Wie hoch ist die Ungleichheit in der Welt und in Deutschland? Wie hat sich die Ungleichheit entwickelt und wie wirkt sie sich aus? Wie stehen die Chancen, auf der Einkommensleiter nach oben zu klettern? Und schließlich: Wie reagieren die Nationen auf die jüngste Entwicklung und wie beeinflusst die Politik die Verteilung?
All diese Fragen berühren die Menschen und stehen spätestens seit der Finanzkrise im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Viele Menschen glauben instinktiv, dass die soziale Schere weiter auseinander geht. Über die genauen Ursachen und Konsequenzen dieser Entwicklung herrscht allerdings große Unklarheit. Das liegt vor allem daran, dass niemand einen verständlichen Weg durch den dichten Dschungel aus unverständlichen und widersprüchlichen Informationen aufzeigt meinen die Würzburger Ökonomen Prof. Dr. Norbert Berthold und Dr. Klaus Gründler und haben genau das getan: Ein Buch geschrieben, das einfach und verständlich Orientierung geben soll. Die Zusammenhänge zwischen Ungleichheit, politisch motivierter Umverteilung und sozialer Auf- und Abstiegsmobilität werden aus nationaler und internationaler Perspektive anschaulich gemacht. Dabei werden neben zahlreichen Beispielen aus der Popkultur und dem Fußball auch die Wissenschaftler vorgestellt, die mit Ihren Forschungsarbeiten neue Einsichten zu diesem „ökonomischen Evergreen“ geliefert haben.
Anlässlich des Erscheinens des Werkes haben wir die Autoren gebeten, einige Fragen zum Thema zu beantworten.
- Mit Blick auf Deutschland werden Verteilungsfragen im Moment kontrovers diskutiert, stellenweise entsteht der Eindruck einer rein politisch motivierten Debatte zwischen linken und rechten Ökonomen auf Grundlage interpretationsbedürftiger Statistiken – wie sehen Sie das: Hat Deutschland ein „Verteilungsproblem“?
Das Ziel unseres Buchs ist, die Themen Ungleichheit, soziale Mobilität und Umverteilung wissenschaftlich anzugehen. Das bedeutet, wir stellen die verschiedenen Theorien und die beobachtbaren Daten neutral und ohne politische Färbung in die eine oder die andere Richtung vor. Der Grund, warum Ökonomen und Politiker sich in der Frage der Ungleichheit oft widersprechen ist der, dass jeweils völlig unterschiedliche Größen miteinander verglichen werden. Blickt man auf die Höhe der Marktungleichheit, also der Ungleichheit, die aus den Einkommen resultiert, die die Menschen „brutto“ verdienen, so ist Deutschland so ungleich wie die USA, Kolumbien, Guatemala, oder sogar China. Die Staaten reagieren allerdings völlig verschiedenen auf die Marktungleichheit und verteilen über das Steuer- und Transfersystem unterschiedlich stark um. Nach Steuern und Transfers ist die Ungleichheit in Deutschland wesentlich geringer und liegt unterhalb des OECD-Schnitts. Aber: Von staatlicher Umverteilung profitieren immer einige mehr als andere. Dies öffnet das Feld für bewusste Interessenspolitik von verschiedenen Seiten. Und noch eine Sache ist wichtig: Neben der Ungleichheit kommt es vor allem auf die Chancen der Individuen an auf der Einkommensleiter empor zu klettern, die sogenannte soziale Mobilität. In Bezug auf die Chancengleichheit besitzt Deutschland mit Sicherheit noch Verbesserungsmöglichkeiten.
- Noch vor etwa 10 Jahren drohten Verteilungsfragen aus dem Curriculum vieler Universitäten zu verschwinden und auch die Wissenschaft wandte sich anderen Themenbereichen zu – das scheint sich geändert zu haben. Woher kommt das aktuelle Interesse Ihrer Meinung nach?
Der Volkswirtschaftslehre wird ja häufig vorgeworfen, sie würde sich nicht mit Verteilungsfragen beschäftigen. Dieses Argument war für uns immer schwer nachzuvollziehen, schließlich beinhalten die Vorlesungen an unserem Würzburger Lehrstuhl schon seit vielen Jahrzehnten wichtige Verteilungsfragen. Auch in der Wissenschaft ist das Thema eigentlich ein Dauerbrenner. Was allerdings stimmt, ist, dass die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse oftmals nur mit Kollegen teilen und selten an die Öffentlichkeit bringen. Dies wollen wir mit unserem Buch ändern. Vor allem, da gerade das öffentliche Interesse an diesem Thema seit der Finanzkrise stark zugenommen hat, was nicht zuletzt auch die Occupy-Bewegung und ähnliche Phänomene zeigen.
- Zum Abschluss: Wie sieht Ihrer Meinung nach eine moderne und effiziente Verteilungspolitik aus und welches Land folgt am ehesten diesem Ideal?
Eine ideale und effiziente Verteilungspolitik schafft für jedes Mitglied einer Gesellschaft dieselben Chancen, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Was die Menschen dann daraus machen, liegt an den unterschiedlichen individuellen Präferenzen. Insofern sollte die Verteilungspolitik nicht die Symptome der Ungleichheit kurieren, sondern es sollte an der Wurzel angesetzt werden. Und die liegt deutlich tiefer begraben an ungleichen Aufstiegschancen.
- Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben!
Das Interview führte Dr. Uwe Fliegauf.