In ihrem Buch „Resilienz“ zeigt Undine Lang 53 Wege auf, die helfen, die psychische und körperliche Gesundheit zu stützen. Wir haben mit der Autorin gesprochen:
Liebe Frau Professorin Lang, Ihr neu erschienenes Buch „Resilienz“ folgt einem besonderen Aufbau: Jeder „Baustein“ zu einer starken Resilienz wird zuerst mit einem Fallbeispiel eingeführt, erst dann folgen theoretische Erklärungen und interessante Studien. Warum haben Sie sich für diese – für ein Fachbuch eher untypische – Vorgehensweise entschieden?
Ich wollte in diesem Buch einen Überblick geben über die wissenschaftliche Literatur, die zum Thema Resilienz existiert, und deshalb gibt es sehr viele unterschiedliche Kapitel.
Einerseits wollte ich möglichst viele Themen aufgreifen und andererseits kurze einfache Absätze schreiben, die eine Take-Home Message haben. Ich sehe jedes Jahr hunderte von Betroffenen und ihre sehr individuellen Coping-Strategien beinhalten einige Lebensweisheiten, die ihnen geholfen haben, und diese Erfahrungen wollte ich weitergeben.
Wen wollen Sie besonders ansprechen und welchen Nutzen aus Ihrem Buch wünschen Sie Ihren Leserinnen und Lesern?
Ich möchte einerseits Betroffene ansprechen, die sich fragen, was zu einer besseren Stabilisierung führen kann. Gleichzeitig möchte ich auch Fachpersonen, Beratern, Sozialarbeitern, Psychologen, Ärzten und Pflegefachkräften neue wissenschaftliche Daten zum Thema Resilienz liefern.
Welche Aspekte von Resilienz und psychischen Ressourcen sind Ihrer Ansicht nach noch nicht genügend erforscht – wo zeigt die Forschungslandkarte noch weiße Flecken?
Ich denke, genauso wie wir bei Medikamenten sehr genau wissen, bis zu welchem Grad sie helfen (das ist in vielen randomisierten kontrollierten klinischen Studien untersucht worden) müssen wir auch für andere Hilfestellungen, zum Beispiel den Erhalt eines Arbeitsplatzes, das Pflegen von Freundschaften oder eine gesunde Ernährung, die Wirksamkeit kennen und sie dann vielleicht noch zentraler in der Therapie verankern.
Wenn wir unsere psychiatrische Therapie ansehen, die ja aus vielen Bausteinen besteht, dann werden auch heute schon viele Resilienzaspekte in der Therapie praktiziert: tiergestützte Therapie, Massage, Kunsttherapie, Musiktherapie, Physiotherapie, Ernährungsberatung, Seelsorge, Achtsamkeit, Yoga, Wiedereingliederung am Arbeitsplatz, Hilfe bei der Wohnungssuche, Mitbehandlung körperlicher Erkrankungen oder auch Schlafhygiene usw.
Der Begriff „Resilienz“ ist in der psychologischen Fachwelt in aller Munde.
Ist er nur im klinischen Kontext relevant, oder sollten sich auch psychisch gesunde Menschen mit ihrer Resilienz auseinandersetzen?
Resilienz ist im klinischen Kontext vielleicht am wenigsten relevant, weil sie ja eine Art der Krisenbewältigung ist, die dazu führt, dass Menschen gar nicht erst in eine Klinik kommen. Letztlich ist Resilienz eine Art der Prävention, um in schwierigen Phasen eben nicht psychisch krank zu werden, sondern diese gestärkt und gesund zu überwinden.
Jeder Mensch wird im Leben von Krisen und Verlusten betroffen sein und dann gewisse Ressourcen benötigen, das kann zum Beispiel ein Partner sein oder ein Hobby.
Im Vorwort erklären Sie, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens einmal eine schwere Krise erlebt, aber dennoch nicht jeder psychisch krank wird. Woran merkt ein Mensch (oder auch sein Umfeld), dass er mit einer Krise nicht mehr alleine umgehen kann und therapeutische oder ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen sollte?
Wenn starke Schlafstörungen über mehrere Wochen anhalten, wenn es zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Beziehung kommt, wenn es nicht mehr möglich ist, sich zu konzentrieren oder ein Buch zu lesen, wenn sehr viel Zeit am Tag mit unangenehmen Grübeln verbracht wird, wenn die Dinge, die man gerne gemacht hat, plötzlich keine Freude mehr machen oder man seine Interessen und seine Energie verliert. Oder wenn man über Wochen Angst hat, das Gefühl, gemobbt zu werden, oder wenn man die Kontrolle verliert über den Konsum von Substanzen und man merkt, dass diese einem schaden, aber man trotzdem nicht aufhören kann. Letztlich braucht man vor allem dann therapeutische Hilfe, wenn eine Symptomatik verhindert, dass man seine Lebensziele oder konkrete Vorhaben verwirklichen kann.
Sie thematisieren unter anderem auch die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen. Haben Sie den Eindruck, dass das breite Interesse in der Gesellschaft an Themen wie Resilienz, Achtsamkeit oder Prävention psychischer Erkrankungen dabei hilft, diese Stigmatisierung abzubauen?
Ja, das denke ich.
In Ihrem Buch geben Sie viele Hinweise, wie man seine Ressourcen nutzen und das eigene Leben so gestalten kann, dass die Resilienz gestärkt wird.
Welche Strategien tragen bei Ihnen selbst besonders gut zu Ihrem persönlichen psychischen Wohlbefinden bei?
Mir gibt mein Beruf sehr viel Kraft und sehr viel Sinn, weil ich einerseits kreativ sein kann in Forschungsprojekten, die vielleicht die Therapie der Zukunft verbessern helfen, und weil ich andererseits im täglichen klinischen Alltag Menschen helfen kann – und damit verbessern wir hoffentlich die Therapie der Gegenwart.
Vielen herzlichen Dank für das Interview!