Mit Frau Dr. Alexandra Klein führten wir anlässlich des Erscheinens ihres Buches “Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg” ein kurzes Gespräch.
Die Wahl von Bürgermeistern wird im Gegensatz zu Bundestagswahlen kaum wahrgenommen, die Wahlbeteiligung ist gering und mittlerweile fehlen sogar Bewerberinnen und Bewerber. Ist die direkte Bürgermeisterwahl ein Auslaufmodell?
Die Direktwahl der Bürgermeister ist kein Auslaufmodell, ganz im Gegenteil. Während es in Baden-Württemberg und Bayern traditionell die Direktwahl gab, hat sie sich in den anderen Bundesländern ab den 90iger Jahre durchgesetzt. Man könnte also auch behaupten, dass das bewährtere Modell überlebt hat.
Bürgermeisterwahlen sind ein beliebtes Thema der Politikwissenschaft. Was kann man aus der Wahl von Bürgermeistern für die Demokratie ableiten, gerade im Hinblick auf die in Deutschland nicht ausgeprägte direkte Demokratie?
Bei der Bürgermeisterwahl wird ein Repräsentant gewählt, der an der Stelle der Bürger/-innen entscheidet. Unter direkter Demokratie wird normalerweise die Beteiligung an Sachentscheidungen verstanden. Die Bürgermeisterwahl ist also nicht unbedingt ein Element der direkten Demokratie. Das „Mehr“ an Demokratie besteht bei der Bürgermeisterwahl darin, dass eine Person direkt gewählt wird und keine Auswahl unter Parteien stattfindet. Außerdem können sich mehr Menschen als bei anderen Wahlen beteiligen, da sowohl Bürger/-innen der EU als auch seit diesem Jahr junge Menschen unter 18 Jahren wahlberechtigt sind. Es zeigt sich aber, dass beides nicht dazu führt, dass sich mehr Menschen beteiligen. Die Direktwahl fördert aber in besonderer Weise die Rückbindung der Gewählten, also der Bürgermeister, an das Wahlvolk.
Gibt es die typische Bürgermeisterin bzw. den typischen Bürgermeister?
Obwohl es keine formalen Voraussetzungen für das Amt gibt, bevorzugen die Wähler Bewerber/-innnen mit einem bestimmten Profil. Dazu zählt als wichtigstes die fachliche Qualifikation als Verwaltungsexperte. Außerdem erhalten qualifizierte Bewerber von außerhalb der Gemeinde oft den Vorzug vor einheimischen Bewerbern. Daneben legen die Bürger/-innen Wert darauf, dass der Bürgermeister das Ohr an den Bürgern hat und dass die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und der Verwaltung harmonisch verläuft.
Ist der süddeutsche Bürgermeister tatsächlich ein kleiner Kaiser oder nur ein Getriebener des Gemeinderats? Ist es überhaupt attraktiv Bürgermeister/in zu werden?
Auf Menschen, die nicht mit dieser Kultur groß geworden sind, wirkt der baden-württembergische Bürgermeister tatsächlich wie ein unanfechtbarer Herrscher. Die Bürgermeister sehen dies mit Sicherheit anders. Sie vermitteln zwischen vielfältigen Interessen und Ansprüchen. Das Amt ist mit hohen Anforderungen verbunden und lässt den Amtsinhabern und ihren Familien nur wenig Privatsphäre. Dafür bietet es enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Es braucht also bestimmte Persönlichkeiten für die es attraktiv ist das Amt auszufüllen.
Ihre Arbeit ist eine empirische Studie. Wie lässt sich das Ergebnis in drei Sätze zusammenfassen?
Die Direktwahl des Bürgermeisters in Baden-Württemberg weist Besonderheiten auf, die es bei anderen Wahlen nicht gibt. Sie beruhen zum einen auf den rechtlichen Regelungen, zum anderen auf der politischen Kultur und Tradition in Baden-Württemberg. Diese Besonderheiten führen zu einem ganz speziellen Angebot bei den Wahlen und bestimmen maßgeblich die Wahlbeteiligung bei den Wahlen.
Und warum lohnt es sich trotz dieser Zusammenfassung Ihr Buch zu lesen?
Das Buch bietet eine umfassende Darstellung der Wahlen seit 1990. Bisher gibt es keine Studie, die Ergebnisse von Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg über einen längeren Zeitraum vorstellt. Damit ist sowohl der Vergleich von mehreren Wahlen in einer Gemeinde als auch von Wahlen in Gemeinden unterschiedlicher Größen möglich. Auch die immer noch vorhandenen regionalen Unterschiede zwischen badischem und württembergischem Landesteil konnten bestätigt werden. In meinen Augen ist das Buch für alle Leser/-innen interessant, die sich für Bürgermeisterwahlen, Kommunalpolitik und politische Kultur in Baden-Württemberg interessieren. Außerhalb von Baden-Württemberg könnte es Aufklärungsarbeit leisten. Die Rolle der Parteien in der baden-württembergischen Kommunalpolitik stößt außerhalb des Landes vielfach auf Unverständnis.
Die Ergebnisse können außerdem dazu beitragen die Wahlbeteiligung bei einzelnen Bürgermeisterwahlen einzusortieren und die Frage zu beantworten, ob sie „im Rahmen liegt“.
Alexandra Klein schloss die Ausbildung als Verwaltungswirtin an der Fachhochschule Kehl ab. Anschließend studierte sie an der Universität Mannheim und promovierte nach einigen Jahren der Berufstätigkeit am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen. Seit 2005 ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.