahnt. Besonders deutlich wird dieses Problem, mit Blick auf die Versorgung traumatisierter Geflüchteter. Verbände und Initiativen beklagen völlig zu Recht bestehende Defizite und Zugangsbarrieren. Zu viele erhalten nicht die Hilfe, die sie brauchen – zu dieser ernüchternden Bilanz gelangen wir leider immer noch.

Wie gelingt es pflegerischen Praktikern, eine angemessene medizinische Begleitung zu gewährleisten?

Wissen Sie, ich tue mich grundsätzlich schwer, Praktikerinnen und Praktikern in der Pflege aus der Ferne, am überschaubaren Schreibtisch im insgesamt friedlichen und beschaulichen Düren sitzend, Ratschläge zu geben bzw. ihnen zu sagen, was sie zu tun haben. Das könnte nachvollziehbarerweise als Einmischung und Belehrung empfunden werden. Daher möchte ich auf Umwegen antworten und meine immerhin zwanzigjährigen Erfahrungen als Integrationsbeauftragter kurz einbringen. Mir hat es stets geholfen, wenn ich mit Beginn einer Begegnung im interkulturellen Kontext sozusagen alles “auf Null“ setzte – alle Bilder, störenden Gedanken, Urteile, … Ich entschied mich, das wahrzunehmen und darauf zu reagieren, was sich mir in dem jeweiligen Moment darstellte. Neugier, Offenheit und Behutsamkeit sind in diesem Zusammenhang gute Qualitäten. Ich wechselte dabei auch die Perspektive: Nicht etwas ist fremd, sondern es ist mir fremd – was einen großen Unterschied ausmacht. So kommt man zu erstaunlichen und heilsamen Erfahrungen.

Rein praktisch würde ich allen empfehlen, sich für das stark zu machen, was wir als „migrationsfreundliches Krankenhaus“ bezeichnen. Konzepte und Erfahrungsberichte gibt es zuhauf.

Die Versorgung erkrankter Geflüchteter hat eine ethische wie eine politische Dimension. Welche Botschaft versteckt sich nach Ihrer Meinung hinter der humanitären Tat?

Jetzt betreten wir Boden, bei dem jeder Schritt überlegt sein will. Aber ich will es versuchen:

Mit jedem Flüchtling hält die Gewissheit von Zerrissenheit unserer Welt Einzug in die Krankenzimmer. Das globale Ausmaß von Gewalt, Korruption, Ignoranz und Intrigen ist geradezu erstickend.

Betrachten wir zunächst die politische und rechtliche Ebene, sind die Verhältnisse eigentlich recht klar. „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“ – so steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte seit Jahrzehnten.

Die Genfer Flüchtlingskonvention stellt heute noch den Kern des völkerrechtlichen Flüchtlingsschutzes dar. Geprägt von den Verfolgungen im Zweiten Weltkrieg definiert sie, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte und Pflichten Flüchtlinge in den Aufnahmestaaten haben. Auch das Europäische Recht und das Grundgesetz beinhalten Formulierungen, die zunächst glauben lassen könnten, dass alles in geordneten Bahnen verläuft. Hier ist nicht der Raum für eine differenzierte Darlegung.

Auf der anderen Seite beobachten wir jedoch eine massive gesamteuropäische Abschottungspolitik, die in dem Umgang mit Flüchtlingen, welche auf offener See vom Tode bedroht sind, ihren tragischen und unfassbaren Höhepunkt nimmt. Niemand weiß derzeit, wie sich die Entwicklung fortsetzt. Dabei dürfte es jedoch naiv sein zu glauben, eine weitere „Flüchtlingskrise“ – das Wort macht schon die grundsätzlich falsche Haltung deutlich – werde es nicht geben.

Wenden wir uns der ethischen Dimension zu. Diesbezüglich gibt es zahlreiche Postulate, z. B.:

Menschenrechte gelten nicht nur für deutsche Staatsangehörige. Unser Land bleibt deshalb verpflichtet, anderswo auf der Welt Verfolgten Schutz zu gewähren. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Asyl-Kompromiss 1996 das Recht des Gesetzgebers festgestellt, das Asylrecht seinem Umfang und seiner konkreten Geltung nach zu regeln. Dies sollte jedoch kein Anlass zu einer möglichst eng gefassten und zu Lasten Schutzsuchender gehenden Interpretation sein.

