Anlässlich des Erscheinens des Bandes Innovation und Marketing von Rolf Weiber und Alexander Pohl führten wir mit den Autoren das folgende schriftliche Interview:
Ihr neues Lehrbuch trägt den Titel „Innovation und Marketing“ – diese Reihenfolge ist bewusst gewählt, oder?
Ja, die Rheinfolge ist sehr bewusst gewählt, da es nicht um das Marketing von Innovationen geht, sondern um die Steuerung und das Zusammenspiel der beiden Bereiche Marketing und Innovation mit dem gemeinsamen Ziel der Generierung von Kunden und der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen. Peter Drucker hat hierzu einmal treffend vermerkt: „Any business enter-prise has two – and only these two – basic functions: marketing and innvoation.”
Sie beide verfolgen in Forschung und Lehre den Ansatz eines „marktorientierten Innovationsmanagements“ – worin liegt hier das Innovative?
Dass das Innovationsmanagement marktorientiert sein sollte, ist wohl eher „klassisches Unternehmenswissen” und letztendlich auch trivial. Die Bezeichnung „marktorientiertes Innovationsmanagement” wird in unserem Buch ja auch eingehend erläutert und soll vor allem signalisieren, dass die Verzahnung der zentralen Unternehmerfunktionen „marketing and innovation” nur gelingt, wenn wir in allen Phasen des Innovationsprozesses immer die Rückkopplung zum Kunden suchen und dabei auch auf die neuen (technologischen) Möglichkeiten der Verzahnung von Anbieter- und Kundensphäre zurückgreifen. Dabei darf das Marketing nicht als „Beiwerk“ bei der Innovationsentwicklung gesehen werden, sondern muss gleichberechtigter Partner von Innovationen sein:
Vor diesem Hintergrund nehmen wir z. B. eine Unterscheidung zwischen Produkt- und Nutzungsinnovationen vor. Bei Nutzungsinnovationen ist nicht der Verkauf, sondern die kundenseitige Nutzung einer Innovation für den Erfolg auf der Anbietseite entscheidend. Solche Innovationen spielen gerade in der digitalen Wirtschaft eine herausragende Rolle, da Anbieter durch Social Media und das Internet der Dinge immer stärker in die Nutzungsprozesse der Nachfrager einbezogen werden können.
Weiterhin ist der gesamte von uns modellierte Innovationsprozess durch einen starken Link zum Marketing geprägt: Im Ausgangspunkt orientieren wir Innovationsüberlegungen an der strategischen Unternehmensplanung und der Positionierung eines Unternehmens im Markt. Am Ende haben wir die Themen Adoption, Diffusion und Akzeptanz von Innovationen besonders intensiv behandelt. Im Verlauf unseres marktorientierten Innovationsprozesses geht es durchgängig um die zunehmende Verfeinerung der Businessplanung für Innovationen.
Im Innovationsprozess gilt der spätere Kunde zumeist wenig, die Fachleute sehen in ihm einen Laien, dessen Interessen den F & E-Prozess nur behindern. Sie stellen dagegen den Kunden als „Partner“ im unternehmerischen Innovationsprozess dar – warum?
Die Zeiten der „closed companies” sind wohl vorbei! Über soziale Medien und das Internet greifen Kunden heute nicht nur in Innovationsprozesse, sondern auch in Produktions-, Service- und Vermarktungsprozesse (z. B. über user-generated-content) ein. Dabei sind sie autonom, verfügen über professionelle Tools und brauchen für ihr Tun auch keine „Genehmigung“ von Unternehmen. Unternehmen, die bei Innovation und Marketing den Kunden nicht als Partner im Prozess der kundenseitigen Wertgenerierung akzeptieren und ihn aktiv in die Unternehmensprozesse einbeziehen, werden auf der Strecke bleiben.
Wird Marketing von innovativen Produkten eigentlich durch den Einsatz sozialer Medien und Online-Marketing leichter?
Es wird nicht leichter, sondern eher komplexer! Aber Online-Technologien schaffen auch vielfältige Zugänge zum Kunden, die es ohne sie nicht geben würde. Vor allem eröffnet der „Online-Bereich” nicht nur eine zunehmend relevanter werdende Interaktionsebene (sowohl zwischen Anbieter und Kunden als auch zwischen Kunden untereinander), sondern auch den Zugang zu umfangreichen Daten (Thema Big Data), die die Basis zur Generierung neuer Geschäftsmodelle bilden und zukünftig wettbewerbsentscheidend sein werden. Das Internet der Dinge wird die Informationsmöglichkeiten über Nutzungsprozesse nochmals exponentiell erhöhen. Die Analyse von Nutzungsprozessen und die Generierung von Nutzungsinnovationen wird deshalb zukünftig eine immer bedeutsamere Rolle spielen.
Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und Zeit.
Das Interview führte Dr. Uwe Fliegauf.