Rechtspsychologie

Professor Denis KöhlerHerr Professor Köhler, Sie sind Professor für Psychologie an der Fachhochschule Düsseldorf und lehren dort unter anderem Differentielle Psychologie und Rechtspsychologie. Wann begann Ihr Forschungsinteresse an der Rechtspsychologie und wie wurde es geweckt?

Während meiner Zeit als Zivildienstleitender und der damaligen Arbeit mit geistig behinderten Menschen habe ich Interesse an der Psychologie gefunden. Durch die ZVS wurde ich als Hamburger an die Universität Bielefeld „verschickt“ und habe dort zunächst überhaupt nicht daran gedacht, in Richtung Rechtspsychologie zu gehen. Erst durch die Seminare eines Dozenten habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren. Er hat es geschafft, spannende Themen abzudecken und Leute aus der Praxis an die Uni zu holen. Nach meinen Praktika in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in einem Jugendgefängnis hat mich das Thema schließlich „gepackt“. Meine Diplomarbeit habe ich zwar noch im Bereich der klassischen Persönlichkeitsforschung geschrieben, nach meinem Abschluss als Psychologe habe ich aber glücklicherweise gleich eine Stelle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Kiel mit der schwerpunktmäßigen Arbeit in einem Jugendgefängnis bekommen. Das passte genau!

Rechtspsychologie | KohlhammerWas genau ist eigentlich Rechtspsychologie und von welchem Gegenstandsbereich sprechen wir hier?

Die Rechtspsychologie ist die Anwendung von psychologischen Erkenntnissen und Grundlagen auf Fragen des Rechtssystems. Die Rechtspsychologie kann in die Bereiche Kriminalpsychologie und Forensische Psychologie eingeteilt werden. Während sich erstere primär mit der Entstehung und der Prävention von dissozialem/straffälligem Verhalten beschäftigt ist der Gegenstandsbereich der letzteren die psychologische Tätigkeit im gerichtlichen Kontext (z.B. die Tätigkeit als Gerichtsgutachter).

Gibt es so etwas wie eine kriminelle Persönlichkeit?

Eine „kriminelle Persönlichkeit“ gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nicht. Dennoch gibt es einige ungünstige Persönlichkeitseigenschaften, die Kriminalität deutlich begünstigen können (u.a. keine Empathie, geringe Impulskontrolle, feindselige Grundeinstellungen). Kriminalität ist jedoch ein komplexes biopsychosozial bedingtes Phänomen. Umwelteinflüsse (z.B. Eltern oder soziales Umfeld, Arbeitslosigkeit) spielen ebenso wie die aktuelle Situation bzw. Gelegenheiten eine Rolle.

Können Sie uns von einem Fall berichten, den Sie besonders spannend fanden?

Besonders beeindruckt und emotional mitgenommen hat mich der Fall des entführten und später ermordeten Jungen Felix. Eines Tages rief mich die Polizei in meinem Büro im Gefängnis an und teilte mir mit, dass seine Mutter ein paar Fragen an mich bzgl. der Persönlichkeit dieser Täter hat. Für mich als Gefängnispsychologe, der dort mit Gewalttätern arbeitete, war die Begegnung mit der Opferseite etwas Besonderes. U.a. erläuterte ich der Mutter, was für Menschen solche Taten begehen und das sie nicht damit rechnen kann, dass dem Täter seine Tat  wirklich leid tun wird. Zumindest nicht so, wie man es als Mutter erwartet. Noch heute denke ich öfter an das Gespräch zurück und träume als Familienvater manchmal von diesem schrecklichen Leid für das Kind, die Mutter, die Angehörigen und die Freunde. Diese Gefühle und das Leid der Opfer sind nur sehr schwer in Worte zu fassen. Straftaten dieser Art verhindern zu helfen, ist sicherlich ein starker beruflicher Motivator für mich.

In Deutschland gibt es noch keinen Studiengang mit dem akademischen Abschluss (M.Sc.) in Rechtspsychologie. Wie wird man denn dann eigentlich Rechtspsychologe?

Seit diesem Jahr kann man endlich an einigen Hochschulen einen Mastergrad in Rechtpsychologie erwerben. Ich hoffe sehr, dass sich dieser Abschluss an den Universitäten und Hochschulen durchsetzt und in der Praxis akzeptiert wird. In Deutschland ist man diesbzgl. leider immer noch sehr konservativ. Zudem kann man beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie eine postgraduale Weiterbildung zum Fachpsychologen für Rechtspsychologie absolvieren.

Für Ihre Zeit und Mühe bedanken wir uns sehr herzlich.
Das Interview führte Joanna Amor.

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