Marcus Aurelius lebte von April 121 bis März 180 n. Chr. und war nicht nur von 161 bis 180 römischer Kaiser und ein erfolgreicher Feldherr, sondern auch ein wichtiger Anhänger der Lehre der Stoa, auf deren Grundlage er ein eigenes philosophisches Werk mit dem Titel „Selbstbetrachtungen“ verfasste. In seinem Werk zu Mark Aurel widmet sich Prof. Dr. Wolfgang Kuhoff diesem komplexen Zusammenspiel von Philosophie, Kriegsführung und Kaisertum im Leben Marcus Aurelius.
Marcus Aurelius ist ein römischer Kaiser, der bis heute einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Was zeichnet Marc Aurel im Unterschied zu anderen Kaisern aus?
Marcus Aurelius zeichnet nach ethischen Maßstäben besonders sein Pflichtgefühl aus, das er innen- wie vor allem außenpolitisch an den Tag legte. Sein in mehreren offiziellen Dokumenten niedergelegtes Rechtsverständnis zeigt diese Einstellung in kleinem Umfang, weil nur diese wenigen Zeugnisse überliefert sind. Die vielen Hinweise in den spätantiken Rechtssammlungen sind dagegen vornehmlich als Äußerungen der kaiserlichen Kanzlei mit ihren Rechtsberatern zu verstehen, bei denen ein persönlicher Anteil kaum auszumachen ist. Im Ganzen aber darf Marcus Aurelius als ein bedeutender Rechtsschöpfer angesehen werden, dessen Aussagen jedoch stets als solche des Kaisers und seiner Berater gemeinsam verstanden werden müssen.
Im außenpolitischen Bereich ist es vor allem die regelrechte Aufopferung für den römischen Staat in einer Krisensituation, die durch militärische Angriffe an der Ost- und Nordgrenze gekennzeichnet war, die das Imperium Romanum in beträchtliche Schwierigkeiten brachten und einen hohen Blutzoll forderten. Nach Traianus konnte ein bzw. konnten zwei Kaiser nach mehr als vier Jahrzehnten wieder Triumphe feiern, die beide durchaus verdient waren. Marcus Aurelius setzte dabei seine Gesundheit aufs Spiel und sein recht früher Tod darf als Auswirkung der körperlichen Anstrengungen gewertet werden, ob er nun als Folge der weitreichenden Seuche oder eben dieser vielfältigen Mühen zu deuten ist.
Schließlich setzte er durch die Einrichtung einer Samtherrschaft mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus Maßstäbe für die Zukunft, die späterhin immer wieder vorbildhaft für die Ausübung der Staatsleitung wirkten.
Ihr Buch trägt den Untertitel „Kaiser, Denker, Feldherr“. Die Betätigung als „Denker“ und „Feldherr“ scheint ein Antagonismus zu sein. Wie kam es, dass Marc Aurel sich sowohl als Denker als auch als Feldherr profiliert hat?
Als Denker profilierte sich Marcus Aurelius durch seine Nähe zur stoischen Philosophie, die zur schriftlichen Niederlegung in seinen sogenannten „Selbstbetrachtungen“ führte. Es ist aber gebührend zu unterstreichen, dass uns in diesen kein ausgefeiltes Lehrbuch für ein philosophisch ausgerichtetes Leben vorliegt, sondern nur eine Stichwortsammlung, die einer umfänglichen Redaktion bedurft hätte. Da diese jedoch weder durch ihn noch durch irgendwelche späteren Personen vorgenommen wurde, kann man das Werk trotz aller gegenteiligen Ansichten nicht als Richtschnur werten, denn das tatsächliche Leben bot für den Kaiser vielfache und unterschiedlich ausfallende Mühen, die auch ein philosophisch ausgerichteter Charakter nicht immer zu bewältigen vermochte.
Die Notwendigkeit zur fast ständigen Kriegsführung in alleiniger Person nach dem Januar 169 zeigte Marcus Aurelius seine realen Aufgaben vor, die nicht mit Bezug auf philosophische Vorschriften zu lösen waren.
Hierin konnte er sich zusammen mit seinen Feldherrn letztlich erfolgreich bewähren, obwohl sein Tod eine grundlegende Bewältigung der außenpolitischen Probleme verhinderte. Nicht von ungefähr verdiente er sich daher die Errichtung einer „Siegessäule“ in Rom wie sein mittelbarer Vorgänger Traianus – jedoch führte dieser Angriffskriege, Marcus Aurelius und anfänglich Verus hatten jedoch Verteidigungskriege auszufechten.
In welcher Weise hat sich das Bild von Marc Aurel von der Antike bis heute gewandelt?
Marcus Aurelius stand stets im Focus der Nachwelt. Am besten zeigt dies das Werk des späteren Nachfolgers Iulianus, der in seinen „Caesares“ ein der Philosophie verpflichtetes Bild seines indirekten Vorbildes bot. Dieser Linie folgten viele spätere Autoren, sodass letztlich die Bewertung der Person als „Philosophenkaiser“ zustande kam.
Dies ist aber nur ein Teil der Lebensleistung und nicht derjenige, der von der damaligen Öffentlichkeit registriert wurde. Die nachantike Nachwelt favorisierte dagegen genau diese Einschätzung eines philosophischen Maßstäben verpflichteten Herrschers, wodurch die Beurteilung der Lebensleistung über Gebühr verengt wurde. Das literarische Werk des Kaisers verdient natürlich eine ausführliche Erörterung, die gerade in unserer Zeit maßstäblich vorgenommen wurde, aber die andere Seite des Wirkens als „Kriegsherr“ ist mehr als gleichwertig zu verstehen. Die angebliche Benutzung des philosophischen Werkes als politische Richtschnur bei neuzeitlichen Politikern erinnert jedenfalls sehr an Spiegelfechterei, weil die enthaltenen Vorgaben niemals wirklich umgesetzt wurden, was ohnehin in der politischen Realität aller Zeiten nicht durchsetzbar ist. Marcus Aurelius selbst vermochte diese seine „Nachtgedanken“ gleichfalls nicht zu befolgen, wozu die reale Lage des römischen Staates auch keinen Spielraum ließ.
Wüssten wir heutzutage mehr über die innenpolitischen Einstellungen als etwa die offene Ablehnung von Gladiatorenkämpfen, dann könnten wir uns ein besseres Bild von Marcus Aurelius machen.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Mühe.