Anlässlich des Erscheinens des Werkes „Weil Worte wirken“ führten wir mit der Autorin Regine Heiland das folgende schriftliche Interview:
- Worum geht es in „Weil Worte wirken“? Und warum wurde es Zeit für dieses Buch?
Es geht um die Kommunikation zwischen Arzt und Patient – und zwar aus Sicht des Arztes. Das Thema schwirrt seit ein paar Jahren durch Kongresse, Seminare und eigentlich hat jeder etwas dazu zu sagen, zu berichten oder zu beklagen. „Weil Worte wirken“ guckt aber eben nicht nur, was schlecht läuft, oder listet ein paar Redewendungen, mit denen man den Patienten ruhig halten kann. Sondern wir stellen in Theorie und Praxis Modelle vor, mit denen Kommunikation deutlich und grundlegend besser gelingt. Weil der Arzt den Patienten besser versteht, und weil er oder sie selbst sich besser ausdrücken kann.
Wichtig ist die Botschaft: Wir können nicht automatisch gut kommunizieren, aber wir können es lernen. Und man muss es lernen. Denn einen guten Arzt macht nicht nur seine Fachkompetenz aus, die richtige kommunikative Interaktion mit dem Patienten ist ein ganz wesentlicher, entscheidender Teil der Behandlung.
- Das heißt, das Buch wendet sich ausschließlich an Ärzte?
Sicherlich ist es für Ärzte besonders interessant. Und zwar sowohl für „neue“, bei denen das Thema im Studium wahrscheinlich dann doch zu kurz gekommen ist, als auch für „alte Hasen“, die offen sind für Inspiration, Anregungen und eine Optimierung ihrer kommunikativen Fähigkeiten. Genauso können aber natürlich Pflegekräfte und Fachangestellte davon profitieren – die werden von den Patienten ja manchmal noch viel intensiver befragt als die Ärzte. Sehr freuen würde ich mich, wenn bereits Studenten sich mit dem kommunikativen Aspekt ihres künftigen Berufes befassen!
- Was ist das Besondere an dem Buch? Hat es etwas, das Bücher mit ähnlichem Thema nicht haben?
Aus den Rückmeldungen weiß ich, dass insbesondere die vielen Beispiele aus der Praxis auf Begeisterung stoßen. Das Buch bleibt nicht in der Theorie stecken, es fußt auf Interviews, die ich mit Ärzten, Patienten, Pflegekräften, Medizinstudenten und Forschenden gemacht habe. Und die kommen auch alle zu Wort. Es gibt eigene Kapitel von Menschen, die auf einen bestimmten Aspekt – wie zum Beispiel Aktives Zuhören – spezialisiert sind. Zu jedem Abschnitt werden Übungen angeboten, die den Transfer vom Lesen zum Anwenden erleichtern. Zeichnungen machen das Beschriebene außerdem noch einmal anschaulicher. Ganz wichtig ist aber natürlich, dass ganz konsequent mit den Modellen der Hamburger Kommunikationspsychologie gearbeitet wird. Diese Modelle, die eng mit dem Namen meines Mentors Friedemann Schulz von Thun verknüpft sind, haben sich ganz hervorragend in der Praxis bewährt. Auch gerade im medizinischen Sektor.
- Eines dieser Modelle ist das „Innere Team“. Können Sie das beispielhaft kurz erklären?
Also, ganz knapp und damit natürlich ein bisschen oberflächlich ist das so: Wir kennen Goethes Ausspruch „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. In Wirklichkeit ist es meistens eine ganze Truppe, die da in uns lebt. Ein Beispiel wäre, wenn uns der Kollege fragt, ob wir abends mit zu einem Fachvortrag wollen. Dann sagt der Ehrgeizige in uns „Da lerne ich was, das mir beruflich nützen könnte“. Der Familienmensch sagt „Ach, lieber ein Netflix-Abend mit der ganzen Bande auf dem Sofa“, der Neugierige will wissen, ob der Vortragende das gut hinkriegt, der Ängstliche denkt „Wenn ich mich da nicht zeige, merkt das der Chef“. Und so weiter. Wer dann ausschlaggebend für die Antwort ist, liegt daran, wer im Inneren Team in dieser Situation in der ersten Reihe steht und innerlich am lautesten schreit. Was nicht heißt, dass man die Entscheidung nicht zehn Minuten später bereut! Wichtig ist dieses Modell für Ärzte zum Beispiel beim Überbringen schlechter Nachrichten. Wer redet da eigentlich gleich mit dem Patienten? Der Gewissenhafte in mir, der alles erzählt, auch wenn er den Patienten damit überfordert? Der Mitfühlende, der selbst fast vor Trauer zerfließt? Der Ängstliche, dem so etwas sowieso nicht liegt und das Ganze nur schnell hinter sich bringen will? Wenn ich mir vorher darüber im Klaren bin, in was für eine Situation ich mit welchen Inneren Teammitgliedern gehe, stehen die Chancen deutlich besser, dass es – in all dem Schrecklichen – ein gutes Gespräch wird.
- Warum haben Sie sich ausgerechnet das Thema Arzt-Patienten-Kommunikation ausgesucht?
Es gab tatsächlich ein persönliches Schlüsselerlebnis. Als nämlich während der Schwangerschaft mit meinem zweiten Sohn ein eigentlich sehr freundlicher, kompetenter Arzt bei der Ultraschalluntersuchung sagte: „Jetzt schauen wir mal, ob wir auch Beine finden!“. Ein fürchterlicher Satz, wenn einem vorher mitgeteilt wurde, dass es Grund zur Sorge gibt. Der Arzt wollte mich am Prozess beteiligen. Die Absicht war also gut, die Wirkung allerdings gar nicht.
Und Ähnliches hat – wie ich gerade im Rahmen der Arbeit an dem Buch erfahren habe – praktisch jeder schon einmal erlebt. Da ich ja auch Kommunikationsseminare mit Ärzten mache, kenne ich aber ebenso deren Erleben, und mehr als einmal habe ich den Satz gehört: „Ich dachte, ich hätte alles so gut und genau erklärt. Und dann stelle ich fest, der Patient hat überhaupt nichts verstanden!“. Es waren also sowohl persönliche als auch berufliche Erlebnisse, die mich dazu gebracht haben, mal ganz genau auf das Thema zu schauen und zu versuchen, da einen neuen Weg vorzuschlagen.
- Was hat Ihnen beim Schreiben besonders Spaß gemacht? Und was hat Sie überrascht?
Wirklich toll waren tatsächlich die Interviews. Von sehr ernst bis sehr lustig war da alles dabei. Eigentlich wollen alle dasselbe, aber das Scheitern lauert überall. Und ich habe gespürt, wie groß die Offenheit ist, dass es besser wird und auch seinen Teil dafür zu tun. Auf der anderen Seite war das Schreiben schon eine echte Herausforderung an die Disziplin. Wie oft sagen wir „Ich komme überhaupt nicht mehr dazu, ein Buch zu lesen!“. Das ist nichts im Vergleich dazu, ein Buch zu schreiben …
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Mühe!