Oder: Die menschenrechtliche Qualität unseres Gemeinwesens wird wesentlich durch den Umgang mit den Schwächsten bestimmt. Dieser Grundsatz muss auch bei der Ausgestaltung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen beachtet werden. Wenn die gesetzlichen und administrativen Vorschriften mehr darauf abzielen, Asylbewerber abzuschrecken als ihnen tragfähige Lebensumstände zu schaffen, wird der Staat seinen humanitären Verpflichtungen nicht gerecht.

Es stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit solchen Grundsatzformulierungen um? Lassen wir sie uneingeschränkt gelten? Relativieren wir sie, suchen wir Schlupflöcher, verschließen wir die Augen, weil ein Gewahrwerden der Dimensionen pure Angst auslöst? Oder stimmen wir achselzuckend dem polnisch-britischen Soziologen Zygmunt Bauman zu, der 2016 dafür plädierte, sich in die Lage des Flüchtlings hineinzuversetzen und sich dessen Zwicklage zu vergegenwärtigen?

Dieser verliert nach Bauman, weil er vor Not oder Gewalt flieht, seine Heimat, ohne eine neue zu gewinnen, denn er ist kein Auswanderer. Flüchtlinge bewegen sich in einem leeren Raum, sie sind eigentlich weder Sesshafte noch Nomaden. Sie eignen sich hervorragend für eine Stigmatisierung, für die Rolle der Strohpuppe, „die man stellvertretend für die globalen Kräfte des Unheils verbrennt“.

Die Diskussion über die Lage von Flüchtlingen weltweit hält an und entwickelt dabei derart bizarre Ausmaße, dass man sich sehr wohl um den Fortbestand der Demokratie zumindest Sorgen machen darf. Zugleich sei festgehalten, dass uns allen tagtäglich eine Informationsflut zugemutet wird, die das Gefühl nährt, die Menschheit – zumindest ein großer Teil von ihr – habe den Verstand verloren und Sitte bzw. Anstand über Bord geworfen. Folglich aktiviert jeder von uns Schutzfunktionen, um bei erlebter Hilflosigkeit und Ohnmacht nicht handlungsunfähig zu werden. So gibt es Menschen, die lassen am Abend aus Gründen der Psychohygiene den Fernseher aus, um der Tirade von Katastrophenmeldungen schlichtweg zu entgehen. Offen gestanden: Je nach innerer Verfassung sucht auch mein Auge bei der Zeitungslektüre am frühen Morgen sehr schnell nach den Cartoons des Tages, um die mit dem bloßen Überfliegen der (blutrünstigen) Schlagzeilen aufgekommene Anspannung mit einem kräftigen Lacher aufzuheben.

Was die grundsätzliche Haltung anbelangt, gab uns der Deutsche Pflegerat Deutliches mit auf den Weg: „Die Flüchtlingswelle stellt für Deutschland Herausforderung und Chance zugleich dar. Menschen, die verfolgt werden, haben nach dem Grundgesetz einen Anspruch auf unseren Schutz. Die Gesundheitsprofessionen sind zudem auf der Grundlage ihrer ethischen Werte dem Schutz von/der Hilfe für vulnerable Menschen und Gruppen verpflichtet.“

Das muss man aus meiner Sicht nicht kommentieren. Schön wäre es nur, gäbe es für diese sich daraus ergebende Leistung mehr gesamtgesellschaftliche Wertschätzung und – ja! – gerne auch mehr Lohn!

Inwieweit haben Religiosität oder Spiritualität einen Platz in der Begleitung betroffener Menschen?

Ich möchte meine Antwort auf die Religiosität konzentrieren, da es hier greifbarer wird. Generell müssen wir feststellen, dass Religion für eine große Zahl von Migrantinnen und Migranten eine weitaus höhere Bedeutung hat, als es sich zum Beispiel bei uns seit vielen Jahren abzeichnet. Wir leben in Deutschland in Zeiten der Schließungen von Kirchen und des – mich erschreckenden – Bedeutungsverlustes “der Kirche“, wobei das Ende nicht absehbar ist. Hier ist nicht der Ort, den Ursachen genauer auf den Grund zu gehen. Aus der Situation ergibt sich für die Akteure im Gesundheitswesen die Notwendigkeit des Umdenkens. Wir sollten Religiosität und der religiösen Praxis – es wäre das Gebet u. a. zu nennen – bei Migrantinnen und Migranten Raum geben und uns auf die grundlegend “religiösere“ Sicht in unserem Umgang und auch bei unserer Deutung von Ereignissen einlassen und diese nicht als befremdlich oder gar “unaufgeklärt“ werten.

In den meisten Krankenhäusern und Kliniken gibt es eine starke Präsenz der katholischen und evangelischen Kirche, während andere Religionen weniger oder nicht berücksichtigt werden. Hier gibt es also noch Luft nach oben. Ein nicht an eine bestimmte Religion gebundener Gebetsraum oder auch Raum der Stille erscheint mir als eine überlegenswerte Lösung.

Für viele Menschen gewinnt Religion gerade unter Migrationsbedingungen an Bedeutung. Unter diesen scheint man sich auf die Herkunftstradition zu besinnen, zu der sicherlich die Religion gehört, und schließt sich einer entsprechenden religiösen Gemeinschaft an, die eine kulturelle Heimat bietet. Religion kann gewissermaßen als portables Stück Heimat in der Fremde verstanden werden. Religion sollte dabei sehr wohl eine Ressource darstellen, die für einen erfolgreichen Integrationsprozess nutzbar gemacht werden kann. Mitunter wird aus meiner Sicht in der gesellschaftlichen Debatte das Trennende zu sehr in den Fokus gerückt – denken wir an Versuche, “den Islam“ quasi unter Generalverdacht zu stellen.

Wie sollen die Praktiker das Buch „Seelische Gesundheit von Geflüchteten“ nutzen?

Zunächst, und da spreche ich sicherlich auch für meinen Kollegen Stefan Jünger, möchten wir dem Verlag Kohlhammer dafür danken, dass er sich mit diesem kleinen Band des Themas annimmt. Schon 2010 konnten wir das Buch zur seelischen Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund dort verwirklichen – was davon zeugt, dass man sich im Verlag des gesellschaftlichen (Bildungs-)Auftrags bewusst ist.

Als Zielgruppe des Buches sehen wir thematische “Ersteinsteiger“, aber auch Kolleginnen und Kollegen, die eine Wiederauffrischung des Themas als sinnvoll erachten.

Bei der Konzeption haben wir uns sehr schnell entschieden, neben der ausführlichen Darstellung der Situation auch viel Energie in einen Teil zu stecken, der sich auf die Grundhaltung bezieht. Bevor man sich Gedanken über die Praxis im Detail macht, und auch hierzu gibt es eine Fülle von wertvollen Tipps und Anregungen, sollte jede(r) sich fragen, wo sie/er steht, … welchen Raum sie/er dieser Frage mit weltweiter Bedeutung grundsätzlich gibt. Aus der Gewinnung einer klaren Überzeugung resultiert aus unserer Sicht ein allemal authentischeres, ruhigeres Miteinander, eine – wenn auch kurze – Beziehung, die von Verständnis und Akzeptanz getragen ist und somit beiden Seiten Gewinn bringt.

Ansonsten warten 140 Seiten mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten auf Leserinnen und Leser.

Bei der Erstellung haben wir uns an dem guten und bewährten Prinzip „SEHEN – URTEILEN – Handeln“ orientiert, wobei das SEHEN (zunächst) durch LESEN zu ersetzen wäre. Dieses Prinzip geht zurück auf die Lehre Kardinal Joseph Cardijns (1882-1967), dem Gründer der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ).

Als Grundlage diente uns ein großer Literaturfundus, der dann eine sehr aktuelle und umfangreiche Literaturliste zur Folge hatte. Wer also Aspekte vertiefen möchte, muss keineswegs lange suchen. In diesem Zusammenhang möchten wir den vielen Initiativen, Verbänden und Privatpersonen herzlich danken, die uns ihre Materialien spontan zur Verfügung stellten.

Kurzum: Lesende mögen sich ein Bild machen und die gewonnenen Erkenntnisse in ihre Arbeit einfließen lassen! Die ausführlichen Informationen zur seelischen Gesundheit von Geflüchteten und die sich anschließenden praktischen Empfehlungen sind sicherlich geeignet, mit erweiterten Kenntnissen und einem – vielleicht – neuen Verständnis einem Personenkreis gegenüberzutreten, der dringend unser aller Unterstützung bedarf.

Das Interview führte Christoph Müller in der Reihe „CHRISTOPHS PFLEGE-CAFÉ“, https://pflege-professionell.at/

Herrn Müller und Herrn Hax-Schoppenhorst danken wir sehr dafür, dass Sie uns dieses interessante Interview zur Verfügung stellen.

Nähere Informationen zum betreffendem Buch: Thomas Hax-Schoppenhorst & Stefan Jünger: Seelische Gesundheit von Geflüchteten – Ein Praxisratgeber für Gesundheitsberufe, 2019 (ISBN 978-3-17-034809-7)

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